Süddeutsche Zeitung

Krise zwischen China und der NBA:Eine Frage der Meinungsfreiheit

  • Zwischen der Basketballliga NBA und China gibt es heftige Spannungen.
  • Auslöser war ein Tweet des Vereinschefs der Houston Rockets.
  • Die chinesiche Regierung stoppt nun sogar Fernsehübertragungen der NBA-Gastspiele im Land.

Von Lea Deuber, Peking

Nur sechs Wörter ist der Tweet lang, der den Erfolg der amerikanischen Basketball-Profiliga NBA in China für lange Zeit dämpfen könnte. Daryl Morey, der Manager des NBA-Klubs Houston Rockets, hatte am Freitag auf seinem privaten Twitter-Account ein Bild veröffentlicht mit den Worten: "Kämpft für die Freiheit, unterstützt Hongkong." Die kurze Nachricht hat eine handfeste Krise zwischen der NBA und der chinesischen Führung ausgelöst.

Kurz nach Veröffentlichung der Solidaritätsbekundung mit den pro-demokratischen Demonstranten in Hongkong zog der Manager des texanischen Klubs diese zurück und erklärte, er habe seine "Freunde in China" nicht beleidigen wollen und sich geirrt: "Ich habe nur einen Gedanken geäußert, basierend auf einer Interpretationsweise eines sehr komplizierten Ereignisses." Auch die NBA-Führung distanzierte sich in einer Stellungnahme von dem da bereits gelöschten Tweet; der Kommentar sei "unerfreulich". Man habe einen großen Respekt vor der Geschichte und Kultur Chinas. Helfen konnte das alles nicht mehr. Der chinesische Basketballverband beendete kurz darauf die Zusammenarbeit mit dem NBA-Team, eine Shanghaier Bank und der Sportartikelhersteller Li Ning Co. kündigten ihre Sponsoring-Deals, und der Staatssender CCTV erklärte, erst einmal einige Vorbereitungsspiele zur NBA-Saison nicht auszustrahlen.

Der Staatssender begründete die Entscheidung damit, dass auch der NBA-Commissioner Adam Silver Manager Morey zur Seite gesprungen war. "Was ich in dieser Situation unterstütze, ist seine Meinungsfreiheit", hatte Silver in einem Interview in Tokio erklärt; er könne niemandem vorschreiben, was dieser sage oder nicht sage. Die Reaktion des Staatssenders wiederum fiel eindeutig aus: "Wir drücken unsere starke Unzufriedenheit und Ablehnung gegen Adam Silver aus." In einem Video legte ein Moderator nach und erklärte, die Fans des US-Teams seien in erster Linie Chinesen: "Wir lieben das chinesische Rot mehr als das Rot der Houston Rockets." Morey habe ein schweres Foul begannen und müsse nun den Preis dafür zahlen.

China hat in der Vergangenheit immer wieder Unternehmen, Verbände und Regierungen abgestraft, die sich nicht an die offizielle politische Linie Pekings gehalten hatten. So zwingt Chinas Regierung Konzerne, den Staat Taiwan auf ihren Firmenseiten als einen Teil der Volksrepublik aufzuführen, wenn sie in Festlandchina Geschäfte machen wollen. Norwegische Firmen konnten keinen Lachs mehr nach China exportieren, nachdem 2010 der Friedensnobelpreis an den inzwischen in chinesischer Gefangenschaft gestorbenen Menschenrechtler Liu Xiaobo in Oslo verliehen worden war. Erst im August musste der Chef der Hongkonger Fluggesellschaft Cathay Pacific zurücktreten, nachdem Mitarbeiter sich an den Protesten in Hongkong beteiligt hatten. Es geht der Kommunistischen Partei dabei darum, das Narrativ und die Sicht auf das Regime weltweit zu steuern und zu bestimmen. Die chinesische Staatszeitung fasste es in dieser Woche selbst recht nonchalant so zusammen: Unternehmen müssten China gegenüber "gefälliger" sein, wenn sie dort Geld verdienen wollten. Das Team der Houston Rockets und andere Firmen sollten daraus lernen: Der große chinesische Markt sei offen für die Welt, aber wer die Kerninteressen Chinas in Frage stelle und die Gefühle des chinesischen Volkes verletze, der könne dort keine Profite machen.

Der NBA droht ein Debakel: China ist der wichtigste Markt außerhalb der USA

In den USA sorgte vor allem das Einknicken der Basketball-Liga für Ärger. Der republikanische Senator Rick Scott aus Florida bezeichnete die Entschuldigung der NBA als einen "absoluten Witz"; der texanische Senator Ted Cruz sprach von einem "beschämenden Rückzug": Er sei stolz gewesen, als er den Kommentar des Managers gelesen habe. Der demokratische Präsidentschaftsbewerber Julian Castro sprach sich wiederum für die Unterstützung der pro-demokratischen Bewegung in Hongkong aus: Man könne sich nicht von einem autokratischen Regime mobben lassen. Auch der Besitzer des NBA-Klubs Brooklyn Nets, der taiwanesisch-kanadische Milliardär Joseph Tsai, kam für eine Erklärung auf seinem Facebook-Account unter Druck. Dort äußerte er seine Unterstützung für die chinesische Haltung und nannte die Demonstranten Separatisten. Chinas Bürger seien vereint, wenn es um die Frage der nationalen Einheit gehe, behauptete Tsai, den Adam Silver im September noch gelobt hatte für dessen "unschätzbaren Wert für das weitere Wachsen der NBA in anderen globalen Märkten".

Für die NBA ist die Auseinandersetzung ein Debakel. China ist für das Unternehmen der wichtigste Markt außerhalb der USA; die NBA verdient dort jedes Jahr Milliarden Dollar mit TV-Rechten und Merchandising. Basketball ist in China äußerst beliebt, der Sport wird auf fast jedem Pausenhof im Land gespielt. Spätestens seit es der chinesische Basketballspieler Yao Ming in die NBA schaffte, träumen chinesische Jugendliche von einer Karriere in den USA. Auf der anderen Seite hatte gerade das Team von Morey in den vergangenen Jahren große Summen in China investiert und dort viele Vorbereitungsspiele absolviert, um dort noch mehr Fans zu gewinnen. Der Klub ist durch eben jenen Yao Ming bekannt und populär geworden, der mehrere Jahre bei den Rockets spielte und heute Chinas Basketballverband leitet. 2002 schalteten rund 200 Millionen Chinesen ein, als Yao Ming sein erstes Spiel für das texanische Team bestritt.

In dieser Woche treten nun die Los Angeles Lakers mit ihrem Superstar LeBron James und die Brooklyn Nets von Joseph Tsai in China auf, am Donnerstag in Shanghai und am Samstag in Shenzhen treten sie gegeneinander an. Die Reise sollte eine weitere PR-Aktion für die NBA werden. In den sozialen Medien erklärten viele Fans bereits, die Spiele boykottieren zu wollen.

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Quelle:
SZ vom 09.10.2019/schm
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