Ter Stegen beim FC Barcelona:"Messi mit Handschuhen"

Beim FC Barcelona genießt Marc-André ter Stegen hohes Ansehen - nur an Manuel Neuer kommt er nicht vorbei. Am Freitag könnten die beiden Schlussmänner ein neues Kapitel im Buch der deutschen Torwartduelle schreiben.

Von Javier Cáceres, Lissabon

Am Donnerstag reist der FC Barcelona nach Lissabon, zum Viertelfinalduell in der Champions League gegen den FC Bayern, und zumindest in einer Hinsicht ist den Verantwortlichen des katalanischen Vereins nicht bang. Bei der vorzeitigen Verlängerung des 2022 auslaufenden Vertrags von Torwart Marc-André ter Stegen sei man auf bestem Wege. Als "Messi mit Handschuhen" wird ter Stegen in der katalanischen Hauptstadt schon länger verehrt, und dass sich das auch auf seinem Gehaltszettel ausdrücken soll, steht außer Frage. Dass die Verhandlungen sich hinziehen, ist wohl allein ter Stegen geschuldet: Barça-Präsident Josep Maria Bartomeu verriet unlängst, dass ter Stegen selbst eine Aufschiebung der Gespräche anregte - unter Verweis darauf, dass es wegen der Coronakrise andere Prioritäten gebe.

Dieser Hinweis aus dem Munde Bartomeus verfestigte das Bild, wonach ter Stegen im Gegensatz zu anderen Profis, auch aus dem Barça-Kader, bestens weiß, auf welchem Planeten er lebt. Auch deshalb gilt er als ein Angestellter, der im Klub besonderes Gewicht genießt. Der deshalb sogar unbeschadet Berichte über angebliche Spannungen mit Kapitän Lionel Messi überstehen konnte. Bei einem Training sollen beide aneinandergeraten sein.

Im Klub hat man wohlwollend registriert, dass ter Stegen die letzten Urlaubstage zwar wie diverse Barça-Profis auf Ibiza verbrachte, aber anders als andere davon absah, mit seiner Ferienidylle in den Netzwerken zu triumphieren. In Barcelona schwärmen sie immer noch davon, dass er anfangs im überlaufenen Stadtzentrum lebte und für den Weg zur Arbeit im Camp-Nou-Stadion die U-Bahn nutzte.

In einer Reihe mit Kahn gegen Lehmann?

Dass so ein Ritt in öffentlichen Verkehrsmitteln für Aufsehen sorgt, sagt viel über die Welt, in der sich Profis bewegen, über die Verehrung heidnischer Götter der Designer-Religion namens Fußball. Aber er erzählt nicht nur eine Menge über ter Stegen, sondern er passt auch zu einem Satz, den dieser der Zeitung El País bei einem Videochat-Interview aus seinem neuen Domizil im Küstenort Castelldefels diktierte: "Ich glaube nicht an den Torwart, der sich vom Spiel abkoppelt, und auch nicht an den Fußballer, der sich vom Alltag löst."

Sein Alltag wird nun von der Champions League dominiert, vom Duell des FC Barcelona mit dem FC Bayern am Freitag, und das bedeutet: vom Duell mit seinem Rivalen um das Gehäuse in der deutschen Nationalelf, Manuel Neuer. Seit Tagen wird die Begegnung in den Fachmedien zum entscheidenden Mikroduell stilisiert - sei es im deutschen Kicker oder in den katalanischen Tageszeitungen Mundo Deportivo und Sport. Und es werden natürlich die alten Geschichten aufgewärmt, die den Eindruck aufkommen ließen, Deutschlands Saga an Torwartkriegen würde ein neues Kapitel erfahren. Was mit Wolfang Fahrian gegen Hans Tilkowski bei der WM 1962 in Chile begann und mit Toni Schumacher gegen Uli Stein (Mexiko 1986), Bodo Illgner gegen Andreas Köpke (USA 1994) und natürlich Oliver Kahn gegen Jens Lehmann (WM 2006) fortgesetzt wurde, schien mit dem Abschnitt Neuer gegen ter Stegen eine Fortschreibung zu bekommen.

Ter Stegen hat die beste Paradenquote des Turniers

Erinnert wurde an das skurrile Spiel in Wolfsburg gegen Serbien (1:1) aus dem März 2019, als sich Neuer und ter Stegen jeweils eine Halbzeit lang im DFB-Tor versuchen durften. Und natürlich an die persönliche und nachvollziehbare Enttäuschung ter Stegens darüber, dass er im September desselben Jahres weder beim EM-Qualifikationsspiel gegen die Niederlande (2:4) noch in Nordirland (2:0) spielen durfte.

"Es ist nicht einfach, eine Erklärung für das zu finden, was ich erlebe. Ich gebe in jedem Spiel mein Bestes, um die Entscheidung zu erschweren. Ich versuche trotzdem alles, aber diese Reise mit der Nationalmannschaft war ein harter Schlag für mich", sagte ter Stegen damals . Neuer kanzelte seinen Herausforderer hinterher ab: "Der Mannschaft hilft das nicht. Wir Torhüter müssen zusammenhalten", sagte die deutsche Nummer 1. Und erhielt Feuerschutz der FC-Bayern-Honoratioren.

Letztlich waren das alles auch nur Vorboten einer Wachablösung, die sich irgendwann bei der Nationalmannschaft vollziehen wird - und über die angeblich auch beim FC Bayern nachgedacht wurde. Schon Ende 2018 waberte in Barcelona das Gerücht, wonach ter Stegen bei den Münchnern zum Kandidatenkreis zähle. Der Wahrheitsgehalt ließ sich kaum verifizieren, aber in Anbetracht der Neuer'schen Verletzungsgeschichte und der Tradition, die besten deutschen Spieler in München zu konzentrieren, ergab die von der spanischen Zeitung El País veröffentlichte Spekulation durchaus ihren Sinn.

Nur zwei markante Unterschiede zwischen Neuer und ter Stegen

Denn: Neuer und ter Stegen sind sich in ihrer Spielanlage ähnlich, glänzen seit Jahren auf einem ähnlichen Niveau und haben im Grunde nur zwei markante Unterschiede aufzuweisen. Das Alter - ter Stegen ist mit 28 sechs Jahre jünger - und die Körpergröße, ter Stegen ist sechs Zentimeter kleiner als Neuer. Legt man die Daten des Statistikdienstes Opta zugrunde, war ter Stegen in der aktuellen Champions-League-Saison besser als Neuer: Er hat die beste Paradenquote des Turniers (81,5 Prozent), Neuer steht mit 73,9 Prozent auf Rang elf. Bislang blieb ter Stegen im Königsklassenwettbewerb ohne einen Fehler, der seiner Mannschaft ein Gegentor gebracht hätte. Dafür hielt er seine Mannschaft im Wettbewerb, zum Beispiel mit einer Gala beim 0:0 in Dortmund. Neuer wiederum leistete sich jüngst im Achtelfinal-Rückspiel gegen den FC Chelsea (4:1) einen Patzer - freilich erst, als das Duell längst zugunsten der Münchner entschieden war.

Gemeinsam haben sie auch dies: Beide warten schon lange auf einen Champions-League-Triumph. Neuer gewann 2013 das Triple mit den Bayern, ter Stegen zog 2015 mit Barcelona nach. Eine Wiederholung des Triple steht diesmal nur Neuer offen - ter Stegen hat mit Barcelona Meisterschaft und Pokal verspielt. Der frühere Gladbacher steht also mit Barça vor seiner letzten Chance, in dieser seltsamen Saison einen Titel zu gewinnen. Und er darf im Lichte der letzten Saisonspiels beider Teams damit rechnen, im Fokus zu stehen.

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