China will Liverpool:Rote Morgendämmerung

Der FC Liverpool steht vor dem Verkauf an den chinesischen Staatsfonds CIC. Ein sehr reicher Eigner. Doch darf ein Premier-League-Klub von Chinas Regierung geführt werden?

Raphael Honigstein

"Kaufen die Roten die Roten?" fragte die konservative Daily Mail am Donnerstag besorgt. Es sieht zumindest so aus, als ob sich die von der geballten Macht der globalisierten Geldströme schon gehörig in Höhen und Tiefen mitgerissene Premier League bald auf einen neuen, unfassbar potenten Mitspieler einstellen muss: wie unter anderem die Times und der Guardian mit Hinweis auf gut unterrichtete Quellen berichten, steht der FC Liverpool unmittelbar vor der Übernahme durch die China Investment Corporation (CIC), den Staatsfonds des kommunistischen Regimes.

Steven Gerrard, Roy Hodgson

Bald unter chinesischer Aufsicht? Roy Hodgson, neuer Trainer des FC Liverpool, und sein Kapitän Steven Gerrard.

(Foto: AP)

Kenny Huang, der chinesische Unternehmer, der im Auftrag und mit den Mitteln von CIC bei dem hoch verschuldeten Traditionsklub aus dem Nordwesten vorstellig geworden ist, hat am Mittwoch offiziell bestätigt, gegenüber Liverpools Geschäftsführer Martin Broughton sein "Interesse" angemeldet zu haben. "Ein formelles Angebot hat es noch nicht gegeben", ließ der in seiner Heimat mit Investitionen in Baseball- und Basketball-Mannschaften berühmt gewordene Huang verkünden, doch die Anzeichen verdichten sich, dass der Deal in den nächsten Tagen vollzogen wird.

CIC hat in den vergangenen Monaten durch Verkäufe von Aktien der amerikanischen Bank Morgan Stanley exakt jene 422 Millionen Euro liquidiert, die den Gesamtverbindlichkeiten des FC Liverpool entsprechen. Die von der Liga zuletzt verschärften Lizenzauflagen für Eigentümer würden die Chinesen, was die Finanzkraft angeht, im übrigen auch so bestehen: CIC verwaltet 251 Milliarden Euro.

"Eine rote Morgendämmerung könnte Liverpool von seinen Problemen erlösen", spekuliert die Times. Wenn Peking es tatsächlich will, könnte es den heruntergewirtschafteten Verein von der Mersey in der Tat mit einem Schlag von seinen Schulden befreien, den dringend benötigten Stadionneubau voranbringen und Trainer Roy Hodgson Verstärkungen für seinen Kader ermöglichen.

Neue Investoren steigen auf der Insel traditionell vor Saisonbeginn ein, damit sie rechtzeitig vor Ablauf der Wechselfrist am 31. August neue Helden mitbringen können. Aufgrund dieses Zeitdrucks haben die seit längerem geführten Verhandlungen um den Verkauf des Vereins jetzt stark an Tempo gewonnen.

Die Gläubiger machen Druck

Die Aussicht, im altehrwürdigen Stadion an der Anfield Road in Zukunft Chinas inoffizielle Nationalelf begrüßen zu müssen, behagt nicht jedem. "Eine sportliche Institution wie der FC Liverpool darf nicht der chinesischen Regierung gehören", schreibt Henry Winter, der einflussreiche Chefreporter des Daily Telegraph, "sie darf gar keiner Regierung gehören." Die Debatte um die moralisch-politische Dimension der Übernahme muss allerdings warten. In erster Linie geht es ums Geld: Die bei den Fans der Reds verhassten Eigentümer, die Amerikaner George Gillett und Tom Hicks, kommen auf Druck der Gläubigerbank Royal Bank of Scotland (RBS) nicht umhin, den Klub dringendst zu verkaufen.

Das Duo hat Liverpool im Februar 2007 mit der Heuschrecken-Methode kassiert: die Darlehen für den Kaufpreis - 265 Millionen Euro - wurden auf den Verein abgewälzt. Im Zuge der Kreditkrise konnten die Amerikaner ihre Schulden jedoch nicht günstig refinanzieren. Weil der Klub zudem hoch defizitär ist, zog die RBS im Frühjahr die Reißleine. Der British-Airways-Vorstandschef Martin Broughton, 63, wurde gegen den Willen von Hicks und Gillett als Geschäftsführer eingesetzt, um den Verein so schnell wie möglich zu veräußern.

Hicks, dessen Baseballteam Texas Rangers am Mittwoch wegen Insolvenz zwangsversteigert werden musste, würde persönlich lieber an andere potenzielle Interessenten wie den in Kanada ansässigen Unternehmer Yahya Kirdi verkaufen. Der frühere syrische Fußballnationalspieler ("Ich will Liverpool aufbauen und voran bringen") vertritt ein Konsortium aus dem Nahen Osten und soll bereit sein, für die Kontrolle des Klubs mehr als die Summe der Schulden zu zahlen; Hicks und Gillett könnten so noch einen kleinen Profit mitnehmen. Kirdi gab vor, sich mit dem Duo bereits über einen Kaufpreis geeinigt zu haben, wird aber von RBS und Broughton nicht als glaubhaft betrachtet.

Ebenfalls als interessierte Parteien bestätigt wurden die in New York ansässige Investorenfirma Rhône Capital und die Al-Kharafi-Familie aus Kuwait. Konkrete Angebote von ihnen liegen Broughton zwar noch nicht vor, doch die Eigentümer werden die Avancen mit Sicherheit nutzen, um den für sie finanziell weniger einträglichen Verkauf an den Staatsfonds CIC zu torpedieren oder zumindest herauszuzögern. Einen Machtkampf gegen ihre Gläubiger können Tom Hicks und George Gillett auf Dauer aber nicht gewinnen. Über dem Wellblechdach an der Anfield Road dürfte bald eine rote Fahne mehr wehen.

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