Champions League:Sevilla wird die Bayern-Spiele durchfeiern

Lesezeit: 4 min

So feierte der FC Sevilla im Mai 2016 seinen bisher letzten internationalen Triumph: Den Titel in der Europa League (Foto: Marca/imago)
  • Der FC Bayern hatte den FC Sevilla bisher nur ein einziges Mal zu Gast: Im September 1992.
  • Nun treffen die beiden Vereine im Viertelfinale der Champions League wieder aufeinander, Sevilla hatte sich die Bayern sogar als Gegner gewünscht.
  • Der Kader in Sevilla ist noch immer von einem geprägt, der den Verein vor einem Jahr verlassen hatte: Ramón Rodríguez Vermejo alias "Monchi".
  • Monchi hat Sevilla einst so umgekrempelt, dass der Klub zur dritten Kraft des Landes wurde.

Von Javier Cáceres

Als sie in der Nacht zum Mittwoch noch immer nicht ganz glauben konnten, dass sie das große Manchester United ausgeschaltet hatten, legten sich die Offiziellen des FC Sevilla ihren Wunschgegner fürs Viertelfinale der Champions League zurecht. Natürlich sehnten sie sich nach dem AS Rom von Ramón Rodríguez Vermejo alias "Monchi", der lange Jahre ihr Sportdirektor gewesen war und von dem noch die Rede sein wird. Und natürlich wollten sie dem FC Barcelona und Real Madrid aus dem Weg gehen, die hat man in Spaniens Liga fürchten gelernt. Als sie die Lage studierten, landeten sie daher rasch beim FC Bayern, den sie bisher nur ein einziges Mal zu Gast hatten: Im September 1992, als die argentinische Legende Diego Maradona nach seiner mehr als einjährigen Koks-Sperre in Sevilla als Zugang vorgestellt wurde, Spieler wie Lothar Matthäus und Mehmet Scholl standen damals Spalier. Am Freitag kam es dann tatsächlich wie gewünscht. Das Los führte Bayern und Andalusier endlich wieder zusammen.

Der Wunsch der Sevilla-Funktionäre speiste sich nicht aus Nostalgie, sondern aus der Besonderheit der Situation: Es ist das erste Mal seit 1958, dass der FC Sevilla im Viertelfinale des wichtigsten kontinentalen Wettbewerbs des Fußballs steht. Damals schied Sevilla gegen Alfredo Di Stéfanos Real Madrid nach einer 0:8-Hinspielpleite und einem 2:2 im Rückspiel aus. Und nun will man den größtmöglichen Glamour in der Stadt sehen - zumal die Spiele gegen die Bayern im April zwischen den beiden größten Feierlichkeiten Sevillas stattfinden: der Karwoche, in der ganz Spanien auf die ergreifenden Prozessionen mit den barock geschmückten Heiligenbildern blickt und des Todes Christi gedacht wird; und der "Feria", dem berühmten Frühlingsfest, auf dem das Leben gefeiert wird. Also getanzt und getrunken wird, als gäb's kein Morgen.

FC Bayern gegen Sevilla
:"Endspiel? Da wollen wir hin"

Im Viertelfinale der Champions League bekommt es der FC Bayern mit Sevilla zu tun - die Stimmung ist optimistisch. Trainer Jupp Heynckes aber mahnt. Und Jürgen Klopp trifft auf Pep Guardiola.

Dass es kein Morgen gäbe, das dachten sie vor knapp einem Jahr tatsächlich beim FC Sevilla: als der eingangs erwähnte Monchi ankündigte, sich nach Rom verabschieden zu wollen. Rund 17 Jahre lang hatte er seinen FC Sevilla so umgekrempelt, dass der Verein so etwas wie die dritte Kraft des Landes wurde - er war dort vor der Jahrtausendwende Torwart gewesen, hatte mit Maradona, Davor Suker, Diego Simeone und Toni Polster zusammengespielt.

Monchi ist noch immer omnipräsent

Zwar konnte Sevilla auch unter Monchi nie den zweiten spanischen Meistertitel nach 1946 gewinnen. Der Klub gewann aber 2007 und 2010 seine Pokale vier und fünf - und wurde vor allem zu einer kontinentalen Größe. Von 2006 an holte Sevilla fünfmal die (früher Uefa-Pokal genannte) Europa League; zuletzt unter dem heutigen Paris-St.-Germain-Trainer Unai Emery dreimal in Serie (2014, 2015, 2016).

