Süddeutsche Zeitung

Watzke und Rummenigge:Die Kröten der anderen

Der BVB und der FC Bayern signalisieren Offenheit für Champions-League-Spiele am Wochenende. Den Schaden hätten die kleineren Bundesliga-Teams.

Kommentar von Martin Schneider

Ein Gedankenexperiment: Sie sind der Chef des europäischen Fußballs, und Sie haben das Ziel der meisten Chefs - mehr Geld verdienen. Was tun? Sie schauen auf den Terminkalender und sehen, dass zum besten Sendetermin der Woche, am Samstagnachmittag, wenn die Zuschauer die meiste Zeit für und die meiste Lust auf Fußball haben, Spiele stattfinden wie Bayern gegen Freiburg, Barcelona gegen Huesca oder Manchester gegen Huddersfield. Am nicht so optimalen Sendetermin am Mittwochabend, wenn einige Leute am nächsten Morgen aufstehen müssen, finden Spiele wie Barcelona gegen Manchester statt. Wäre es im Geiste der Geldvermehrung nicht sinnvoll, das beste Spiel auf den besten Sendeplatz zu packen?

Gut, den "Chef des europäischen Fußballs" gibt es so nicht, aber ansonsten findet genau diese Überlegung gerade statt. Es überlegen der europäische Fußballverband Uefa und die Klubs, vor allem die Spitzenklubs, wie genau der europäische Fußball vom Jahr 2024 an auszusehen hat. Und Champions-League-Spiele am Wochenende sind zentraler Bestandteil dieser Überlegungen.

Die beiden wichtigsten deutschen Spitzenklub-Vertreter, der Bayern-Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge und der BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, saßen am Sonntag in der Sky-Talksendung "Wontorra", und offenbar war es nicht nur dem Spitzenspiel ihrer beiden Mannschaften am Vortag geschuldet, dass sie da zusammen saßen. Denn als das tagesaktuelle Geplänkel abgearbeitet war, bereiteten die beiden Chefs das Publikum auf die vielleicht größte Veränderung in 56 Jahren Bundesliga vor.

Ein rhetorischer Seiltanz von Watzke und Rummenigge

Sie versicherten, dass sie das nicht wollen würden, sie betonten, dass sie "für die Bundesliga" seien (Watzke: "Ich liebe die Bundesliga"; Rummenigge: "Wir sind nicht pro Veränderung"). Doch dann kam das wirklich große "Aber". Aber, sagten sie in trauter Eintracht, es gebe nun einmal Überlegungen, vor allem angestoßen aus "dem Süden Europas". Dort sehe man ja obendrein den Fußball eher "geschäftlich", während man in Deutschland sehr viel Wert auf Traditionen lege. Und wenn man da gegen eine Mehrheit stünde - dann könne man halt auch nichts machen.

Es gab in der Vergangenheit viele Reformen mit dem Ziel, die europäischen Top-Klubs noch reicher zu machen, aber am heiligen Bundesliga-Samstag zu rütteln, hätte noch einmal eine andere Qualität. Watzke und Rummenigge haben nun klargemacht: Wenn es hart auf hart kommt, werden sie sich den Änderungen nicht verweigern. Watzke meinte: "Wenn wir sagen ,Wir bleiben nur noch unter uns' - das kann auch nicht die Lösung sein." Rummenigge sagte: "Es wird die eine oder andere Kröte geben, die man schlucken muss."

Es war ein rhetorischer Seiltanz, aber ein paar Sachen wurden klar: Der europäische Fußball bewegt sich auf eine Situation zu, in der die Interessen der Bundesliga nicht mehr die gleichen sind wie die von Bayern und Dortmund. Was Rummenigge und Watzke versprachen, ist, sich gegen eine Entwicklung zu stellen, von der man weiß, dass sie selbst davon am meisten profitieren würden, zumindest monetär, und den Schaden vor allem der Rest der Liga hätte. Falls die Entwicklung dann käme, sagten sie, seien die anderen Schuld, aber sie würden natürlich mitmachen.

Angesichts dessen sollte man wohl das Bundesliga-Wochenende genießen, solange es so noch existiert.

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SZ vom 09.04.2019
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