Seifert-Abschied von der DFL:Kapitän über Bord, rette sich wer kann!

Geschäftsführer Seifert verlässt DFL Mitte 2022

Begnadeter Verhandler: DFL-Geschäftsführer Christian Seifert.

(Foto: dpa)

Christian Seiferts Rücktrittsankündigung ist ein schwerer Verlust - und schafft ein Machtvakuum im deutschen Fußball. Die Brandherde lauern überall.

Kommentar von Thomas Kistner

Kapitän über Bord, rette sich wer kann! Da steckt, auf Christian Seifert bezogen, mehr als ein Fünkchen Wahrheit drin. Der seit 2005 amtierende Spitzenmann der Deutschen Fußball Liga (DFL) wirft hin, schon die Ankündigung allein schafft ein Machtvakuum im Profibetrieb. Weshalb Seifert sicherlich nicht die ganze bleierne Zeit bis 2022 absitzen wird, als lame duck inmitten wachsender Krisenszenarien, die ein entschlossenes Management erfordern. An Jobangeboten wird es ihm nicht fehlen.

Dieser Verlust wiegt schwer in einer Glücksritter-Branche, wo Weitblick und Strategie weithin mit Klüngelwirtschaft und Intrigen übersetzt werden. Was ja nie ein Problem war über all die fetten Jahre, in denen es die Euro-Milliarden einfach so durchs Dach reingehagelt hat.

Das ändert sich jetzt. Ein Virus, also etwas völlig Unvorhersehbares, hat den Autopiloten für ewige Rendite abgeschaltet. Selbst Seifert, der begnadete Verhandler, der für die Liga immer märchenhaftere TV-Zahlungen an Land zog, musste im Zeichen der Pandemie Einbußen akzeptieren. Die übrigens vergleichsweise so gering ausfallen, dass sie ihm als letzte Glanzleistung anzurechnen sind.

In brisanten Zeiten lässt sich wenig gewinnen, aber viel verlieren

Seifert hat den von Interessen zerfressenen Kicker-Betrieb auf Kurs gehalten. Dank einer Autorität, die durch ein Netzwerk mit Politik und Wirtschaft dort gründet, wo er sich selbst verortet: hinter der Bühne. Wo das Regiepult steht. Auch international wird, wenn Relevantes zum deutschen Fußball ansteht, Seifert gern diskret kontaktiert, anstelle ehrenamtlicher Wichtigtuer, die lieber auf luxuriöse Kongressreisen und sechsstellige Diäten (wofür auch immer) zielen. Dem Funktionärstum fühlte sich Seifert nie zugehörig.

Es wäre naiv, den Abgang nicht mit der großen Zeitenwende zu verbinden. Da ist zum einen Seiferts Zerwürfnis mit Friedrich Curtius, dem Generalsekretär des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Kürzlich verließ Seifert sogar den DFB-Präsidialausschuss. Manches spricht dafür, dass dies im Kontext zu sehen ist mit der von Curtius und Mitstreitern angeleiteten Untersuchung zu der Frage, ob es Stimmenkauf für die WM 2006 in Deutschland gab. Seit diese Ermittlungen einigen Erfolg versprechen, hält sich der Jubel über die Aufklärung im Profilager in engen Grenzen.

Das Profilager zog nun auch im DFB-internen Dauerclinch mit dem Amateurlager den Kürzeren. Das Ansinnen von Präsident Fritz Keller, Curtius kaltzustellen, ist gescheitert. Damit hat Keller, ein Mann aus dem Profilager, einen Autoritätsverlust erlitten, der bei der Bewältigung der anstehenden Aufgaben nicht hilft.

Es stehen Verteilungskämpfe bei den TV-Geldern an

Die Aufgaben sind immens. Brandherde überall, es geht bergab mit der Liga, die virusbedingt in wachsende Finanznot schlittert. Dies verschärft die Zwei-Klassen-Gesellschaft: Bayern, Dortmund und Leipzig gegen den Rest. Es stehen Verteilungskämpfe bei den TV-Geldern an, Zerreißproben, die einen akzeptierten Moderator erfordern; einen auf Augenhöhe mit den Großen. Es werden Debatten zur 50-plus-1-Regel in Hinblick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit aufflammen, dafür im Schlachtenlärm so wichtige Projekte wie die Taskforce zur Zukunft des Fußballs untergehen: Die kümmert keinen, der in der Gegenwart baden geht.

In beispiellos brisanten Zeiten lässt sich wenig gewinnen, aber viel verlieren. Christian Seifert, der starke Manager, der die Liga bisher gut durch die Pandemie dirigiert hat, gilt übrigens als ein Glaskinn. Als einer, der mit Kritik, wenn es solche überhaupt mal gibt, nicht so gut umgehen kann. Vielleicht ist es auch aus diesem Grund klug, jetzt weiterzuziehen.

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