Zum Tod von Charlie Whiting:Monopolist des Formel-1-Wissens

Charlie Whiting

Freund der Fahrer: Charlie Whiting.

(Foto: dpa)

Er kannte alle Regeln, überwachte sie, legte sie aus und erklärte sie - Rennleiter Charlie Whiting war in der Formel 1 unersetzlich. Nun ist er im Alter von 66 Jahren gestorben.

Nachruf von Philipp Schneider

Die Formel 1 ist ein Betrieb, in dem es für jedes mögliche Manöver, für jede verbaute Schraube klare Regeln gibt. In einer Zeit, in der sich fast jede erdenkliche Information in wenigen Sekunden digital ermitteln lässt, hatte es etwas Tröstliches, dass es bei jedem Grand Prix ein Büro gab, in das sich Menschen begaben, um auf analogem Wege Rat zu suchen. Egal ob in Monza, in Melbourne oder Austin, hinter einem sehr großen Schreibtisch saß ein freundlicher Mann mit üppigem schlohweißen Haar und erklärte seine Welt. Manchmal gab er Einzelnen eine Audienz, manchmal wurde er geradezu umlagert. Von Rennfahrern, von Teamchefs, von Journalisten. Und selbst diejenigen, die ihn nie in seinem Büro besuchten, kannten ihn aus dem Fernsehen. Für sie war er derjenige, der die Ampel bediente, der das Startsignal gab. Wenn er erschien, ging es los.

Charlie Whiting aus Sevenoaks, einer Stadt südlich von London, war Monopolist in der Formel 1, ein Monopolist des Wissens. Er war derjenige, der alle Regeln kannte, sie überwachte, auslegte und erklärte. Er startete nicht nur die Rennen, er entschied auch, ob sie unterbrochen oder abgebrochen werden mussten. Er kannte die technischen Details eines jeden Autos. Er bestimmte, ob die Streckenführung geändert werden musste. Wenn einer geht, der unersetzlich ist, weil er 22 Jahre lang Rennleiter war, dann bleibt das nicht lange geheim.

Am Donnerstagmorgen raunten sich die Menschen an der Rennstrecke in Melbourne die Kunde zu, sie stellten laut die Frage: Was wird jetzt aus dem Saisonstart am Sonntag? Das, was Charlie kann, das kann doch sonst keiner?

1997 wurde Whiting Rennleiter

Noch am Mittwochabend war Whiting auf der Strecke unterwegs, dort traf er auch Sebastian Vettel. "Ich habe mit ihm über die ersten zwei Kurven noch zehn Minuten gequatscht", erzählte Vettel auf der Pressekonferenz vor dem Saisonstart, in der zunächst alle nur über Whiting redeten. "Charlie war wie immer. Kein Anzeichen von irgendwelchen Problemen. Es ist schwer zu verstehen, dass er nun nicht mehr da ist." Ein "echter Racer" sei Whiting gewesen. Einer von ihnen, Freund der Fahrer.

Der Racer begann seine Karriere als Mechaniker. Gemeinsam mit seinem Bruder Nick arbeitete er in den Siebzigern zunächst beim Surtees-Rennstall, danach bei Hesketh. Später wechselte er zu Bernie Ecclestones Brabham-Team, wurde dort Cheftechniker und half mit, Nelson Piquet 1981 und 1983 zu Weltmeistertiteln zu schrauben. 1988 trat er dann einen Job als Technischer Delegierter beim Weltverband an, 1997 wurde er Rennleiter.

Charlie Whiting ist am Donnerstagmorgen tot in seinem Hotelzimmer gefunden worden, er verstarb mit 66 Jahren an einer Lungenembolie. Es gibt jetzt vorerst nur Regeln, keinen Verbindungsmann zu ihnen. Und eine Ampel, für die seit 22 Jahren kein anderer Mensch zuständig war.

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