Chaos-Tage beim TSV 1860:Investor Ismaik besänftigt die Fans

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Der TSV 1860 hat in diesen Tagen seinen Ruf als Chaos-Klub mal wieder ausgiebig unter Beweis gestellt: Selbst Vereinspräsident Dieter Schneider ist angeschlagen wegen heftiger Querelen mit dem arabischen Investor Ismaik. Nun folgt die Kehrtwende: Schneider bleibt Präsident - und Ismaik klingt in einem Brief an die Löwen-Fans plötzlich ganz anders.

Klaus Ott

Mit einem bemerkenswerten Hilferuf wendet sich der TSV 1860 München dieser Tage an Fans und Öffentlichkeit. "Vereinseigener Ordnungsdienst sucht Verstärkung", lautet die dringliche Bitte um Beistand. Benötigt würden Männer wie Frauen, und für die geleistete Arbeit gebe es natürlich eine Aufwandsentschädigung.

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Der Appell kommt zur rechten Zeit. Der Fußball-Zweitligist, der in diesen Tagen seinen Ruf als Chaos-Klub wieder einmal ausgiebig unter Beweis gestellt hat, bräuchte dringend jemanden, der endlich aufräumt. Der Aufruf gilt zwar nur für den Ordnungsdienst im Stadion, doch die Suchaktion würde auch für Geschäftsführung, Funktionäre und Investoren viel Sinn ergeben.

Selbst Vereinspräsident Dieter Schneider, der die Sechziger noch vor wenigen Monaten vor dem Niedergang bewahrt hat, ist inzwischen angeschlagen. Tagelang war der Unternehmer aus dem Dachauer Land entschlossen, wegen heftiger Querelen mit dem arabischen Investor Hasan Ismaik und dessen Münchner Statthalter Hamada Iraki alles hinzuwerfen und öffentlich zu erklären, was beim TSV 1860 gerade geschehe: eine Art feindliche Übernahme durch Investor, ohne dessen Millionen der Traditionsklub längst pleite wäre.

Am Donnerstag folgte die Kehrtwende. Nach nächtlichen Beratungen mit den Vizepräsidenten Franz Maget und Wolfgang Hauner entschied sich Schneider, Vereinschef zu bleiben.

Hinzu kam ein offener Brief von Ismaik an die Löwen-Fans, in dem der Investor plötzlich versicherte, man habe dem Verein "zu keinem Zeitpunkt etwas diktieren wollen". Nun ja, vor einer Woche hatte das bei Iraki noch ganz anders geklungen.

Ismaiks Mann in München hatte den Sechzigern erklärt, wen der Verein in die Gremien der TSV 1860 Fußball GmbH & Co. KGaA entsenden solle, der Profi-Abteilung der Löwen. Oder besser gesagt: wen nicht. Nämlich Schneider, Maget und zwei weitere Vereinsfunktionäre. Das sind aber genau die vier Leute, die sich 1860 ausgesucht hatte. Und nun also der Rückzieher des Investoren, der "mit großer Sorge" die Turbulenzen in München verfolgt.

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Sehr besorgt waren auch die Vizepräsidenten Maget und Hauner. Sie hatten Schneider bekniet, auf keinen Fall zurückzutreten, weil das den Zweitligisten führungslos machen würde. Schneider lenkte ein, er wird also beim Heimspiel am Samstag gegen den Karlsruher SC als Präsident auf der Tribüne sitzen.

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Und er wird im Stadion womöglich Ismaik treffen, und dessen Statthalter Iraki. Und 1860-Geschäftsführer Robert Schäfer; sowie Otto Steiner, Medien-Manager und Aufsichtsratschef der Fußball GmbH & Co KGaA. Und andere wichtige Löwen-Leute. Manchen von ihnen ist nur noch gemeinsam, dass sie einander in herzlicher Abneigung verbunden sind.

Für Trainer Reiner Maurer und seine Mannschaft sind die Klub-Verantwortlichen derzeit keine Hilfe, sondern eine Belastung. Die Gefahr ist groß, dass die Unruhe im Verein sich auf die Kicker überträgt und erneut eine auch sportlich verkorkste Saison droht, mit einer tristen Stimmung im Stadion und Abstiegskampf.

So hatte sich Investor Ismaik das nicht vorgestellt, als er im Frühjahr mit 18 Millionen Euro beim TSV 1860 eingestiegen war und davon zu träumen begann, mit den Löwen in zehn Jahren dort zu sein, wo heute der FC Barcelona steht. Inzwischen ist Ismaik in der Wirklichkeit angekommen. Er sagte, er gebe doch nicht so viel Geld aus, damit der TSV 1860 "weitermacht wie bisher".

Am Samstag, vor und nach dem Spiel, gibt es viel zu bereden. Der Verein will nicht länger akzeptieren, was Ismaiks Statthalter Iraki bislang so treibt. Die Frage ist nur, mit welcher Autorität Schneider noch auftreten kann. Ein internes Votum im Verein für den Präsidenten war mit so großen Vorbehalten versehen worden, dass der 64-jährige sich bereits als "lahme Ente" gefühlt hatte.

Ein zerzauster Löwe wäre ein noch besseres Bild. Schneider war erzürnt und wollte daraufhin erst recht zurücktreten, bevor ihn seine Stellvertreter davon abbrachten. Im Präsidium herrscht Eintracht, ansonsten wird von Vereins-Funktionären mitunter auch kräftig intrigiert.

Hinzu kommt, dass der Präsident Schneider und Geschäftsführer Schäfer längst gegeneinander arbeiten. Der erst 35 Jahre alte Schäfer will sich offenbar von Schneider nicht in das Tagesgeschäft dreinreden lassen. Und Schneider wiederum soll Schäfer inzwischen als Marionette des Investors betrachten, heißt es in Vereinskreisen.

Investor Ismaik ist irritiert über die vielen Anschuldigungen und Schlagzeilen und beteuert, er wolle doch nur das Beste für 1860. Er freue sich auf die Zusammenarbeit mit Schneider, der selbstverständlich Präsident bleiben soll. Öffentliche Debatten ist der Immobilien-Millionär vom Persischen Golf wohl nicht gewohnt. Er bittet die Fans um Verständnis, dass man künftig nur intern diskutieren wolle, "um das Ansehen des TSV 1860 zu schützen".

Um Deeskalation bemüht sich nun auch der Klub. Es habe eben einen "Anpassungsprozess" zwischen Verein und Investor gegeben.

© SZ vom 22.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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