Der chinesische Präsident hat keine Lust mehr. Seit Jahren spielt die Fußballnationalmannschaft seines Landes so enttäuschend, dass viele Chinesen sie als peinlich empfinden. Immer wenn man glaubt, die Mannschaft hätte den endgültigen Tiefpunkt erreicht, wird es noch schlimmer. Wie damals im Jahr 2012, als der ehemalige Chef des Fußballverbands festgenommen wurde, weil er die Kaderplätze der Nationalmannschaft verkauft hatte. Oder wie jetzt, wo die Chinesen nur auf Platz 82 in der Fifa-Weltrangliste stehen. Hinter Libyen, Haiti und Saudi-Arabien. Die Wirtschaftsmacht, sie ist ein Fußballzwerg.
Präsident Xi Jinping hat keine Lust mehr darauf, dass die weltweit wohl größte Sportart sein Land so schlecht aussehen lässt. Schließlich geht es um das Image des Landes, um den Stolz seiner Nation. Weswegen Xi, selbst ein bekennender Fußballfan, schon vor seinem Amtsantritt im Jahr 2011 erklärt hatte, dass er China in eine Fußballmacht verwandeln möchte. Mit einem 50-Punkte-Plan macht Xi nun ernst: Der Fußball wird überall in den Sportunterricht integriert, zudem werden in den kommenden zwei Jahren 20 000 Fußballschulen im gesamten Land eröffnet. Vor allem aber will Xi ausländische Spieler in die heimische Liga locken, deren Niveau derzeit so niedrig ist, dass selbst die fußballbegeisterten Chinesen lieber die englische Premier League schauen.
Dabei hilft es, dass viele Fußballmannschaften privaten Unternehmern gehören, die dem Staat wohlgesonnen sind. Guangzhou Evergrande Taobao beispielsweise, der Gewinner der asiatischen Champions League 2013, gehört zu 60 Prozent der Immobilienfirma Evergrande. Dessen Chef Xu Jiayin wiederum sitzt in einem politischen Ausschuss, der den Staat beraten soll - und dessen Mitglieder von der Führung der kommunistischen Partei höchst persönlich ausgesucht werden. Im selben Gremium sitzt auch Zhang Jindong, der Gründer der Suning Commerce Group, die mehr als 1600 Elektro-Geschäfte in China betreibt und im Dezember den Fußballklub Jiangsu Suning FC kaufte.
Nun scheint es so, als würden die Klubbesitzer den ehrgeizigen Plan des Präsidenten mittragen. Rund 202 Millionen Euro gaben die Klubs der Chinese Super League (CSL) für Wintertransfers aus, nur die Premier League war noch spendierfreudiger. Selbst die zweite chinesische Liga schüttete mit 49 Millionen Euro mehr Geld aus, als die französische und die spanische Liga. "Das ist natürlich Wahnsinn, was da abgeht", sagt der Mainzer Sportdirektor Christian Heidel, der das Treiben im Winter ebenfalls mit Erstaunen verfolgte. Der Brasilianer Ramires wechselte für 32 Millionen von Europa nach Fernost, ebenso wie der Ivorer Gervinho (18 Milionen) oder der Kolumbianer Fredy Guarin (13 Millionen). "Das war das erste Mal überhaupt, dass sich die chinesischen Klubs auch in Europa verstärkt nach Spielern umgeschaut haben", sagt Heidel. Alle fürchten sich, dass die englischen Klubs den Transfermarkt mit ihrem TV-Geld überschwemmen - aber dann werfen die Chinesen die am meisten überhöhten Tarife in den Markt.
Und der Wahnsinn ist noch nicht vorbei. Der Transfermarkt ist in China bis zum 2. März geöffnet. Viel Zeit also, um mit hohen Ablösen Spieler aus Europa zu verpflichten und womöglich den asiatischen Transferrekord von Guangzhou noch mal zu brechen, die am Dienstag mal eben den kolumbianischen Nationalspieler Jackson Martinez von Atlético Madrid verpflichteten - für 42 Millionen Euro.
Die Chinesen werfen allerdings nicht mit den Millionen einfach um sich, sondern verfolgen damit eine langfristige Strategie, die den europäischen Vereinen noch Kopfzerbrechen bereiten könnte. Anders als noch vor ein paar Jahren, als ehemalige Größen wie Didier Drogba und Nicolas Anelka für viel Geld in die CSL gelockt wurden, investieren die Klubs nun in Spieler, die eine Mannschaft zwar schon führen können, aber noch gute Jahren vor sich haben. Martínez ist 29, Ramires 28. Damit konkurrieren die Chinesen nun mit Europas Klubs um dieselben Spieler, haben dabei allerdings den Vorteil, dass sie schier unerschöpfliche Geldquellen zur Verfügung haben. Was das bedeutet, musste Schalke 04 erst vor kurzem feststellen, als sie den ehemaligen Leverkusener Renato Augusto von São Paulo verpflichten wollten. Der Mittelfeldspieler entschied sich für Peking, weil ihm dort laut Medienberichten neun Millionen Euro pro Jahr angeboten wurden. Heidel erkennt deswegen an, dass China nun ein Markt ist, "mit dem ich mich beschäftigen muss".
Allerdings ist fraglich, ob die Strategie der Chinesen aufgeht. Trotz der hohen Gehälter kehrten in der Vergangenheit viele Spieler wieder nach Europa zurück: Drogba nach nur einem Jahr, Anelka nach anderthalb Jahren. So oder so hat der chinesische Präsident aber fürs Erste erreicht, was er immer wollte: Der chinesische Fußball wird in der Welt gerade ziemlich ernst genommen.