Augsburger Panther gerettet:„Eine Wahnsinnsgeschichte“

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Christian Hanke jubelt über seinen 3:1-Führungstreffer in Iserlohn, das game winning goal zum Augsburger Ligaverbleib. (Foto: Jan Brüggemann/kolbert-press/Imago)

Nach dem dramatischen letzten DEL-Spieltag ist die Erleichterung groß bei den Augsburger Panthern. Zum Retter wird ausgerechnet Christian Hanke, der von sich selbst sagt: „Ich wusste nicht, was ich noch tun soll.“

Von Johannes Schnitzler

Wenn ein 21-Jähriger samstags morgens um halb sieben nach Hause kommt, hat er sehr wahrscheinlich einen bunten Abend hinter sich. So wie Christian Hanke, als er am vergangenen Samstag um 6.30 Uhr aus dem Bus stieg. Dass vor der Tür dann hundert euphorisierte Menschen warten, dürften aber die wenigsten 21-Jährigen schon mal erlebt haben. Sie haben zumeist auch nicht ihren Klub vor dem Abstieg gerettet. So wie Christian Hanke am Freitagabend.

Der Stürmer erzielte am letzten Spieltag der regulären Saison in der Deutschen Eishockey Liga das entscheidende Tor zum 3:2-Sieg für die Augsburger Panther in Iserlohn. Die Düsseldorfer EG, dank ihres parallelen 3:0-Erfolgs gegen Wolfsburg punktgleich, muss in die zweite Liga – Augsburg bleibt erstklassig, dank der besseren Tordifferenz. „Ich fand es jammerschade, dass entweder der AEV oder die DEG ihren Platz räumen müssen“, sagt AEV-Trainer Larry Mitchell: „Aber – die Düsseldorfer werden es mir verzeihen – ich hätte es noch mehr bedauert, wenn wir es gewesen wären.“ Das Schlimmste verhindert hatte Christian Hanke.

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Hanke, der Antiheld, der zum Retter aufsteigt. Und ein Klub, der sich in letzter Sekunde aus schier auswegloser Situation befreit. „Eine Wahnsinnsgeschichte“, sagt Mitchell. Eigentlich zwei Wahnsinnsgeschichten.

Hankes Saisonstart verlief nicht wie erhofft. Seine ersten Kurzeinsätze in der DEL hatte er schon vor zwei Jahren bekommen, aber nun: kaum Spielminuten, keine Scorerpunkte. „Ich war mental nicht auf dem Level, um in der DEL zu spielen“, erzählt Hanke am Samstag, nach nur drei Stunden Schlaf: „Ich hatte nicht das Selbstvertrauen.“ Also beschlossen die Panther, dass er sich das Selbstvertrauen beim Kooperationspartner in Peiting holen sollte. Aber auch in der dritten Liga standen nach zehn Einsätzen null Tore und null Vorlagen für ihn auf dem Zettel: „Ich war an dem Punkt, an dem ich nicht mehr wusste, was ich tun sollte.“

Nach acht Trainerwechseln seit 2019 muss Mitchell einen Kandidaten mit längerer Mindesthaltbarkeit finden

Etwa zur selben Zeit beschlossen die Panther, sich von ihrem Cheftrainer Ted Dent zu trennen. Nach zehn Niederlagen ohne einen einzigen Punkt und dem Absturz ans Tabellenende waren sie mit ihrem Latein am Ende. Sportdirektor Larry Mitchell, 57, übernahm zusätzlich Dents Aufgaben.

Um den Jahreswechsel herum löste sich dann Hankes Blockade. „Ich habe einen Cut gemacht, 2024 abgehakt, und mich nicht mehr auf Tore und Assists fokussiert, sondern auf den Spaß am Eishockey.“ Und der Spaß kam zurück, zusammen mit 17 Punkten aus 16 Spielen und der Rückbeförderung ins Augsburger DEL-Team für die entscheidende Phase der Saison. Beim 5:1 gegen die DEG, im direkten Duell der beiden Abstiegskandidaten am vorletzten Spieltag, schoss Hanke seinen ersten Saisontreffer. Und nun, am letzten Spieltag in Iserlohn, das Tor zur 3:1-Führung, das game winning goal, das letztlich zum Sieg reichte und Augsburg ein weiteres Jahr in der ersten Liga garantiert.

