VfL Wolfsburg in der Champions League::Und jetzt noch Barcelona besiegen

VfL Wolfsburg in der Champions League:: Sechstes Finale - dritter Champions-League-Titel? Nach dem Sieg gegen Arsenal ist das für die Wolfsburgerinnen jetzt möglich, und Kapitänin Alexandra Popp findet: "Dieses Jahr sind wir an der Reihe."

Sechstes Finale - dritter Champions-League-Titel? Nach dem Sieg gegen Arsenal ist das für die Wolfsburgerinnen jetzt möglich, und Kapitänin Alexandra Popp findet: "Dieses Jahr sind wir an der Reihe."

(Foto: Colorsport/Imago)

Zehn Jahre nach ihrem ersten Champions-League-Titel erreichen die Fußballerinnen des VfL Wolfsburg das Finale gegen den FC Barcelona. Beim spannenden 3:2 gegen Arsenal wird wieder deutlich, wie wichtig Alexandra Popp ist.

Von Anna Dreher

Als die Partie schon einige Minuten vorbei war, stand Lena Oberdorf im knallgrünen Trikot vor einer Sponsorenwand, ein Mikrofon in der Hand. Kamera läuft? Kamera läuft! Vor ihr wartete Jule Brand auf die erste Frage ihrer Mitspielerin und antwortete dann, "it was amazing! It was crazy!". Oberdorf lachte und schaute irritiert, "warum reden Sie Englisch!?", fragte sie, um von der sonst eher zurückhaltend wirkenden Brand noch die deutsche Variante geliefert zu bekommen: "Sehr cooles Spiel, coole Atmosphäre, super Stadion und jetzt Einzug ins Finale, ist ja alles super!" So ging das noch ein bisschen weiter mit dem Rollenspiel für den Vereinssender des VfL Wolfsburg, begleitet von viel Gekicher nach einem Champions-League-Halbfinale gegen Arsenal London, das bis zum Schluss in beide Richtungen hätte kippen können.

Die Ausgelassenheit der beiden Fußballerinnen war natürlich nur deshalb entstanden, weil das Spiel eben zu ihren Gunsten ausgegangen war, was nicht zuletzt an Brand lag. Als die meisten schon ordentlich pumpten und manche Krämpfe bekamen, hatte die eingewechselte 20-Jährige der verdutzten Abwehrspielerin Lotte Wubben-Moy den Ball in deren Hälfte abgenommen, war in den Strafraum gedribbelt, um dann einen cleveren Pass auf den langen Pfosten zu spielen, wo sich niemand befand - außer der herbeirutschenden Pauline Bremer, die den Ball ins Tor drückte: in der 119. Minute, kurz vor dem Ende der Verlängerung, gerade noch rechtzeitig, bevor es andernfalls ins Elfmeterschießen gegangen wäre.

So aber endete die Achterbahnfahrt am Montagabend mit einem 3:2 (2:2, 2:2, 1:1) und brachte dem VfL Wolfsburg den sechsten Einzug ins Endspiel der Königsklasse. Im Finale am 3. Juni (16 Uhr, Dazn) gegen den Vorjahresfinalisten und Vorvorjahressieger FC Barcelona im niederländischen Eindhoven könnte nach 2013 und 2014 der dritte Champions-League-Titel gewonnen werden - vielleicht sogar in Kombination mit den Trophäen aus dem DFB-Pokal und der Meisterschaft. Im Pokal treffen die Wolfsburgerinnen im Finale am 18. Mai auf den SC Freiburg, in der Bundesliga haben sie bei vier ausstehenden Partien einen Punkt Rückstand auf den FC Bayern. Noch ist also alles möglich.

"Wir haben unsere ganze Qualität noch gar nicht ausgespielt", sagt Alexandra Popp

"Das war ein sehr intensives Spiel auf taktisch höchstem Niveau", sagte VfL-Trainer Tommy Stroot. "Wir nehmen aus diesem Spiel extrem viel mit. Das so durchzudrücken, ist alles andere als selbstverständlich." Im Viertelfinale hatte Arsenal bereits den FC Bayern rausgeworfen und wollte nun den nächsten deutschen Klub zur Verzweiflung bringen. Im Hinspiel war den Londonerinnen nach einem 0:2-Rückstand das Comeback zum 2:2 gelungen. Und auch beim Wiedersehen wurde Wolfsburg immer wieder überrumpelt, was früh zum 1:0 durch Stina Blackstenius (11. Minute) führte und beinahe auch das 2:1 durch die Schwedin kurz nach der Pause gebracht hätte, wäre nicht noch auf Abseits entschieden worden.

