CHIO in Aachen:Im Galopp den Deutschen davon

Der Niederländer Albert Zoer gewinnt den Großen Preis der Springreiter in Aachen. Der Olympiastart einer deutschen Medaillen-Hoffnung ist gefährdet.

Gabriele Pochhammer

Nicht erst seit diesem Sonntag wird der Niederländer Albert Zoer als möglicher Olympiasieger gehandelt. Mit seinem Zweitpferd Sam gewann der Mannschafts-Europameister den Großen Preis von Aachen mit einem fehlerfreien Ritt in 48,99 Sekunden im Stechen. Bis der einzige Reiter, dem am Donnerstag mit Oki Doki im Nationenpreis eine doppelte Nullrunde gelang, als letzter von acht Startern einritt, konnte Ludger Beerbaum noch auf die Siegprämie von 115.000 Euro hoffen (0/49,03). Sein Westfale All Inclusive ist genauso wie Zoers Sam erst neun Jahre alt. Dessen großräumigem Galoppsprung kam der weite Platz entgegen, am Ende galoppierte er vier Hundertstelsekunden schneller über die Ziellinie.

CHIO in Aachen: Meredith Michaels-Beerbaum und die übrigen Deutschen unterlagen Albert Zoer.

Meredith Michaels-Beerbaum und die übrigen Deutschen unterlagen Albert Zoer.

(Foto: Foto: Reuters)

Auch Beerbaums Schwägerin Meredith Michaels-Beerbaum auf Shutterfly (0/50,69) schlug sich wacker, es reichte mit einer nicht auf volles Risiko gehenden Runde für Rang fünf. Die beiden anderen für Olympia fest nominierten deutschen Reiter kamen nicht zum Zuge. Christian Ahlmann suchte vergeblich nach einer plausiblen Erklärung für die beiden Abwürfe seines Schimmels Cöster im ersten Umlauf, und Marco Kutschers Montender bestätigte mit drei Fehlern, dass ihn eine Asienreise derzeit nicht lockt.

Nagels Tränen

Beerbaums Angestellter muss nun auf den neunjährigen, relativ unroutinierten Cornet Obolensky setzen. Als Reservist wird der zurzeit noch an der Schulter verletzte Heinrich Hermann Engemann mit Aboyeur nach Hongkong fliegen. Außerdem ziehen sicherheitshalber die Zweitpferde Checkmate von Michaels-Beerbaum, Coupe de Coeur von Ludger Beerbaum und doch noch Montender von Marco Kutscher in die Quarantänestation in Warendorf, wie auch Lord Luis von Alois Pollmann-Schweckhorst und Leonardo von Thomas Voss.

Einer, der in Aachen ein besseres Bild abgab als so mancher Olympiakandidat, Carsten-Otto Nagel, hat sich frühzeitig abgemeldet. Mit der zehnjährigen Corradina wurde der Berufsreiter aus Wedel Dritter im Großen Preis von Aachen (0/49,33). Die Mühelosigkeit, mit der seine zehnjährige Holsteiner Stute die schwierigsten Klippen meisterte, machte ihn so glücklich, dass er die Tränen nicht verbergen konnte. Der Besitzer des Schimmels, Kaffee-Unternehmer Michael Hertz, will seinem Pferd die Hongkong-Strapazen jedoch nicht zumuten.

Kleiner Sieg für Ehning

"Nur wenn Not am Mann ist", hatte er dem Präsidenten der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), Breido Graf zu Rantzau, gesagt und deutlich gemacht: Nur wenn sein Reiter nicht auf der Reservebank sitzt. Das kam nicht gut an. "Einer muss als Reservist mit, das ist vielen schon mal passiert", sagt Otto Becker. Und so wie der Mannschaftsolympiasieger von 2004 denken viele seiner Kollegen. Nagel zeigt zwar Verständnis für seinen Chef, aber das Bedauern, eine Chance nicht nutzen zu können, die sich höchstens alle vier Jahre bietet, war nicht zu überhören.

Einen kleinen Sieg im Großen Preis konnte Marcus Ehning feiern. Küchengirl, jene Stute, die bei der Europameisterschaft 2007 so versagt hatte, sprang an diesem Sonntag ohne mit der Wimper zu zucken über den "Briefmarkensprung", die grell bemalte Mauer, die ihr bei der Weltmeisterschaft 2006 den ersten großen Schrecken eingejagt hatte. Mit einem Abwurf je Runde kam Ehning auf Rang 16. Olympia ist für ihn und den Bundestrainer kein Thema mehr, jedenfalls nicht diesmal.

Im Galopp den Deutschen davon

Die ersten, die sich am Samstagabend entspannt ein Bierchen an der Reiterbar gönnen konnten, waren Vielseitigkeits-Bundestrainer Hans Melzer und sein britischer Kollege Chris Bartle. Ihre Olympiamannschaft stand zwei Stunden, nachdem Frank Ostholt als Sieger durchs Ziel galoppiert war, fest: Bettina Hoy mit Ringwood Cockatoo, Ingrid Klimke mit Abraxxas, Frank Ostholt mit Mr. Medicott oder Little Paint, Hinrich Romeike mit Marius, Peter Thomsen mit The Ghost of Hamish. Drei weitere Pferde gehen vorsorglich in die Quarantäne: Butts Leon von Andreas Dibowski, Twinkle Bee von Anna Warnecke und Sinjang von Beeke Kaake.

Weit weniger glücklich, blass, nervös den Ehering auf dem Finger hin und her drehend, hatte zwei Stunden vorher Bettina Hoy versucht, ihr Missgeschick zu erklären, das ihren Olympiastart im letzten Moment doch noch gefährden könnte. Denn für ihre Nominierung gilt eine Einschränkung: Sie muss am kommenden Wochenende noch in einer kleinen Prüfung im Rheinland beweisen, dass die Verletzung des 17-jährigen Ringwood Cockatoo ausgeheilt ist, die er sich im Parcourspringen der Aachener Vielseitigkeit zugezogen hat.

Wie konnte das passieren?

Am Abend lahmte der Schimmel deutlich, Hoy musste ihn vor dem Gelände zurückziehen. Es war ihr eigener Fehler, sagt sie. Sie hatte den Riemen an der Nase zu fest geschnallt, Ringwood Cockatoo mochte nicht mehr vorwärts galoppieren, bremste scharf an einem Steilsprung und zog sich einen Bluterguss in der Hinterhand zu. Marcus Ehning machte sie später auf die falsch verschnallte Zäumung aufmerksam.

Wie konnte das passieren, ihr, der Erfahrenen? Diese Frage hat Bettina Hoy die ganze Nacht nicht schlafen lassen. Doch noch ist Olympia für sie greifbar, und die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

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