Was dem VfL Wolfsburg ohne Kevin De Bruyne fehlt, zeigt der Blick nach England. So am Samstag, als der Belgier für Manchester City gegen Bournemouth das 2:0 schoss. Ein technisch anspruchsvolles Tor, denn De Bruyne hatte den abgelegten Ball von David Silva am Sechzehnmeterraum direkt genommen - ein Volleyschuss knapp über der Grasnarbe, unten links ins Eck.
Es war De Bruynes erstes Tor nach seiner Knieverletzung, und es gibt nicht wenige Menschen in England, die sagen, dass ManCity noch Chancen auf die Meisterschaft haben könnte, wäre De Bruyne nicht seit Januar verletzt gewesen.
In Wolfsburg, wo De Bruyne bis zum vergangenen Sommer spielte, kann man sich Gedanken an die Meisterschaft ebenfalls sparen. Vor genau einem Jahr, als De Bruyne die Mannschaft noch führte, war Wolfsburg Zweiter. "Bayern-Jäger" wurden sie genannt, auch wenn die Münchner am Ende den Titel holten. Dafür ging der DFB-Pokal erstmals nach Wolfsburg. Dann wechselte De Bruyne für 75 Millionen Euro nach Manchester - und der VfL stürzte ab.
Real kommt ohne Angst
So kommt es, dass Real quasi ohne Angst zum Viertelfinal-Hinspiel in der Champions League (20.45 Uhr, Liveticker auf SZ.de) nach Wolfsburg reist. Sie haben gelacht, die Madrilenen, nach der Auslosung. So ein Glückslos, hieß es. Ohne De Bruyne hat Wolfsburg viel von seinem Schrecken eingebüßt. Weil Wolfsburg es nicht geschafft hat, den Belgier zu ersetzen.
Dabei hat der VfL große Teile der Ablösesumme reinvestiert. 35 Millionen Euro für Julian Draxler (aus Schalke). 12 Millionen Euro für Max Kruse (aus Gladbach). Auch André Schürrle wurde ein halbes Jahr zuvor für 30 Millionen Euro im Wissen geholt, dass De Bruyne im darauffolgenden Transfersommer nicht zu halten sein dürfte.
Es kann natürlich passieren, dass ein einzelner Spieler nicht von Beginn an das zeigt, was er bei seinem vorherigen Klub zu leisten vermochte. Dass er Anpassungsschwierigkeiten mitbringt, sich akklimatisieren muss. Bitter für Wolfsburg ist, dass es alle drei so genannten "Königstransfers" erwischte.
Schürrle kam von der Ersatzbank des FC Chelsea und verschenkte das erste Dreivierteljahr in Deutschland leider völlig. Auch Draxler, der von der Position her den Belgier am ehesten wohl fast gleichwertig hätte ersetzen können, hat noch immer Anpassungsschwierigkeiten. Es sei nicht einfach gewesen, von Beginn an gegen diese Erwartungen anzuspielen, bekannte der Nationalspieler kürzlich: "Mir war klar, dass der Vergleich gezogen wird."
Doch De Bruyne habe in Wolfsburg "wahrscheinlich die Saison seines Lebens gespielt", fügte Draxler hinzu. Der Belgier war derjenige, der auch in grauen Spielen noch kleine Lichtlein entzündete. Draxler reiht sich an tristen Tagen bislang in das triste Spiel ein.
Happy End für Wolfsburg? Kaum vorstellbar
Bleibt Max Kruse - und der ist ohnehin ein besonderer Fall. Kruse spielt nicht annähernd so forsch und frisch wie damals in Gladbach, was auch damit zusammenhängt, dass er abseits des Platzes forsch und frisch agiert, sei es nachts in Discotheken oder frühmorgens im Taxi, wo er 75 000 Euro liegen ließ. All dies kostete ihn sogar vorerst die Zukunft im Nationalteam. Die Wolfsburger hielten öffentlich zu ihm, als der Sturm über Kruse hereinbrach. Auch in der Hoffnung, dass Kruse ihnen das Vertrauen auf dem Platz zurückzahlen würde, wo er bislang häufig nur mittrabte.
Natürlich wäre es eine tolle Geschichte, würde ausgerechnet Kruse am Mittwochabend den Siegtreffer gegen Real erzielen. Wahlweise auch Draxler oder Schürrle, eben einer dieser Spieler, die bislang nicht halten konnten, was sich manche versprochen haben. Eine bessere Chance, sich aus De Bruynes Schatten heraus zu emanzieren, bekommen die drei so schnell nicht.
Aber irgendwie würde ein Happy End so gar nicht zur Wolfsburger Saison passen.