Christian Ziege als Trainer:Hört sich supergut an

SOCCER - RL Salzburg, Pinzgau vs A. Salzburg

Für einen der Investoren ist Ziege der „best dude ever“. Auch wenn er den Ziege von früher nur aus Youtube-Videos kennt.

(Foto: Jasmin Walter/oh)

Christian Ziege trainiert jetzt einen österreichischen Drittligisten - und will diesen zu einem Klub mit weltweiter Strahlkraft machen. Für den Investor ist Ziege der "best dude ever".

Von Thomas Gröbner

"Fantasie muss man immer haben, sonst braucht man gar nicht anfangen", sagt Christian Ziege. Der ehemalige Fußball-Nationalspieler sitzt auf einer Bierbank, gleich geht das Training des FC Pinzgau Saalfelden los. Im Vereinsheim hängt ein Wimpel von Olympique Marseille am Tresen, die gerade zum Freundschaftsspiel im österreichischen Urlaubsidyll waren. Die Bar ist gut bestückt mit Schnaps, Jägermeister, Wodka und Rum. Ein bisschen Kreisklasse, ein bisschen Weltklasse, das liegt manchmal eng beieinander.

Ziege, 48, war als Trainer an den Rändern des Profifußballs unterwegs, in Unterhaching, auf Mallorca, zuletzt in Thailand. Nur knapp zwei Monate hielt er es bei Ratchaburi Mitr Phol aus, weil der Präsident in die Aufstellung quatschte. "Das war ein Abenteuer, das hat sich eigentlich supergut angehört", sagt Ziege. Ging aber nicht gut aus. Und nun ist er hier, beim österreichischen Drittligisten FC Pinzgau Saalfelden, den er mit viel Fantasie und US-Investoren an die europäische Fußballspitze bringen soll. Hört sich supergut an.

Der Plan geht so: In dem 15 000-Einwohner-Ort gleich an der deutschen Grenze soll ein Klub mit Anhängern auf der ganzen Welt entstehen, von der Champions League ist die Rede. Das hört sich nach "think big" oder Größenwahn an, je nach Perspektive. Dabei ist es in Saalfelden leicht, sich winzig zu fühlen, die Berge türmen sich dort hinter dem Königssee auf wie Wellen eines steinernen Meers. Unten im Tal sagt Ziege: "Einfach kann jeder".

"Wir geben den Klub den Fans zurück", glaubt der Investor

"Wir geben den Klub den Fans zurück", so sieht das Mark Ciociola, tiefe Stimme, blonde Locken, CEO und Gesicht der drei US-Investoren, das war er zumindest bis vor Kurzem, aber dazu später. Ciociola klingt nach Robin Hood, wenn er über ihr Konzept vom "Fan owned Club" spricht: den Reichen den Fußball wegnehmen und ihn den Fans geben. Dabei war der Verein weit entfernt davon, im Würgegriff von Oligarchen zu sein. Aber egal. Nun kann jeder Anteile kaufen, für zehn Euro das Stück, mindestens 500 Euro muss man mitbringen. Dafür kann man dann etwa mit Christian Ziege in Videoschalten über die Aufstellung fachsimpeln. Mitreden in den Entscheidungen darf man bei einem "Fan owned Club" als Fan aber auch nicht.

600 000 Euro habe der Verein auf einer Gründer-Plattform so eingesammelt, sagt Ciociola. Es sind meist Amerikaner, die ein paar hundert Dollar investieren. Sie schreiben, warum sie ihr Geld in dieses Abenteuer stecken. Weil sie den Fußball lieben. Aber auch: "Fuck it, why not."

