Europäische Wettbewerbe:Für Leipzig? Für Chelsea? Für gar keinen?

Champions League: Timo Werner beim Spiel RB Leipzig gegen Tottenham Hotspur

Auf dem Sprung, aber wohin? Timo Werner lernt im Champions-League-Spiel gegen Tottenham schon mal Englands Fußball kennen.

(Foto: Alex Grimm/Getty Images)

Die Champions League soll im August ausgespielt werden - das wirft diffizile Transferfragen auf. Mit welchen Spielern die Klubs antreten können, ist unklar. Bestes Beispiel dafür: Timo Werner.

Von Johannes Aumüller und Javier Cáceres

Wenn am Mittwoch die Vorständler von Europas Fußball-Union Uefa zusammenkommen, werden sie eine Entscheidung treffen, die zu Zeiten wie diesen kaum besser passen könnte. Denn wo ließe sich die Traurigkeit einer Champions-League-Finalrunde ohne Zuschauer besser organisieren als in Lissabon - einer Stadt, die stets von einer Wolke der Melancholie umhüllt ist, gespeist aus wer weiß wie vielen Aerosolen, die Fado-Sängerinnen und -Sänger hinterlassen haben? Seelenqualen wegen Verlust, Abwesenheit und Schmacht sind in ihren Liedern stets wiederkehrende Motive. Es sind Gefühle, die wahrscheinlich auch RB Leipzig befallen werden, wenn im August in Portugals Hauptstadt die Endrunde des Königsklassenwettbewerbes steigt.

Die Sachsen sind nach den Siegen gegen Tottenham bereits fürs Viertelfinale qualifiziert. Aber ihr aktuell mit Abstand bester Torschütze, Timo Werner, wechselt im Sommer zum FC Chelsea, wie aus berufenem Mund nicht mehr bestritten wird; der Transfer hängt nur noch an Details. Und so taugt der Nationalstürmer als Paradebeispiel für die unübersichtliche Lage, die durch die Pandemie und die daraus folgende Europapokal-Verlegung auf dem Transfermarkt entstanden ist. Denn für wen wird Werner, 24, in den letzten Runden dieser Champions League auflaufen: Noch für Leipzig, das erstmals im Viertelfinale steht? Schon für Chelsea, das mit einem aussichtsarmen Achtelfinal-Rückspiel gegen den FC Bayern einsteigt? Oder für gar keinen?

Im Fußball ist derzeit alles anders, aber die Fortsetzung des Europapokals wird besonders anders

Im Fußball ist derzeit alles anders, aber die Fortsetzung des Europapokals wird besonders anders. Am Mittwoch will der Uefa-Vorstand die Pläne finalisieren. In einem Miniturnier an einem Ort sollen Viertel- und Halbfinals sowie Finale über die Bühne gehen, ohne Hin- und Rückspiel, sondern im K.-o.-Modus. Sportlich wird es Unwuchten geben, etwa weil die französischen Klubs Paris Saint-Germain und Olympique Lyon seit dem Abbruch der nationalen Liga Mitte März kein Pflichtspiel mehr bestritten haben, während die internationale Konkurrenz den Betrieb wieder aufnahm. Und die deutschen Vereine müssen sich fragen, wie sie am geschicktesten die Pause zwischen Pokalfinale (4. Juli) und Europapokal-Endrunde im August gestalten - auch vor dem Hintergrund, dass unmittelbar danach eine sehr intensive Saison beginnt, die erst mit der EM 2021 endet.

Aber erst mal entscheidend ist für die Klubs, mit welchen Spielern sie bei diesem Finalturnier überhaupt antreten können. Denn die Verlängerung der Saison bis in den August reißt alle gewohnten Vertrags- und Transferfristen. Gemeinhin ist die Nacht vom 30. Juni auf den 1. Juli das Saisonende - und der Moment, zu dem alte Verträge auslaufen und Spieler sich einem neuen Klub anschließen können.

Aber jetzt ist alles kompliziert. Dabei geht es insbesondere um die Frage, ob die Klubs ihre Sommerzugänge schon im Europapokal-Finalturnier einsetzen können. Ob also zum Beispiel der FC Bayern schon mit Leroy Sané (Manchester City) und/oder Kai Havertz (Bayer Leverkusen) antreten könnte, sollte er einen der begehrten Offensivspieler tatsächlich verpflichten. Oder tritt Havertz, egal wo es für ihn weitergeht, im August noch mit Leverkusen zum Finalturnier der Europa League an, das offenbar nach NRW vergeben werden soll - mit Köln als möglichem Finalort?

Offiziell gibt sich die Uefa dazu sehr bedeckt: "Eine Entscheidung ist dazu bisher noch nicht getroffen worden, das Thema könnte allerdings bereits am Mittwoch bei der Sitzung des Exekutivkomitees diskutiert werden", sagt ein Sprecher.

Zwar ist davon auszugehen, dass als Grundsatz gelten soll, den Wettbewerb mit den aktuellen Kadern zu Ende zu spielen. Doch zugleich gibt es bei diversen großen Klubs, die sich in der Interessenvereinigung ECA zusammengeschlossen haben, die Erwartung, dass die Uefa lediglich eine entsprechende Empfehlung abgibt - aber kein explizites Verbot für Frühtransfers.