Diese Erfolge waren vor allem dem klinischen Auge Monchis geschuldet, eines begnadeten Scouts und Kaderplaners. Er kaufte Spieler wie Dani Alves, Julio Baptista oder Seydou Keita günstig ein - und verkaufte sie für derart teures Geld, dass Sevilla heute als profitabel gilt. Monchi ist noch immer omnipräsent: Von den Spielern, die Manchester United besiegen konnten, hatte er acht entdeckt. Auch wenn seine Intervention nicht belegt ist, so gilt als sicher, dass er seinem ehemaligen Verein aus dem italienischen Exil zum jetzigen Trainer Vincenzo Montella riet. Dieser war einen Monat vor seiner Anstellung beim FC Sevilla, Ende 2017, beim AC Mailand entlassen worden.

Der Verpflichtung Montellas war die Entlassung des Argentiniers Eduardo Berizzo vorausgegangen. Berizzo scheiterte beim Versuch, seinen Landsmann Jorge Sampaoli, den heutigen Nationaltrainer Argentiniens, vergessen zu machen. Im Estadio Ramón Sánchez Pizjuán - 1982 die Stätte der "Nacht von Sevilla", des legendären WM-Halbfinales zwischen Deutschland und Frankreich - litt Berizzo darunter, dass der erste Kader nach Monchi am Anfang unausgeglichen wirkte (und es im Grunde heute noch ist).

Es fehlt ein echter Rechtsverteidiger, weshalb der gebürtige Außenstürmer Jesús Navas, Mitglied von Spaniens Weltmeistermannschaft von 2010, auf seine alten Tage umgeschult werden musste. Es fehlt ein defensiver Mittelfeldmann. Doch beim Spiel in Manchester wuchs der Franzose Steven N'Zonzi auf dieser Position über sich hinaus. Im Grunde fehlt auch ein klassischer Neuner, ein Zentralstürmer. Doch in Manchester stach der Franzose Wissam Ben Yedder als Einwechselspieler im Stile eines Auftragskillers zu und erzielte beide Tore zu einem 2:1-Sieg, der schon heute als ein Höhepunkt der Klubhistorie gilt. Und wer weiß, vielleicht sind auch die Anpassungsschwierigkeiten des dänischen Innenverteidigers Simon Kjaer überwunden. Auch er bot in Manchester eine perfekte Partie und legte die Basis dafür, dass Sevilla in Old Trafford das einzige Team war, das Fußball spielte.

Denn den Ball laufen lassen, das können sie ganz gut. Vor allem dank einer Passmaschine namens Éver Banega, der wie weiland sein argentinischer Landsmann Diego Maradona in Sevilla die Nummer 10 tragen darf. Banega hat in der laufenden Champions League 797 gelungene Pässe aufzuweisen - mehr als jeder andere Spieler der europäischen Königsklasse. Banega wird aber gegen den FC Bayern im Hinspiel wegen einer Gelbsperre fehlen.

In Sevilla werden sie insofern darüber hinwegsehen, als die Teilnahme am Champions-League-Viertelfinale als beglückend genug empfunden wird. In Spaniens Liga steht Sevilla auf Rang fünf und nicht nur 27 Punkte hinter Tabellenführer Barcelona, sondern vor allem elf Punkte hinter dem Tabellenvierten FC Valencia (aber immerhin zwei Plätze vor dem verhassten Stadtrivalen Betis Sevilla).

Das jetzige dürfte also auf mittlere Sicht das letzte Gastspiel in der Königsklasse sein. Doch selbst wenn Sevilla ausscheiden sollten ("Bayern ist der Favorit, eine der besten vier Mannschaften der Welt", sagt Trainer Montella) - titellos muss die Saison nicht zu Ende gehen: Der FC Sevilla steht im spanischen Pokalfinale. Allerdings gegen den FC Barcelona.

© SZ vom 17.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

FC Bayern
:Alle lieben Heynckes!

Der Trainer des Rekordmeisters wird zu Recht gelobt, allerdings kann in den kommenden Wochen der Wahrheit auch viel schiefgehen. Danach werden die Bayern klarer sehen.

Kommentar von Claudio Catuogno

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: