Süddeutsche Zeitung

CHIO:Zweimal fehlerlos ist nicht gut genug

Während es in Dressur und Vielseitigkeit keine Diskussionen über die Olympia-Nominierung gibt, bleibt bei den deutschen Springreitern Michaels-Beerbaum auf der Strecke.

Von Gabriele Pochhammer, Aachen

Die Pferde und Reiter, welche die deutschen Farben in Rio vertreten, stehen fest, die Bundestrainer gaben zwei Tage vor dem Nennungsschluss die Namen bekannt. Die Papierform ist vielversprechend, olympische Reiter-Rekorde sind möglich. So könnte Ludger Beerbaum die Springsport-Ikone Hans Günter Winkler als erfolgreichsten Olympioniken seiner Disziplin überholen. Dazu müsste der 52-Jährige allerdings Mannschafts- und Einzelgold in Rio gewinnen. Der fünfmaligen Dressur-Olympiasiegerin Isabell Werth würde eine weitere Goldmedaille reichen, um den verstorbenen Reiner Klimke zu entthronen. Der hat sechsmal Gold gewonnen, aber Werth auch noch drei Silbermedaillen. Und Vielseitigkeitsgenie Michael Jung kann in kurzer Zeit schaffen, wozu andere Jahrzehnte brauchten. Doppelgold in Rio und damit vier Olympiasiege in vier Jahren - das ist möglich, und das hat es im Vielseitigkeitsreiten noch nicht gegeben.

Im Springen war die Entscheidung für vier Sportler am schwierigsten, weil sich am Ende fünf nahezu gleich starke Reiter mit acht Pferden Hoffnungen machten. Christian Ahlmann wird nun in Rio den 16-jährigen Taloubet Z reiten, sein Siegerpferd vom Weltcupfinale 2011. Der hat zwar immer wieder an Verletzungen laboriert, zeigte sich in Aachen aber frisch. Am Sonntag musste er nur noch eine Trainingsrunde in einem Randspringen absolvieren, wie auch First Class von Daniel Deußer und Casello von Ludger Beerbaum. Die Entscheidung für den Fuchs, den Beerbaum erst seit einem halben Jahr reitet, und gegen die in zwei Europameisterschaften bewährte Schimmelstute Chiara, hat manchen Beobachter verwundert. "Ludger hat sich auf dem Fuchs jede Woche ein bisschen wohler gefühlt", erklärte Bundestrainer Otto Becker. Marcus Ehning wird in Rio auf Cornado reiten, der sich nach längerer Verletzungspause im Vorjahr nun wieder in Topform zeigt. Er kann alles springen, ist aber nicht der Schnellste, wenn es zum Stechen kommt. Sein zweites Pferd Pret A Tout, der im Nationenpreis mit einer doppelten Nullrunde geglänzt hatte, ritt Ehning im Großen Preis von Aachen.

Fibonacci drehte bisher seine besseren Runden auf Rasen - in Rio aber wird auf Sand geritten

Die Enttäuschte war diesmal Meredith Michaels-Beerbaum. Trotz zweier Nullrunden im Nationenpreis blieb für die dreimalige Weltcupsiegerin nur der Reserveplatz als fünfte Reiterin. Sie würde zwar mitfahren, ob aber die Besitzer ihres sprunggewaltigen Schimmels das Pferd auf die strapaziöse Reise schicken, ist noch offen. "Wir sind sehr enttäuscht", sagt ihr Ehemann Markus Beerbaum, "man hat uns auch keine schlüssige Begründung gegeben."

Die blieb der Springausschuss auch der Öffentlichkeit schuldig, man wolle die Leistungen der Olympiavierten von Hongkong 2008 nicht herunterreden, so Otto Becker; die Entscheidung sei halt sehr eng gewesen. So kann man nur mutmaßen, dass vielleicht der Boden eine Rolle spielte: Fibonacci drehte bisher seine besseren Runden auf Rasen, in Rio wird aber auf Sand geritten. Eine Olympiamedaille fehlt der Einzel- und Mannschaftseuropameisterin sowie Teamweltmeisterin noch. "Deswegen war die Entscheidung für meine Frau besonders bitter," sagt Markus Beerbaum, "zumal wir ja nicht an fünfter Stelle stehen, sondern eher an achter." Verletzt sich ein Pferd vor dem Abflug, sollen erst die Zweitpferde der Nominierten nachrücken, bevor Michaels-Beerbaum zum Zug kommt.

Einfacher war die Nominierung in Dressur und Vielseitigkeit. Schon nach dem Grand Prix, der ersten Wertung für die Mannschaftsprüfung, stand fest, dass bei Isabell Werth auf Weihegold, Dorothee Schneider auf Showtime und Kristina Bröring-Sprehe auf Desperados höchstens die Reihenfolge interessiert, in der sie am Ende einlaufen. Werth gewann den Grand Prix, Bröring-Sprehe Special und Kür, beides mit persönlichen Bestnoten. Das jüngste Paar, der 22 Jahre alte Student Sönke Rothenberger auf dem erst neunjährigen Cosmos, komplettiert das Quartett.

Auch in der Vielseitigkeit gab es am Ende keine Diskussionen: Olympiasieger Michael Jung auf dem zehnjährigen Takinou gewann die letzte Sichtung in Aachen; Weltmeisterin Sandra Auffarth mit Opgun Luovo, Ingrid Klimke mit Hale Bob und Andreas Ostholt mit So is et vervollständigen das Team, Julia Krajewski auf Samurai du Thot fährt als Ersatz mit. Die Papierform ist auch in dieser Disziplin überragend, wird aber bekanntlich manchmal von der Wirklichkeit überholt.

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Quelle:
SZ vom 18.07.2016
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