FC Bayern in der Champions League:Spiel gewonnen, Thiago verloren

22 11 2017 Fussball UEFA Champions League 2017 2018 Gruppenphase 5 Spieltag RSC Anderlecht FC; Thiago

Es schmerzt: Thiago muss wohl monatelang pausieren.

(Foto: imago/MIS)

Von Christopher Gerards, Brüssel

Die Lage musste ernst sein, denn Hasan Salihamidzic wollte die grundsätzlichste aller Reporterfragen nicht beantworten: Woran hat es gelegen? Warum hatte der FC Bayern - vor allem in der ersten Halbzeit - derart große Mühe mit dem RSC Anderlecht? "Zu früh" zur Analyse sei es, sagte Salihamidzic nur und verwies auf die Begleitumstände dieses Mittwochabends: "Weil Thiago verletzt ist, bei Robben wissen wir es noch nicht." Auch auf die Situation in Bayerns Gruppe wollte er nicht näher eingehen. Es fehlte wahrscheinlich nicht viel, und der Sportdirektor des FC Bayern hätte zu einer mehrtägigen Staatstrauer aufgerufen.

2:1 (0:0) gewann der FC Bayern am Mittwochabend in der Champions League beim RSC Anderlecht, es hätte das Spiel sein können, in dem die Ersatzspieler etwas Einsatzzeit bekommen, in dem die Bayern ihre Chance auf Platz eins in der Gruppe wahren. Es war ja so: Anderlecht empfing die Münchner als statistisch schlechtestes Team des Wettbewerbs, mit null Punkten, null Toren, 15 Gegentoren. Doch am Ende dieser Dienstreise nach Brüssel begleiteten den FC Bayern ein paar ernste Sorgen. Das lag teils an der Spielweise, vor allem in der ersten Halbzeit. Aber es lag mehrheitlich daran, dass gleich zwei tragende Spieler mit Schmerzen vom Platz humpelten: Thiago und Arjen Robben.

Thiago fällt wohl mehrere Monate aus

"Sicher eine schwere Muskelverletzung" habe Mittelfeldspieler Thiago erlitten, sagte Salihamidzic, später wählte Trainer Jupp Heynckes dieselben Worte. Thiago hatte nach einem Duell mit Sven Kums am Boden gelegen, in der 43. Minute. Die Ärzte liefen aufs Feld, Thiago ging mit Schmerzen vom Platz, und Salihamidzic teilte mit, dass der Spanier "sicher länger" ausfalle, "wahrscheinlich mehrere Monate".

Thiago sei "von der Länderspielpause schon verletzt zurückgekommen", erklärte Heynckes auf der Pressekonferenz und bezog sich auf Spaniens Spiel gegen Russland. Gegen Augsburg hatte Thiago deshalb gar nicht erst mitgewirkt. "Anscheinend ist die Verletzung wieder aufgebrochen", sagte Heynckes nun. Dies allerdings wäre insofern merkwürdig, als Thiagos Verletzung eigentlich als Knieprellung gegolten hatte, nicht als Muskelverletzung.

Was Robben angeht, gab Heynckes derweil leichte Entwarnung. "Arjen Robben glaubt nicht, dass es ganz so schlimm ist", sagte Heynckes bei Sky, "für den Moment können wir uns keine Ausfälle mehr leisten, die Decke wird immer dünner."

Neuer verletzt, Ribéry verletzt, Müller verletzt, Rafinha angeschlagen, Coman angeschlagen - und nun weitere Spieler: Nach Lage der Dinge muss der FC Bayern mit reduzierter Belegschaft nach Mönchengladbach reisen. Das Spiel gegen Anderlecht zeigte bereits, dass selbst Jupp Heynckes nicht nach Lust und Laune rotieren kann; dass sich die Umbauten verheerend aufs Spiel auswirken können. Heynckes hatte Marco Friedl links hinten sein erstes Spiel fürs Profi-Team machen lassen; er hatte sowohl Sebastian Rudy als auch Arturo Vidal als auch Corentin Tolisso das Mittelfeldzentrum überlassen; er hatte Mats Hummels und Javi Martinez auf die Bank gesetzt. Und das Ergebnis war: In der ersten Halbzeit führte Anderlecht den FC Bayern regelrecht vor.

Die erste Halbzeit? "Ganz schlecht", sagt Boateng

Allein Lukasz Teodorczyk hätte drei Tore schießen können, scheiterte aber fortwährend an Torhüter Sven Ulreich. Die Bayern begingen ihrerseits derart viele Fehler, dass sich hinterher alle Beteiligten darauf einigten, dass die erste Halbzeit "nicht so gut" (Salihamidzic) bis "ganz schlecht" (Boateng) war. "Wir haben die Platzverhältnisse nicht angenommen, waren nicht aggressiv, wir standen zu weit auseinander", klagte Boateng, der selbst nach acht Minuten Anderlechts erste Chance ermöglicht hatte, mit einem Fehlpass. "Die zweite Halbzeit haben wir besser gespielt", sagte Boateng.

Es war fast bezeichnend, dass sich Bayerns Spiel erst besserte, als Martinez - einer der entscheidenden Profis unter Heynckes - nach 48 Minuten für den verletzten Robben kam. Tolisso, bis dahin sehr erfolgreich darin, seinen Sommerverkaufswert zu tarnen (mehr als 40 Millionen Euro), wechselte auf die rechte Seite. Von dort bereitete er Lewandowskis 1:0 vor (51.), dann traf er selbst zum 2:1 (77.). Zwischenzeitlich hatte Anderlecht den Ausgleich durch Soufiane Hanni gelang (63.)

Anfang Dezember treffen die Münchner auf Paris Saint-Germain, es ist der letzte Gruppenspieltag, Paris führt die Gruppe weiter mit drei Punkten Vorsprung an, nach einem 7:1 gegen Celtic Glasgow. Die Erwartungen an das Duell taugten am Mittwoch durchaus, um eine kleine Kontroverse auszulösen. Es gehe darum, Erster zu werden, fand Innenverteidiger Hummels: "Wir haben ein Spiel, in dem wir nichts verlieren können. Das hat man als Bayern München ganz selten, das genießen wir."

Während sich Jupp Heynckes nach dem 0:3 im Hinspiel (unter Carlo Ancelotti) eher zurückhaltend äußerte: "Ich denke, wenn man das Hinspielergebnis sieht und das Torverhältnis, wenn man ganz nüchtern die Tabelle betrachtet, dann kann man nicht sagen, dass es um den ersten Platz geht", sagte er: "Es ist für uns wichtig, das Spiel zu Hause positiv zu gestalten und hoffentlich zu gewinnen. Alles darüber hinaus wäre vermessen."

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