Klub-WM:Chelseas Elfer-List mit Kai Havertz

Klub-WM: Sein großer Moment: Kai Havertz vom FC Chelsea trifft per Elfmeter zum 2:1 und macht sein Team zum Klubweltmeister.

Sein großer Moment: Kai Havertz vom FC Chelsea trifft per Elfmeter zum 2:1 und macht sein Team zum Klubweltmeister.

(Foto: Kamran Jebreili/dpa)

Weil die Spieler von Palmeiras dafür bekannt sind, Elferschützen zu irritieren, reagiert die Tuchel-Elf im Finale der Klub-WM clever - und wieder ist ein Deutscher der Held.

Von Sven Haist, London

Selbst die Ausführung des entscheidenden Elfmeters geriet beim FC Chelsea im Duell mit Palmeiras São Paulo zur Teamarbeit. Unmittelbar nach dem Strafstoßpfiff - tief in der Endphase der Verlängerung des Endspiels um die Klub-WM - schnappte sich Verteidiger César Azpilicueta überraschend den Ball, obwohl er in seiner bisherigen Profikarriere zuvor selten Elfmeter geschossen hatte.

Damit deutete der langjährige Chelsea-Kapitän vermeintlich an, die Verantwortung für diesen entscheidenden Schuss zu übernehmen. Die eigentlich vorgesehenen Schützen der Londoner, Vize-Kapitän Jorginho und Mittelstürmer Romelu Lukaku, befanden sich zu diesem Zeitpunkt nicht auf dem Platz. Prompt stürmten die Palmeiras-Spieler auf Azpilicueta, 32, zu, um ihn negativ zu beeinflussen.

Sie bedrängten ihn derart heftig, dass sich die Strafstoß-Ausführung mehrmals verzögerte. Erst als der Elfmeterpunkt vollständig geräumt war, offenbarte Azpilicueta sein wirkliches Kalkül und reichte den Ball im letzten Moment weiter - an Mitspieler Kai Havertz, 22, der hinter Jorginho und Lukaku als Schütze Nummer drei bei Chelsea gilt.

Havertz habe "Eis in den Adern" schreibt eine englische Zeitung

Azpilicuetas Plan ging auf, Havertz konnte sich im Hintergrund ungestört vorbereiten und verwandelte den Elfmeter in der 117. Spielminute souverän zu Chelseas 2:1-Siegtor (1:1, 0:0). Kurz vor seinem Tritt gegen den Ball bremste der deutsche Nationalspieler seinen Anlauf ab, nahm aus seiner Sicht die Bewegung des gegnerischen Torwarts Wéverton nach rechts wahr und schob deshalb den Ball mit dem linken Fuß gezielt in die linke untere Ecke.

Für den Mirror stand fest, dass Havertz mit "Eis in den Adern" getroffen hatte, das Massenblatt Sun sah im Deutschen "schon wieder den Helden" - weil Havertz auf ähnlich kühle Weise bereits das 1:0-Siegtor für Chelsea im Champions-League-Endspiel 2021 gegen Manchester City erzielt hatte. Damals umkurvte der frühere Leverkusener geschickt City-Torwart Ederson. Er ebnete damit Chelsea den Weg zum prestigereichen Mini-WM-Turnier der Kontinentalsieger, das nun in Abu Dhabi am Persischen Golf stattfand.

Mit seinen beiden Final-Siegtoren (Champions League und Klub-WM) tritt Kai Havertz in die Fußspuren von Lionel Messi, der vor zehn Jahren für den FC Barcelona ebenfalls mal die entscheidenden Treffer in diesen beiden Wettbewerben erzielt hatte. Dies sei ein "unglaubliches Gefühl", von dem er "als Kind immer geträumt" habe, sagte Havertz. Er gab zu, vor dem Elfmeter doch etwas "nervös" gewesen zu sein.

Während seiner Ausführungen platzte Azpilicueta ins Sieger-Interview. Dasselbe passierte schon nach dem gewonnenen Königsklassen-Finale im vergangenen Mai, als der Spanier vor laufender Kamera die Mentalität seines damals in die Kritik geratenen Kollegen pries und Havertz als "kommenden Superstar" bezeichnete. Diesmal überbrachte ihm Azpilicueta den Pokal für ein Siegerfoto, woraufhin sich Havertz zurückzog und seinem Kapitän die TV-Bühne überließ.

Der Pokal ist zweifellos für Abramowitsch, betont Tuchel

Azpilicueta bestätigte, seine Täuschung beim Elfmeter sei "Taktik" gewesen, weil er gewusst habe, dass die Palmeiras-Spieler versuchen würden, dem Schützen die Konzentration zu rauben. Entsprechend habe er mit der Weitergabe des Balls gewartet und sich "alles" angehört, was die Gegner zu sagen gehabt hätten. Azpilicueta, der seit Sommer 2012 im Verein angestellt ist, hat mit Chelsea nun alle erdenklichen Vereinstrophäen gewonnen (abgesehen vom nationalen Super-Cup).

Die vollständige Pott-Sammlung besitzt beim neuen Welt- und Europameister des Klubfußballs aber nur einer: der russische Rohstoff-Oligarch Roman Abramowitsch, der sich vor knapp 20 Jahren den Verein einverleibt hat. Er musste sich aber bis zum Samstagabend gedulden, weil Chelsea im Anschluss an den ersten Champions-League-Sieg bei der Klub-WM 2012 gegen den Südamerika-Sieger Corinthians São Paulo verloren hatte.

Zur Feier des Tages tauchte Abramowitsch bei der Siegerehrung in Abu Dhabi mit dem Pokal in der Hand auf und beglückwünschte den rechtzeitig nach seiner Corona-Erkrankung genesenen Trainer Thomas Tuchel - der den Dank an seinen Chef sofort zurückgab: "Der Pokal ist zweifellos für ihn (Abramowitsch)", betonte Tuchel.

Zuvor lag Tuchel einmal mehr mit seiner Personalauswahl richtig, indem er den kürzlich wegen Corona aus dem Tritt geratenen Havertz für die Startelf nominierte - und auch nicht vorzeitig vom Platz nahm, während der 1:0-Torschütze Romelu Lukaku ausgewechselt wurde. Havertz hat sich seit seinem circa 100 Millionen Euro teuren Transfer aus Leverkusen im Sommer 2020 im ausgeglichen Kader des FC Chelsea gut entwickelt: zu einem unscheinbaren Mann für die entscheidenden Tore.

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