VfL Wolfsburg in der Champions League:: Der entscheidende Treffer: Pauline Bremer schiebt den Ball zum 3:2 ins leere rechte Eck.

Der entscheidende Treffer: Pauline Bremer schiebt den Ball zum 3:2 ins leere rechte Eck.

(Foto: Katie Chan/Action Plus/Imago)

Vor allem Alexandra Popp brachte den Wolfsburgerinnen gegen unangenehme Gegnerinnen Stabilität, was nötig war, weil es insgesamt an Passqualität, Präzision und bisweilen an Abstimmung fehlte. Im April hatte sich die deutsche Nationalspielerin im Spiel gegen Brasilien an der Wade verletzt und war drei Wochen ausgefallen. Bei ihrer Rückkehr gegen Arsenal zeigte sie mit viel Verantwortungsgefühl erneut, wie wichtig sie auf dem Platz sein kann. "Sie hat die Gabe, ein Spiel auf Mentalitätsebene zu lesen: Wann packe ich auch mal richtig zu, wann bin ich in der Box", sagte Stroot. "Auch wenn sie heute mehr auf der Achter-Position gespielt hat, hat sie diese Qualitäten wieder eingebracht. Sie tut uns extrem gut."

Noch dazu war die 32-Jährige entscheidend an den ersten beiden Toren beteiligt, zweimal per Kopf. Erst lenkte sie eine Flanke an die Strafraumgrenze weiter zum 1:1 durch Jill Roord (41.). Dann setzte Popp knapp 20 Minuten später ihr Markenzeichen ein, um sich selbst in die Torschützenliste einzutragen, das 2:1 war ihr wettbewerbsübergreifend 150. Treffer für den VfL. Dass sie den Ausgleich durch Jennifer Beattie (75.) aus nächster Nähe nicht verhindern konnte, darüber sprach am Ende niemand mehr. Und die Kapitänin selbst rückte ohnehin lieber Pauline Bremer in den Fokus: "Ich weiß, dass es extrem hart für manche Spielerinnen ist, oft auf der Bank zu sitzen. Jetzt haben wir gesehen, wofür sie da sind", sagte Popp. "Und das freut mich so brutal, dass es nicht eine von denen war, die sonst immer entscheiden oder treffen."

Auch Stroot hob die Mentalität der oft von Blessuren geplagten Bremer hervor, was in Kombination mit der Vorlagengeberin Brand deutlich machte, wie stark der Wolfsburger Kader aufgestellt ist. Beide kamen erst spät aufs Feld, Bremer in der 90., Brand in der 101. Minute, und hätten beinahe schon in der 112. Minute für den dritten Treffer gesorgt. Marina Hegering (106.) und Tabea Waßmuth (77.) brachten ebenfalls jene Energie ein, die Arsenal immer mehr abging und die in dieser Form auch gar nicht von der Bank abgerufen werden konnte: Die Verletztenliste der Londonerinnen ist zu lang. Dennoch wehrten sie sich erstaunlich, angetrieben vom Großteil der 60 063 Zuschauer.

Als sich die beiden Teams vor zehn Jahren im Halbfinale gegenüberstanden, waren nicht einmal 1500 Zuschauer dabei gewesen, vergangenes Jahr im Viertelfinale kamen 5 000, nun wurde eine Bestmarke für ein Frauen-Spiel in England aufgestellt sowie die höchste Zuschauerzahl in diesem Wettbewerb außerhalb des Camp Nou. Beim Rekord im Stadion des FC Barcelona waren die Wolfsburgerinnen beteiligt, 91 648 Menschen strömten zum Halbfinal-Hinspiel 2021/22, das die Katalaninnen 5:1 gewannen. Und es sieht auch jetzt ganz danach aus, als sei Barcelona angesichts einer überragenden Saison klarer Favorit. Oder? "Dieses Jahr sind wir an der Reihe", sagte Alexandra Popp. "Das Schöne ist: Ich finde, wir haben unsere ganze Qualität noch gar nicht ausgespielt. Das darf dann im Champions-League-Finale passieren."

Zur SZ-Startseite

Podcast "Und nun zum Sport"
:Zwischen EM und WM: Über die Entwicklung im Frauenfußball

Die Nationalspielerinnen Marina Hegering vom VfL Wolfsburg und Klara Bühl vom FC Bayern über die gestiegene Beliebtheit der Bundesliga, die Rivalität ihrer Klubs und die WM in diesem Sommer.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: