Snowboard:Sie ist wieder da

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In ihrem Element: Cheyenne Loch bei den Snowboard-Weltmeisterschaften 2021 in Rogla, Slowenien, wo sie Sechste im Parallel-Riesenslalom und Fünfte im Parallelslalom wurde. In jener Saison trat sie zurück. (Foto: Matic Klansek/Gepa/Imago)

Cheyenne Loch und das Snowboarden, das war schon immer eine spezielle Geschichte. 2021 trat sie verletzungsgeplagt zurück - mit 26 Jahren. Nun startet die Frau vom Schliersee ihr Comeback. Auch weil sie sich mit ihrem Sport versöhnen will.

Von Thomas Becker

Was Cheyenne Loch am 3. Dezember beim Start in die neue Weltcup-Saison durch den Kopf gehen wird, das kann sie beim besten Willen noch nicht absehen. Nicht weil sie nicht wüsste, was da in Livigno auf sie zukommt - schließlich fährt die Raceboarderin vom SC Schliersee schon seit mehr als elf Jahren im Weltcup. Doch in zwei Wintern fehlte der Name der 28-Jährigen in den Ergebnislisten: 2019/20, weil sie mal wieder verletzt war, und 2021/22, weil sie da ihre Karriere schon beendet hatte. Jetzt also kam der Rücktritt vom Rücktritt - eine Volte, die sie selbst am meisten überraschte: "Es wird sicher komisch sein, wieder im Start-Gate zu stehen", erzählt sie am Telefon, "das ist ja eine Situation, die man sonst im normalen Leben nicht hat. Aber ich hatte irgendwie das Gefühl, dass ich mich mit meinem Sport, dem Snowboarden, nochmal versöhnen möchte."

Cheyenne Loch und das Snowboarden: Das ist schon eine spezielle Geschichte. Die ersten Kurven ist sie schon vor der Geburt gefahren - im Bauch von Mama Martina, die früher Snowboard-Rennen fuhr. Die Eltern hatten winters eine Ski- und Snowboardschule am Spitzingsee und im Sommer eine Surf- und Segelschule am Gardasee, wo die Tochter zur Welt kam. Mit 16 gab sie ihr Debüt im Weltcup, gewann bei Jugendweltmeisterschaften zwei Silber- und vier Bronzemedaillen, so viel wie keine andere deutsche Snowboarderin vor und nach ihr. Sechs Mal stand sie auf einem Weltcup-Podium, schaffte ausgerechnet in ihrer bislang letzten Saison mit Rang fünf die beste Platzierung im Gesamtweltcup.

"Die Frage bei Cheyenne ist: Wie viele Schmerzen kann sie aushalten?"

Doch der Spaß an der Hatz durch die Stangen war ihr da längst verleidet worden, von einer selten unglücklichen Misere. Sie beschreibt das so: "Ich hatte so viele Verletzungen hintereinander, dass es am Ende wie eine Sisyphusarbeit war: Jedes Mal, wenn ich mich gerade wieder zurückgekämpft hatte, lag ich kurz danach wieder auf dem OP-Tisch, war wieder in der Reha - das hat ganz schön an den Nerven gezogen." Im Training konnte sie nurmehr ein oder zwei Fahrten machen, "weil dann mit meinem Körper gar nichts mehr ging". Bundestrainer Paul Marks, ein Kanadier, sprach von "pain management": "Die Frage bei Cheyenne ist: Wie viele Schmerzen kann sie aushalten?" Loch erinnert sich: "Ich war an einem Punkt, an dem ich physisch und mental nicht mehr konnte. Ich hatte das Gefühl, ich muss die Reißleine ziehen." Tat sie dann auch, im Frühjahr 2021: Karriereende mit 26.

Und dann? Was tun als gelernte Polizeivollzugsbeamtin, die große Teile ihres Lebens auf dem Brett verbracht hatte? Nun, sie übernahm einen Brett-Job, wurde Trainerin des Snowboardcross-Landeskaders. "Cool, mal die andere Perspektive zu erleben", erzählt sie, "und es war ein Part davon, der mich inspiriert hat, wieder einzusteigen. Zu sehen, wie begeistert diese Zwölf- bis-15-Jährigen noch von allem sind, wie viel Feuer die für ihre Sache mitbringen: Das war schon cool." Angenehmer Nebeneffekt: Ihr malader Körper kam endlich zur Ruhe - und auch ihr Kopf: "Mal aus diesem Leistungssport-Zirkus komplett raus zu sein, andere Sachen zu sehen, ein bisschen zu mir selbst zu finden: Das hat mir geholfen, gesünder zu werden."

Eine Entwicklung, die auch dem Bundestrainer nicht entgangen ist: "Er hat mich immer wieder gefragt, ob ich nicht wieder Bock hätte", erzählt Loch, "die Türen waren die ganze Zeit offen. Schon beim Rücktritt hieß es, dass ich jederzeit wiederkommen kann. Und plötzlich hat sich mir eine andere Sichtweise eröffnet, ohne Verletzung, ohne Schmerzen. Zu sagen, dass es gar nicht mehr zwickt, wäre übertrieben, aber ich habe keine schwerwiegenden Schmerzen mehr, die mich einschränken. So ist nach und nach die Idee vom Comeback gereift."

Entschieden hat sie sich im vergangenen Frühjahr - und Ende April nochmal am Sprunggelenk, der ewigen Problemzone, operieren lassen: "Das musste ich quasi nachbessern lassen, was ich aber auch für mein normales Leben gemacht hätte. Nach der Reha bin ich dann langsam wieder eingestiegen." Die emotionale Rückkehr zum Team war einerseits eine große Freude, andererseits aber "schon ein bisschen schräg", wie sie sagt: "An der Sache hat sich ja nicht viel verändert. Das Einzige, was sich verändert hat, bin ich. Es ist echt interessant, wieder ins Team zurückzukommen. Ich war ja die einzige, die aus der Bubble raus war - das merke ich heute schon in der ein oder anderen Situation." Der Wiedereinstieg verlangt ihr gerade einiges ab, gibt sie zu: "Raceboarden ist gar nicht so einfach. Mir war klar, dass das eine Herausforderung wird. Ganz verlernt habe ich es nicht, aber es ist schon schwierig. Die Zeit bis zu den ersten Rennen brauche ich schon noch." Wird sie bekommen - und sich von nichts mehr stressen lassen. Wie lang diese zweite Karrierephase dauern wird? "Mal sehen. Ich kann mich wegen meines Körpers eh auf nichts festlegen. Ich schau' einfach mal." Erst nach Livigno. Aber dass im Februar eine WM in Georgien stattfindet, das hat sich Cheyenne Loch längst durch den Kopf gehen lassen.

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