Süddeutsche Zeitung

Champions-League-Start:Wenn die Stammkundschaft fehlt

Außenseitergeschichten in der Champions League? Die gibt es nur zu Beginn, ehe die Großen gerne wieder unter sich sind - zum Problem werden auch fehlende TV-Übertragungen.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Vielleicht sollten sie einfach nur tauschen, der FC Liverpool und RB Salzburg. Denn der eine hat etwas, was der andere liebend gerne hätte. Liverpool war schon lange nicht mehr Landesmeister, und Österreichs Dauer-Titelträger würden ganz sicher gerne mal die Trophäe der Champions League berühren - auch wenn dies ein hässlicher, überdimensionierter Henkelpott ist, in den die Liverpooler im Mai die letzten Beulen schlugen. Zumindest eine Kopie bekommen die Salzburger wohl zu sehen, wenn sie am 2. Oktober in ihrem zweiten Gruppenspiel an Liverpools Anfield Road vorstellig werden dürfen.

Allein diese Reise sollte schon Trostpreis genug sein für alles, was die Kicker aus dem Red-Bull-Brause-Imperium zuletzt zu ertragen hatten. Galten sie doch über ein Jahrzehnt lang als Europas Fußball-Witz in der Endlosschleife: Elf Mal hatten die Salzburger versucht, sich in der Qualifikation zur Gruppenphase der Champions League zu behaupten - elf Mal waren sie gescheitert. Einmal sogar an F91 Düdelingen, dem Meister Luxemburgs. Nun also genießen sie eine Art Gnadenrecht: Die peinliche Quali durften sie sich sparen, Österreich lag in der Uefa-Fünf-Jahreswertung estmals so weit vorne, dass dem Meister ein fixer Startplatz zustand.

Außenseitergeschichten wie jene aus Salzburg werden im September in der Startphase erzählt, das Neue wird begrüßt, ehe die Großen dann mit Jahreswechsel in der zweiten Turnierhälfte gerne wieder unter sich sind. In der Vorsaison gab es eine willkommene, hoch spannende Ausnahme, weil sich Ajax Amsterdam und Tottenham Hotspur lange einmischen konnten, vorbei am strauchelnden Favoritenheer aus Barcelona und Madrid, Paris, Turin und München. Am Ende aber waren alle so erschöpft, dass das Finale im Schatten der Halbfinals stand, mit letzter Kraft und einem 2:0 kam Liverpool im Inselduell mit Tottenham ins Ziel. Weshalb die Männer vom River Mersey jetzt auch zu Hause in England die Frage verfolgt, was ihnen in dieser Saison wichtiger sein wird: die Titelverteidigung in Europa oder der Gewinn der Premier League, auf den sie seit 1990 warten.

Von all diesen großen und kleinen Dramen des Frühsommers hatten die Deutschen nicht mehr viel mitbekommen. Sportlich hatte sich Hoffenheim in der Vorrunde verabschiedet, für Schalke, Dortmund und den FC Bayern kam es kollektiv zum Achtelfinal-Knockout. Zudem rollte auf den Bildschirmen der Republik der Ball nicht, wenn man die Schirme nicht extra gegen Gebühr freigeschaltet hatte. Wer in der neuen Spielzeit alles sehen möchte, also nicht nur Bayern, den BVB, Leverkusen und Leipzig, sondern auch Liverpool gegen Salzburg, benötigt gleich zwei Abonnements, eines für Pay-TV auf Sky, eines für den ebenfalls kostenpflichtigen Streamingdienst DAZN. Aufgeteilt werden die Spiele zwischen beiden nach einem komplizierten Schlüssel.

Dass dieses Verfahren nicht der medial letzte Schluss sein kann, ist zumindest den Bundesligisten aufgefallen. Nach der Vorsaison beklagten Klubs und Sponsoren einen massiven Rückgang des Interesses. Nicht nur der FC Bayern hat deshalb bereits gefordert, sich im nächsten Medienvertrag mit der Europäischen Fußball-Union (2021 bis 2024) wieder jenen Verhältnissen anzunähern, die bis 2018 herrschten: Mindestens ein Spiel pro Runde wurde damals live im ZDF, also im Free-TV gezeigt. Die zehn Millionen, die im Schnitt zugeschaut hatten, bilden im Kern die Stammkundschaft, die heute fehlt. Und das sind jene, die wichtig sind für den Trikotverkauf. Die aber auch Chipstüten, Nüsse, Salzstangen und manchmal sogar - Schokolade beruhigt - eine Salzburger Mozartkugel kaufen.

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Quelle:
SZ vom 17.09.2019/jbe
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