Am Ende hatte sich Alexandra Popp ein Megafon geschnappt, stand auf einem kleinen Vorsprung der Tribüne und sang mit den Fans. Wenn sie dabei hüpfte, das Megafon in die Höhe gestreckt, hielt sie sich mit der anderen Hand vorbildlich an einem Geländer fest, so eine Tribüne ist schließlich hoch, einen Sturz gilt es zu verhindern. Das Erstaunliche an diesen Szenen war weniger, dass Popp beim Feiern an ihre Sicherheit dachte, sondern dass sie überhaupt noch die Energie für diese Art von After-Work-Party hatte, nach beinahe 100 Spielminuten mit dem VfL Wolfsburg gegen Paris Saint-Germain.
Außer der offiziellen Pause hatte es bei dem 1:1 quasi keine Erholungsphasen gegeben, die Intensität dieser Begegnung hätte es durchaus gerechtfertigt, wenn Popp mit dem Megafon sitzend von der Bank aus Stimmung gemacht hätte. So aber wurde auch die kleine Party nach dem Einzug ins Champions-League-Halbfinale gewissermaßen zu einer Ansage an den nächsten Gegner FC Arsenal: So einfach geht der weiß-grüne Akku nicht leer.
Bayern-Frauen in der Champions League:Erschüttert von der eigenen Fahrlässigkeit
Die Fußballerinnen des FC Bayern verpassen das Halbfinale, weil gegen Arsenal viele Spielerinnen nicht das zeigen, was sie können. Deutlich zeigt sich, dass der Kader nur bedingt Verletzungen auffangen kann.
Die 31-Jährige war es, die vor 14 367 Fans in der Wolfsburger Arena mit ihrem Tor das Weiterkommen sicherte. Nach dem 1:0 im Hinspiel reichte dem zweimaligen Champions-League-Sieger ein Unentschieden. Dass Popp von Trainer Tommy Stroot eine offensivere Rolle zugesprochen bekam als zuletzt im Bundesliga-Spitzenduell gegen den FC Bayern, tat ihr und damit dem Wolfsburger Spiel gut. Ihre Antriebskraft kam so deutlich besser zur Geltung und machte einen Unterschied aus in einer Partie, in die sich die Wolfsburgerinnen erst hatten reinkämpfen müssen. "Wir stecken gerade in einer Phase, in der wir nicht so richtig mit dem Selbstverständnis Fußball spielen, was wir gerade im letzten halben Jahr hatten", sagte Popp. "Dementsprechend sind wir auch ein bisschen unzufrieden mit der eigenen Leistung."
"Wären wir ein bisschen cleverer gewesen, hätten wir einen entspannteren Abend gehabt", sagt Svenja Huth
Paris dominierte von Beginn an und drängte die Gastgeberinnen in die eigene Hälfte. Es wirkte fast so, als drohe dem VfL eine ähnliche Überrumpelung wie am Mittwochabend den Bayern beim Champions-League-Aus gegen Wolfsburgs nächsten Gegner Arsenal. Wäre Kadidiatou Diani vor ihrem abgezockten Schuss aus kurzer Distanz ins Torwarteck von Merle Frohms nicht knapp im Abseits gestanden, PSG hätte die Wolfsburgerinnen nach elf Minuten direkt düpiert. Dann aber war es Popp, die sich nach einem Konter auf die für sie typische Weise in den Abschluss stürzte und den Ball in der 20. Minute von der Strafraumgrenze wie aus dem Nichts geradezu versenkte.
Der nächste Versuch der Pariserinnen von Diani per Kopfball (30.) war gültig und ließ die Wolfsburger Abwehr schlecht aussehen. Die Stürmerin musste nach einem Zweikampf mit starken Schulterschmerzen ausgewechselt werden. Ansonsten hätte sie mit hoher Wahrscheinlichkeit noch öfter getroffen an diesem Abend. Ihr Ausfall ab der zweiten Hälfte schwächte Paris merklich. Den Wolfsburgerinnen hingegen half das kurze Zusammenkommen in der Kabine, sie wirken selbstbewusster, wurden zwingender im Angriff und erspielten sich eine Chance nach der anderen. Popp, Lena Oberdorf und Sveindis Jonsdottir trafen allein dreimal das Aluminium. "Wären wir ein bisschen cleverer gewesen, hätten wir einen entspannteren Abend gehabt", sagte Huth.
Vielleicht aber hat gerade eine solche Dramaturgie mit der klaren Steigerung eine entsprechende Wirkung auf das eigene Selbstverständnis in den kommenden Spielen. In diese Woche waren die Wolfsburgerinnen ja mit der bitteren 0:1-Niederlage gegen den FC Bayern gestartet, die den Verlust der Bundesligaführung bedeutete. Wenn schon womöglich die Meisterschaft verloren gegangen ist, dann auf keinen Fall auch noch international früh scheitern - so dürfte die Devise gelautet haben. Weil die Münchnerinnen nun raus sind, wird es kein deutsches Halbfinale geben, aber die jüngste Erinnerung an Arsenal ist ohnehin positiver besetzt: In der vergangenen Saison war der VfL Wolfsburg nach einem 1:1 und 2:0 gegen die Engländerinnen ins Halbfinale der Champions League eingezogen.