Chapecoense:Ein Fußballklub stirbt nicht einfach so

Chapecoense: Auch im legendären Maracanã denken die Fans an die Spieler von Chapecoense.

Auch im legendären Maracanã denken die Fans an die Spieler von Chapecoense.

(Foto: AFP)

Wie geht es den Hinterbliebenen der Opfer des Flugzeugabsturzes, bei dem 20 Profis des brasilianischen Klubs Chapecoense ums Leben kommen? Ein Besuch vor Ort.

Von Boris Herrmann, Chapecó

Wenn man einen Fußballverein besucht, den es nur noch in den Herzen seiner Anhänger gibt, dann stellt man sich auf bittere Recherchetage ein. Tatsächlich kann man die Menschen nicht zählen, die in den vergangenen Tagen im Stadion des brasilianischen Erstligisten Chapecoense mit Heulkrämpfen zusammenbrachen. Männer, Frauen und Kinder, Fans und Funktionäre, die Angehörigen der Toten, die paar Spieler, die noch leben. Und es gibt einige Momente, in denen es sehr schwer fällt, nicht mitzuweinen. Zum Beispiel im Gespräch mit Osmar Machado, 66. Er hat eine gelbe Plastiktüte in der Hand, in dem sich ein Paar Fußballschuhe und eine grün-weißes Trikot mit der Nummer 15 befinden. Das, was noch im Spind seines Sohnes Felipe war.

Felipe Machado trug im vorerst letzten Spiel von Chapecoense die Kapitänsbinde. Er wurde 32 Jahre alt, hinterlässt eine Frau und zwei Kinder sowie einen Vater, der am Morgen seines 66. Geburtstages ans Telefon ging, um die ersten Glückwünsche entgegen zu nehmen. Und stattdessen von einem Nachbarn gesagt bekam: "Mach mal den Fernseher an, es gab ein Problem mit dem Flugzeug von Chapecoense."

71 Menschen starben, als die Chartermaschine Lamia 2933 in der Nacht zum 29. November unweit der kolumbianischen Stadt Medellín abstürzte, darunter 20 Profis von Chapecoense sowie die Vereinsführung, der gesamte Trainerstab und langjährige Berichterstatter. Sie waren auf dem Weg zum Endspiel um den Südamerika-Cup, es sollte der größte Erfolg der Vereinsgeschichte werden. Am Ende kamen aber keine Sieger, sondern Särge zurück in die südbrasilianische Stadt Chapecó.

Was Osmar Machado und die anderen Hinterbliebenen am meisten entsetzt, ist die Absturzursache: Dem Flugzeug ging der Treibstoff aus. Inzwischen ist bekannt, dass die auf den Transport von Fußballteams spezialisierte bolivianische Gesellschaft Lamia offenbar regelmäßig mit minimalen Kerosinreserven unterwegs war - um Geld zu sparen. Einer der beiden Lamia-Chefs kann dafür nicht mehr zu Rechenschaft gezogen werden, er war der Pilot der Unglücksmaschine und gehörte nicht zu den sechs Überlebenden. Der andere Chef wurde am Mittwoch verhaftet.

Gerechtigkeit kann ein wenig trösten. Aber noch viel tröstlicher ist etwas, das man spätestens in einem Jahr wie 2016 unten den ausgestobenen Kulturtechniken wähnte: Solidarität. Wer aber dieser Tage Chapecó besuchte, wo Zehntausende in einem Stadion gemeinsam sangen und trauerten, obwohl kein Ball rollte, wo Freiwillige rund um die Uhr arbeiteten, um eine würdige Trauerfeier zu organisieren, wo sich Mütter von verstorbenen Spielern und Kollegen von verstorbenen Sportjournalisten in den Armen lagen, der weiß , dass ein Fußballklub nicht einfach so stirbt. Auch dann nicht, wenn er einen Großteil seiner Mannschaft und seiner Funktionäre begraben muss. Am Ende reist man nicht verbittert, sondern mit einem seltsam guten Gefühl wieder ab. Und mit einem lange nachhallenden Satz, der von der Mutter des abgestürzten Torhüters Danilo stammt: "Ich haben einen Sohn verloren, aber Tausende gewonnen."

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