„Jeder Trainer liebt es, wenn eine Risikoentscheidung sich so auszahlt“, sagt Mitchell: „Aber ob ich vor 15 Jahren den Mut gehabt hätte, ihn spielen zu lassen, nachdem er 20 Spiele nicht mehr bei uns war – ich weiß es nicht.“

Schon eine seltsame Sache, dieses Selbstvertrauen.

Mit dem Klassenverbleib, so viel ist gewiss, bleiben auch wichtige Sponsoren

„Das Spiel gegen die DEG war nervenaufreibender, weil klar war: Wenn wir verlieren, ist es vorbei“, sagt Hanke. Zwei Tage zuvor hatten sie gegen die Kölner Haie eine 3:0-Führung verspielt, 3:4 verloren und waren wieder auf den letzten Platz hinter die DEG zurückgefallen. Und als sie in Iserlohn früh im letzten Drittel das 3:2 bekamen, dachte Trainer Mitchell, wie er später zugab: „Geht die Scheiße schon wieder los?“ Nicht an diesem Freitag. „Nach dem 5:1 gegen die DEG hatten wir die Karten in der Hand“, sagt Hanke, „und ich war felsenfest davon überzeugt, dass wir gewinnen werden. Ich wollte mir auch selbst zeigen, dass ich es verdient habe, zu spielen.“

„Niemand, der noch nicht erlebt hat, was wir erlebt haben, macht sich eine Vorstellung davon, wie viel Druck und Stress das bedeutet“: Panther-Trainer Larry Mitchell, 57, will sich wieder auf seine Aufgaben als Sportdirektor konzentrieren. (Foto: Goldberg/Beautiful Sports/Imago)

Für Augsburg, das in den beiden vergangenen Jahren jeweils auf Platz 14 landete und nur deshalb in der DEL blieb, weil kein aufstiegsberechtigtes Team Meister in der DEL2 wurde, ist dieser 13. Platz der Ausbruch aus einem Teufelskreis. Zumindest hoffen sie das in der eishockeyvernarrten Stadt. Weil sie zunächst die Playoffs der zweiten Liga abwarten mussten, konnten sie immer erst im Mai damit beginnen, für die jeweilige Liga zu planen. „Jetzt haben wir einen Monat mehr Zeit, um uns besser auf die erste Liga vorzubereiten“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter Lothar Sigl, dessen Name seit fast vier Jahrzehnten stellvertretend für das Augsburger Eishockey steht. Im April wird er 68, mit dem operativen Geschäft habe er nicht mehr täglich zu tun, sagt er. Dennoch möchte er weiter daran mitwirken, dass die Panther in naher Zukunft wieder einmal in die Playoffs einziehen: „Jedes Jahr abzusteigen oder fast abzusteigen, so will man nicht gehen.“ Larry Mitchell sagt: „Jetzt haben wir wenigstens eine Chance.“

Mit dem Klassenverbleib, so viel ist nun gewiss, bleiben auch wichtige Sponsoren. Mitchell, mit insgesamt acht Jahren selbst der Augsburger DEL-Trainer mit der längsten Dienstzeit, muss nach acht Trainerwechseln seit 2019 insbesondere einen Trainer mit längerer Mindesthaltbarkeit finden. Er selbst werde sich wieder auf seine Aufgabe als Sportdirektor konzentrieren. Trainer zu sein, mache zwar am meisten Spaß: „Aber niemand, der noch nicht erlebt hat, was wir erlebt haben, macht sich eine Vorstellung davon, wie viel Druck und Stress das bedeutet, wie viele schlaflose Nächte ich hatte.“ Und keine davon war so unterhaltsam wie jene, die am Samstag um 6.30 Uhr vor dem Curt-Frenzel-Stadion endete: „Jetzt, wo alles so glücklich für uns ausgegangen ist, kann man sagen, dass es sich gelohnt hat.“

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