Zum Tod von Rafael Henzel:Er verbreitete die Botschaft von Wundern

Zum Tod von Rafael Henzel: Rafael Henzel, Radioreporter, vor dem Stadion in Chapecó in Südbrasilien, aus dem er viele Jahre berichtete.

Rafael Henzel, Radioreporter, vor dem Stadion in Chapecó in Südbrasilien, aus dem er viele Jahre berichtete.

(Foto: Nelson Almeida/AFP)

Der brasilianische Radioreporter hatte den Absturz der Chapecoense-Maschine überlebt. Seine Stimme untermalte unvergessliche Momente des Glücks. Nun ist er gestorben.

Nachruf von Javier Cáceres

Als am Donnerstag vergangener Woche im Berliner Kino Babylon das Filmfestival "11mm" begann, wurde vor der Leinwand ein Mann interviewt, der dankbar wirkte für all das, was er erleben durfte: Rafael Henzel, ein freundlich lächelnder Radioreporter, dessen Statur so mächtig war wie die Stimme, mit der er in seiner brasilianischen Heimat Fußballspiele erzählte. Die Festivalleitung hatte den im Grunde ausgereizten Etat noch einmal durchforstet und Henzel dann doch nach Berlin eingeladen. Es begleiteten ihn sein elfjähriger Sohn und seine Frau.

Henzel sollte unbedingt bei der Deutschlandpremiere von "Nossa Chape" dabei sein: eine Filmdokumentation über die tragische Reise des brasilianischen Fußballklubs Chapecoense zum wichtigsten Spiel der Vereinsgeschichte, zum Finale der Copa Sudamericana bei Atlético Medellín aus Kolumbien im Jahr 2016. Es war eine Geschichte, die um die Welt gehen sollte: Der Charterflieger hatte zu wenig Treibstoff getankt und war kurz vor dem Ziel zerschellt. 71 Menschen starben, sechs überlebten, darunter drei Spieler und Henzel, der in seinem Twitteraccount über sich schrieb: "Geboren am 25.08.1973 und am 29.11.2016". Das war das Datum der Absturzes.

Im Kino Babylon erzählte Henzel über die Freude, in Berlin zu sein, über Wunder und Glück, über Zufälle, die das Leben bereithält, über Fragen des Schicksals, über das Leben. Manchmal bündelt sich so etwas im Bruchteil einer Sekunde. Zum Beispiel in jener, die Henzel in den Ohren vieler Chape-Anhänger zum unvergesslichen Moment des Glücks machen wollte: "Nein, nein, nein! Mein Gott, Danilo! Mein Gott, Danilo! Gott Danilo!", rief Henzel, als Danilo, Chapecoenses Torwart, in der fünften Minute der Nachspielzeit mit dem Fuß den letzten Schuss eines Stürmers des argentinischen Klubs CA San Lorenzo de Almagro pariert hatte. Oder, wie man in solchen Situationen halt so sagt: sein Team gerettet. Hätte er das nicht getan, hätte San Lorenzo im Finale gestanden, wäre Chapecoense niemals nach Kolumbien aufgebrochen, wäre alles anders gewesen. "Mein Herz schwillt an vor Freude!", brüllte Henzel damals ins Mikrofon von Rádio Oeste Capital, seinem Sender.

Er habe nie wegen seines Schicksals gehadert, sagte Henzel, wohl aber gelitten wegen seiner Familie und der Angehörigen der Opfer des Unglücks, das er nur deshalb überlebte, weil sich die Sitzreihe, in der er Platz genommen hatte, nach dem Aufprall in einem Baum verfangen hatte und nicht weiter katapultiert wurde. Keine 45 Tage nach seinem zweiten Geburtstag saß Henzel wieder am Mikrofon. Später schrieb er ein Buch, weil er seine Aufgabe darin sah, zu verbreiten, dass es Wunder tatsächlich gebe. Der Titel des Buches lautete "Lebe, als wärst du auf dem Sprung", und es findet sich darin auch dieser Satz: "Das Leben ist ein Hauch."

Am Dienstag, kurz nach der Rückkehr aus Berlin, spielte Henzel in Chapecoense Fußball, lebte also das Leben, das er so oft im Stadion besungen hatte, und fand unter Freunden und Kollegen doch den Tod. Er starb im Alter von 45 Jahren um 21.10 Uhr am Dienstag an den Folgen eines Herzinfarkts.

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