Marina Granovskaia bei Chelsea:Eine der mächtigsten Frauen im Weltfußball

Marina Granovskaia bei Chelsea: Abramowitschs Statthalterin in London - noch: Marina Granovskaia.

Abramowitschs Statthalterin in London - noch: Marina Granovskaia.

(Foto: Andy Rowland/PRiME Media Images/Imago)

Beim FC Chelsea zieht Marina Granovskaia die Fäden. Mit ihrem Mentor, Klubbesitzer Roman Abramowitsch, hat sie das öffentliche Schweigen gemein - und das kompromisslose Handeln.

Von Sven Haist, London

Wer für die Profimannschaft des FC Chelsea auflaufen möchte, benötigt erst ein Foto mit Marina Granovskaia. Auf diesen Bildern ist die Klubchefin in der fast immer gleichen Pose zu sehen: zufrieden lächelnd. Hinter ihr eine Wand mit den Logos der Sponsoren, vor ihr ein ausgehandelter Arbeitsvertrag. Einzig die Spieler und Trainer unterscheiden sich auf diesen Bildern, meist handelt es sich um klangvolle Namen wie Eden Hazard, N'Golo Kanté oder Frank Lampard. Inzwischen ist Granovskaia oft schon bekannter als die Protagonisten, die mit ihr auf den Fotos zu sehen sind.

Zusammen mit Guy Laurence und Eugene Tenenbaum sitzt Granovskaia als eine von drei Direktoren im vierköpfigen Vorstand des Chelsea FC PLC; der Vorsitzende heißt Bruce Buck. Im Firmengeflecht des Vereins besitzt die Gesellschaft formal den Chelsea Football Club und gehört selbst wiederum dem Mutterkonzern Fordstam Limited an, über den der russische Oligarch Roman Abramowitsch den Klub kontrolliert. Vor 17 Jahren hat Abramowitsch die Anteile für 140 Millionen Pfund gekauft. Seit 2013 vertraut der im Alltagsbetrieb meist abwesende Abramowitsch - der seine Milliarden in der heimischen Öl-, Gas- und Aluminiumindustrie generierte - den Verein seiner Landsfrau Granovskaia an. Für Chelsea zieht sie die Fäden, wacht über Transfers und wickelt alle wichtigen Deals ab. Mit der Rückendeckung des Geldbarons Abramowitsch ist Granovskaia zu einer der mächtigsten Frauen im Weltfußball aufgestiegen.

Die in Russland geborene Granovskaia, 45 Jahre alt und auch im Besitz eines kanadischen Passes, studierte an der Fakultät für Fremdsprachen der staatlichen Universität Moskau. Nach ihrem mit Auszeichnung bestandenen Abschluss fing sie 1997 ihre Karriere bei Sibneft an, einem damals mehrheitlich Abramowitsch gehörenden Mineralölunternehmen. Nach dessen Einstieg bei Chelsea siedelte Granovskaia nach London über und verwaltete Vermögen sowie Interessen von Abramowitsch in seiner britischen Investmentfirma Millhouse. Mit der Zeit gewann die diskrete Granovskaia, die mit ihrem Mentor sowohl das öffentliche Schweigen als auch das kompromisslose Handeln gemein hat, stetig an Vertrauen und stieg 2010 zu Abramowitschs persönlicher Repräsentantin bei Chelsea auf - bevor sie drei Jahre später in den Vorstand berufen wurde. Ihr Lebensweg ähnelt dem der Gremiumskollegen Buck und Tenenbaum, die ebenfalls über Sibneft mit Abramowitsch in Berührung kamen.

Ex-Coach Conte und der langjährige Kapitän Terry wurden von Granovskaia in Verhandlungen regelrecht abserviert

Der amerikanische Vorstandschef Buck, 74, zählte Sibneft als Chef einer namhaften Anwaltskanzlei zu seinen Kunden - dann schloss er für Abramowitsch die Übernahme des Vereins ab. Genauso verhält es sich bei Tenenbaum, 56, der bei Sibneft einst für die Finanzen zuständig war. Nur CEO Laurence, 58, war früher Geschäftsführer von Telefirmen und nicht Teil des Abramowitsch-Milieus.

Die persönlichen Beziehungen zu Abramowitsch spielen auch bei der Auswahl der sportlichen Führungskräfte eine Rolle. Nach dem Abschied des langjährigen Technischen Direktors Michael Emenalo wartete Chelsea bei der Verpflichtung eines Nachfolgers so lange ab, bis der frühere Torwart des Klubs, Petr Cech, im Sommer 2019 seine Karriere beendete. Mit dem ehemaligen Teamkollegen und jetzigen Trainer Frank Lampard ist Cech für den Bau des Kaders verantwortlich.

Das Achtelfinal-Rückspiel am Samstag in der Champions League gegen den FC Bayern (Hinspiel: 0:3) führt Chelsea zurück nach München, an den Ort, an dem der Klub 2012 die Königsklasse gewann. Den Triumph im Elfmeterschießen über die Bayern sicherte Cech mit seinen Paraden, Lampard war die Leitfigur im Mittelfeld. Die beiden repräsentieren jetzt das neue Gesicht des Vereins, im Hintergrund hält Granovskaia die Hand drauf.

Der Durchbruch in der allgemeinen Wahrnehmung gelang Granovskaia vor vier Jahren, als sie für Chelsea einen Ausrüsterdeal mit Nike bis 2032 abschloss - für knapp eine Milliarde Pfund. Granovskaia kann immer aus einer Position der Stärke heraus agieren. Ihr Durchsetzungsvermögen und Verhandlungsgeschick bekamen bereits der ehemalige Kapitän John Terry oder Ex-Coach Antonio Conte zu spüren, die in Gesprächen regelrecht abserviert wurden. Für die Öffentlichkeit ist Granovskaia, die ihr Büro an der Stamford Bridge hat, so gut wie nicht zugänglich, was ihre Autorität in der Branche nur weiter steigert. In England wird sie als "Iron Lady" oder "Leading Lady" bezeichnet. Eisern und führend. Vor ein paar Jahren sah es aus, als würde Granovskaia bei einem Event namens "Frauen im Fußball" tatsächlich mal für Fragen zur Verfügung stehen. Das Medieninteresse nahm überhand - bis klar wurde, dass sich dahinter nur ein PR-Gag versteckte. Auch in Zukunft wird Granovskaia, wenn überhaupt, nur auf Fotos zu sehen sein.

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