Real Madrid:Pünktlich in der Krise

Zinedine Zidane

Seit zwei Ligaspielen sieglos - eine Ewigkeit für Real Madrid und Trainer Zidane.

(Foto: AP)
  • Real Madrid trifft in der Champions League auf Pep Guardiolas Manchester City. In der Liga sind die Spanier seit zwei Spielen sieglos.
  • Doch seit Zinédine Zidane zurückgekehrt ist, ist in Madrid eine gewisse Ruhe eingekehrt. Vor wichtigen Spielen blüht der Franzose auf.
  • Für Manchester City ist es nach Lage der Dinge die letzte Champions-League-Chance vor dem Uefa-Bann.

Von Javier Cáceres, Madrid

Die Champions League aktiviert immer etwas Besonderes bei Zinédine Zidane, dem Trainer von Real Madrid. Eine Form des inneren Friedens, die ihn an Vorabenden großer Spiele tendenziell so wirken lässt, als käme er von der Massagebank und nicht aus dem Analyseraum, vom Trainingsplatz oder sonstigen Orten, die mit einer Form von Arbeit in Verbindung zu bringen wären. Am Dienstag, dem Vorabend der Partie gegen Manchester City, war das nicht anders. Beziehungsweise: Es war nur in einer Nuance anders. Zidane war erstaunlich gut gelaunt, als er durch die Tür des Medienraums in der Sportstadt Real Madrids trat. Und erstaunlich war das, weil er noch am vergangenen Wochenende ausgesprochen bekümmert gewirkt hatte. Gleich zweimal hatte er da gewarnt, dass es für seine Mannschaft "jetzt um alles" gehe - am Mittwoch gegen Manchester City, am Sonntag dann gegen den FC Barcelona, den Tabellenführer der spanischen Liga. Alles. Oder nichts. Eine Fallhöhe, wie sie Zidane in dieser Dramatik als Trainer noch nie hergestellt hatte. Doch andererseits: Konnte das verwundern?

Es sind so einige Faktoren, die den "Madridistas" vor dem Achtelfinale in ihrem Fetisch-Wettbewerb Sorgen bereiten. Der Gegner, Manchester City, ist ein Produkt von Pep Guardiola, der zwar als Barça-Ikone im Estadio Santiago Bernabéu verhasst ist, aber ob seines Schaffens auch gefürchtet wird. Und City kommt in doppelter Hinsicht verwundet als Gegner ins Madrider Viertel Chamartín. Für die Engländer geht es auch um alles oder nichts. Sie können die Saison nur retten, wenn sie erstmals in der Klubgeschichte die Champions League gewinnen; in der heimischen Premier League ist Tabellenführer FC Liverpool von Jürgen Klopp außer Reichweite. Zudem wurde der Klub wegen schwerwiegender Verstöße gegen das Financial Fairplay der europäischen Fußballunion Uefa für zwei Jahre gesperrt: Von Juni an darf City nicht mehr an europäischen Wettbewerben teilnehmen. Der Klub hat aber Rechtsmittel gegen die Strafe angekündigt.

Und dann ist Real pünktlich vor der City-Visite in die Krise geraten, die letzten Partien gegen Celta de Vigo (2:2) und UD Levante (0:1) wurden nicht gewonnen; am Samstag verließ auch noch der teuerste Einkauf des Sommers, Eden Hazard, das Stadion humpelnd. Die sportmedizinischen Koryphäen des Kontinents debattieren gerade angeregt darüber, ob der Belgier operiert werden muss oder bloß monatelang ausfällt. Und das verschärft das formidable Problem, das der Champions-League-König Real Madrid in diesem Kalenderjahr hat.

