Supercup-Finale:Tuchels Trick in der 119. Minute

European Super Cup - Chelsea v Villarreal

Ein nicht alltägliches Manöver im Spitzenfußball: Édouard Mendy (rechts) geht in der 119. Minute vom Platz, für ihn kommt Kepa Arrizabalaga.

(Foto: Jason Cairnduff/Reuters)

Der deutsche Trainer des FC Chelsea wechselt kurz vor dem Elfmeterschießen den Ersatztorhüter ein - der hält prompt zwei Strafstöße. Den Plan hatte Tuchel schon länger im Kopf.

Von Carsten Scheele

Nun, da sich die Fußballwelt wieder wundert, welch ein blitzgescheiter Trainertrick Thomas Tuchel da gelungen ist, muss aus Gründen der Wahrheitsfindung gesagt werden: Tuchel hat lediglich einen alten Plan rausgekramt. Er hat zwei Torhüter beim Champions-League-Sieger FC Chelsea, zwei sehr gute natürlich. Und einer von ihnen ist etwas besser im Halten von Elfmetern. Also hat Tuchel am Mittwochabend kurz vor dem Strafstoßschießen im Finale um den europäischen Supercup gegen den FC Villarreal den Torhüter getauscht.

Édouard Mendy raus, Kepa Arrizabalaga rein - bereits aus der Vorsaison stamme dieser Plan, berichtete Tuchel später, einst ersonnen für die Spiele im englischen FA-Cup. Das Manöver in der 119. Minute sorgte trotzdem für Aufsehen, weil Chelsea plötzlich mit einem "kalten" Torwart, der zuvor keinen ernsthaften Ball halten musste, ins Elfmeterschießen ging. Eine eher ungewöhnliche Masche im europäischen Spitzenfußball, prominent vollzogen aber zum Beispiel von Bondscoach Louis van Gaal im Viertelfinale der WM 2014, als er Tim Krul für Jasper Cillessen brachte und gegen Costa Rica gewann.

Auch Kepa enttäuschte Tuchel nicht, er parierte zweifach, erst den zweiten Strafstoß durch Aissa Mandi, dann den sechsten durch Raul Albiol. Dass Kai Havertz für Chelsea im Elfmeterschießen anfangs vergeben hatte, fiel nicht mehr ins Gewicht, Chelsea gewann 6:5. Hinterher drosch Kepa den Ball in den Nachthimmel über dem Windsor Park in Belfast. "Ich war bereit, weil ich wusste, dass es passieren kann", sagte Kepa über seine späte Einwechslung. Tuchel erklärte: "Wir mussten das machen. Ich bin froh, dass es funktioniert hat."

Kepa ist der Held von Belfast, seine Geschichte bei Chelsea ist aber kompliziert

Kurz vor dem Saisonauftakt in der englischen Premier League (Chelsea startet am Samstag gegen Crystal Palace) war es für Kepa, 26, ein unerwarteter Moment des Hochgefühls, denn seine Geschichte bei Chelsea ist reichlich kompliziert. Einst verpflichtet als teuerster Torwart der Welt (er kam 2018 für 80 Millionen Euro von Athletic Bilbao), ist er derzeitig eindeutig die Nummer zwei hinter Mendy. Seine Lobby könnte weitaus besser sein, im vergangenen Jahr haben sie ihm auf der Insel seine Statistiken vorgehalten. In der Spielzeit 2019/20 wehrte er bloß 54,5 Prozent der Schüsse auf sein Tor ab - fast jeder zweite Schuss war also drin. Als im Sommer 2020 der Senegalese Mendy, 29, von Stade Rennes kam, war der Spanier Kepa nur noch die sehr teure Nummer zwei.

Es sei denn, es kommt zum Elfmeterschießen. "Es ist bewiesen, dass Kepa in dieser Disziplin besser ist", sagte Tuchel am Mittwochabend, war in Gedanken aber auch bei seinem Stammtorwart, der seinen Job bis zur 119. Minute sehr zuverlässig erledigt hatte, für den Showdown aber vom Platz musste. Es sei "fantastisch", wie Mendy die kurzfristige Demission akzeptiert habe, sagte Tuchel: "Edouard zeigt nicht den Stolz, nicht vom Platz zu gehen. Er war glücklich, es für die Mannschaft zu tun."

Später veröffentlichte Chelsea ein Foto mit beiden Torhütern, Kepa links, Mendy rechts. Beide strahlten, als gäbe es zwischen ihnen keinen Funken Neid oder Missgunst. Den silbrigen Pokal, den Chelsea für den Gewinn des Supercups erhalten hatte, trug aber Mendy fest in seinen Händen.

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