Warum ausgerechnet dort? Unter dem Blick eines Eremiten, der seine Klause in dem schroffen Fels über dem Fußballplatz hat? Kühle wirtschaftliche Überlegungen: Österreich hat zwar keine Top-Liga, aber liegt weit oben im Uefa-Ranking - deshalb können fünf der zwölf Erstligisten in den internationalen Wettbewerb. Günstiger kommt man wohl nicht an die Fleischtöpfe des europäischen Wettbewerbs. Mark Ciociola glaubt, eine Marktlücke entdeckt zu haben: "Ob du Dortmund-, Real-Madrid- oder Liverpool-Fan bist, das ist ziemlich ähnlich. Wir müssen anders sein." Ciociola will ein Aufsteigermärchen vermarkten. Irgendwann sollen die Anteile dann so begehrt werden, dass der Preis explodiert, dann hat sich das Investment rentiert. Spätestens, wenn der Aufstieg in die Bundesliga gelingen sollte.

Und da kommt Christian Ziege ins Spiel. Für Ciociola ist Ziege der "best dude ever", auch wenn er den jungen Ziege nur aus Youtube-Videos kennt. Da sieht man einen Fußballer, schwarze Haare, Mittelscheitel und begnadeter linker Fuß; einen, der sich auf dem Platz eleganter bewegte als neben dem Feld. Ziege war beim FC Bayern, bei AC Mailand, in England bei Liverpool und Tottenham. Deutscher Meister, italienischer Meister, Uefa-Cup-Sieger, Europameister, viel mehr lässt sich nicht erreichen in einem Fußballerleben.

Eigentlich träumt Ziege von einem Job in Deutschland

Doch das Ende war unschön, er hockte in Mönchengladbach auf dem Medizinkoffer, wenn auf der Bank kein Platz mehr war. Sein Körper konnte schon nicht mehr, aber Ziege wollte noch nicht loslassen vom Spiel. 2005 musste er aufhören nach 15 Jahren Profifußball, mit einem Knorpelschaden im Sprunggelenk.

Er wurde 2007 zum Sportdirektor bei Gladbach, führte die Fohlen zurück in die Bundesliga. Aber glücklich war Ziege nicht mit seiner Managerkarriere, er wollte Trainer sein: "Ich weiß nicht, ob ich das sonst nicht irgendwann bereue", so dachte er damals und machte etwas, was selten ist im Fußballgeschäft: Er gab etwas auf. Er wurde Co-Trainer von Hans Meyer, aber das ging nicht mal bis Weihnachten gut, dann warf er hin. Es folgten Stationen bei Arminia Bielefeld, als Nachwuchstrainer beim DFB, Unterhaching, Mallorca, Thailand. Bis er in Saalfelden landete, weil auch sein Sohn dort spielt. Da waren im Hintergrund schon die Amerikaner aktiv.

Ziege, den ehemaligen Weltklassefußballer, und Ciociola, den Geschäftsmann aus Wisconsin, eint die Hoffnung, Strahlkraft zu entwickeln über die Grenzen des Landes hinaus. Doch es haben sich auch erste dunkle Wolken zusammengebraut. 16 Punkte aus elf Spielen, das ist nicht genug für die Ambitionen. "Jeder will uns zeigen, dass es nicht funktioniert", sagt Ziege, und damit sind die Gegner recht erfolgreich. Die erste Konsequenz: Mark Ciociola musste am Donnerstag den Vorstand verlassen. Seine Investoren-Kollegen und der Verein haben ihn vor die Tür gesetzt.

Ziege bleibt und hofft wohl auch darauf, dass diese fabelhafte Geschichte ihm Türen öffnet in Deutschland: "Natürlich würde ich gern einen Bundesliga-Verein trainieren." Aber es reiche nicht, für den Job qualifiziert zu sein, "die Illusion hat man mir schon genommen", sagt Ziege: "Du brauchst jemanden, der dich durch die Tür schiebt. Wenn keiner auf dich kommt, wirst du da keinen Job bekommen."

Einer, den der Fußballbetrieb in Deutschland vergessen zu haben scheint, hat wohl seinen Frieden damit gemacht. Ziege, geboren in Berlin, schaut auf die Berge und spricht auf Österreichisch darüber, dass er zufrieden ist. Er sagt: "I bin koanen was neidig."

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