Fürs Pokalfinale FC Bayern gegen Leverkusen untersagt der DFB den Einsatz von Zugängen

Formal sieht das Europapokal-Reglement vor, dass nur Spieler spielberechtigt sind, die bis zu einem bestimmten Stichtag für einen Verein registriert werden. 25 Spieler kann ein Klub vor dem ersten Europapokal-Spiel der Saison melden, drei weitere in der Winterpause nachmelden. Anders als früher ist es dabei auch möglich, dass unter diesen Nachmeldungen Spieler sind, die im Laufe des Wettbewerbs schon für einen anderen Verein gespielt haben (siehe: Erling Haaland, Salzburg/Dortmund). Nun aber enden bei einigen Klubs zum 30. Juni die (Leih-)Verträge diverser Spieler, die auf der Uefa-Liste registriert sind. Das ist bei Coutinho der Fall, den der FC Bayern vom FC Barcelona ausgeliehen hat. Bei Chelsea stehen die Stürmer Willian und Pedro wegen deren Vertragsende zur Disposition. Und Paris St. Germain hat angekündigt, die auslaufenden Papiere von Kapitän Thiago Silva und Stürmer Edison Cavani nicht zu verlängern.

Paris versucht zwar, eine Lösung zu finden, dass die beiden in der Champions League noch mitwirken können. Aber in anderen Fällen werden Spieler, deren Verträge am 30. Juni enden, schlicht nicht mehr für den Verein auflaufen - auch weil die Vereine diese Spieler nicht dazu zwingen können, weiter für sie im Einsatz zu sein. Und so erscheint Folgendes als Ansatz vorstellbar: dass Vereine beim Weggang registrierter Spieler (mit bestimmten Grenzen) andere Spieler nachnominieren können.

Das Problem mit Spieler-Erlaubnissen für die Spiele im Juli/August hat die Uefa in diesen Tagen natürlich nicht exklusiv. Es betrifft auch zahlreiche nationale Verbände und Ligen. In Deutschland, wo nach dem 1. Juli noch das Finale des DFB-Pokals, die Bundesliga-Relegationsspiele sowie zwei Drittliga-Spieltage anstehen, ist die Sache nach Angaben des Deutschen Fußball-Bundes geklärt. Auf Anfrage teilt der DFB mit, dass es den Vereinen nicht möglich sei, in diesen Spielen neue Spieler einzusetzen, die bei ihnen erst ab dem 1. Juli unter Vertrag stehen.

Zur Begründung bezieht der DFB sich auf das sogenannte "Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern" (RSTP) des Weltverbandes Fifa. Der DFB-Vorstand werde dazu auch noch eine klarstellende Regelung beschließen. Das bedeutet also zum Beispiel für den FC Bayern, dass er im Pokalfinale gegen Leverkusen den schon von Schalke 04 verpflichteten Torwart Alexander Nübel nicht einsetzen darf - und etwaige weitere Zugänge wie Sané oder Havertz ebenfalls nicht.

Aber unabhängig von den konkreten Regularien wird es auf der europäischen Bühne in solchen Fällen auch um die jeweilige Motivationslage der beteiligten Vereine und des Spielers gehen. Auch das lässt sich gut am Beispiel Timo Werner nachzeichnen. Dem Vernehmen nach hätte der FC Chelsea keine Einwände, den Angreifer noch bis August für Leipzig spielen zu lassen - vorausgesetzt, RB ginge mit dem Preis runter. Werner hatte im Zuge der Vertragsverlängerung im vergangenen Sommer eine Klausel ausgehandelt, die es ihm erlaubt, in diesem Sommer für rund 50 Millionen zu wechseln. "Es ist aktuell ganz normal in meinen Planungen drin, dass er in der Champions League spielt. Er ist unser Spieler und hat noch nirgends anders unterschrieben", sagte RB-Trainer Julian Nagelsmann am Dienstag. Doch in Leipzig ist man skeptisch, ob Timo Werner im August wirklich noch dabei sein wird. Würde er ausblenden können, dass er bei Chelsea unterschrieben hat - für einen Wochenlohn von angeblich 180 000 Pfund, sprich: ein Jahressalär nahe zehn Millionen Euro? Welche Last das bedeuten kann, lässt sich aktuell in Italien gut erkennen. Dort steht Inter-Mailand-Stürmer Lautaro Martínez gerade im Ruf, den Fuß nicht mehr richtig hinzuhalten, weil er für 100 Millionen Euro zum FC Barcelona gehen will.

Zudem wäre auch die Frage, ob Werner bei seinem ersten Auslandsengagement sofort ins Hintertreffen geraten wollen würde. Denn sollte er mit Leipzig noch in Lissabon antreten, würde er wohl zumindest einen Teil der Vorbereitung beim FC Chelsea verpassen. Und er dürfte mit den Londonern große Pläne haben - nicht zuletzt auch in der Europapokal-Saison 2020/21, die wohl mit etwas weniger Komplikationen für alle Beteiligten ablaufen dürfte.

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