Denn: 2020 hat es bislang gerade einmal neun Tore von Offensivkräften in neun Spielen gegeben. Die besten Schützen aus dieser Gruppe - Karim Benzema und Lucas Vázquez - kommen auf jeweils zwei Treffer; der im vergangenen Sommer für 60 Millionen Euro bei Eintracht Frankfurt abgelöste Luka Jovic hat gar nur ein Törchen auf dem Konto. Zum Vergleich: Zum gleichen Zeitpunkt der vergangenen Saison hatte Jovic bereits 21 Tore erzielt. Da sind ein paar Sorgen schon mal erlaubt - zumal die Lage so fatal an jene unglaubliche Woche erinnert, nach der Real Madrid im vergangenen März in Trümmern lag.

Seinerzeit schied Real Madrid im Pokal gegen den FC Barcelona aus, verlor den folgenden Liga-Clásico (und damit die Meisterschaft) gegen die Katalanen, am Ende stand die sensationelle Pleite gegen Ajax Amsterdam in der Königsklasse, das Aus für den damaligen Trainer Santiago Solari, das Comeback Zidanes nach nicht mal einem Jahr Pause - und damit die Rückkehr einer relativen Ruhe nach Madrid, einzig durchbrochen durch das Aus im Pokal gegen Real Sociedad San Sebastián (3:4).

So jedenfalls erklärte es Reals deutscher Nationalspieler Toni Kroos in einem Interview mit der englischsprachigen Onlinezeitung The Athletic. Die Nachrufe des Jahres 2019 seien eine "Extramotivation" gewesen, es dem Schweizer Tennisspieler Roger Federer gleichzutun. "Als der 34 wurde, waren sich auch alle sicher: Das war's. Und als er 36 wurde wieder. Aber er spielt einfach weiter, als wäre er 28", sagte Kroos. Einen großen Anteil der Renaissance, die ihrer Vollendung harrt, habe Zinédine Zidane erledigt. Denn er erklärte, dass die größten Legenden den Zorn des Estadio Santiago Bernabéu ertragen mussten - und nur die Allergrößten das Publikum zurückeroberten.

"Er hat als Spieler alles erlebt" und sei "eine natürliche Autorität" mit enorm viel Glaubwürdigkeit, sagte Kroos. Vor allem aber habe Zidane die Spielphilosophie Reals verändert. Als er, Kroos, 2014 nach Madrid wechselte, sei Real durch die Fixierung auf den 2018 nach Italien abgewanderten Portugiesen Cristiano Ronaldo auf Konter ausgerichtet gewesen; Zidane wollte Ballbesitz. Zuletzt spielte Real häufig mit fünf Mittelfeldspielern und einem Stürmer. In Madrid wird aber damit gerechnet, dass Real nun den Engländern im 4-4-2-System gegenübertritt.

So oder so wird Zidanes Team einem Rivalen gegenüberstehen, der Hauptdarsteller der Partie sein will - wie es Guardiolas Teams eben sind. "Ich habe es geliebt, unter ihm zu spielen", lobte Kroos den Katalanen, mit dem er einst beim FC Bayern weilte: "Er war eine Schlüsselfigur für den deutschen Fußball und für mich persönlich", ein "Wegbereiter". Immer wieder seien Trainer ans Münchner Gelände an die Säbener Straße gekommen, um von Guardiola zu lernen - unter ihnen: Zinédine Zidane.

Mag der letzte Champions-League-Triumph Guardiolas auch von 2011 stammen - Zidane nannte den Katalanen am Dienstag den "besten Trainer der Welt". Wieder einmal. "Ich war ein paar Tage lang bei ihm, habe mit ihm über Training und die Gruppenführung gesprochen, und er war sehr offen", erzählte Zidane. Welche Tipps er genau erhielt, behielt er für sich. Nur so viel sagte er: "Es war sehr, sehr interessant." Und ertragreich. Wie gesagt, die Champions League löst bei Zidane etwas Unerklärliches aus: Als Cheftrainer hat er neun K.-o.-Runden bestritten, und er gewann sie so ausnahmslos - wie seine drei bisherigen Champions-League-Finals.

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