Champions League:Schalke lässt Real den Abgrund berühren

Grandios gespielt, gegen den großen Favoriten vier Tore geschossen - und trotzdem ausgeschieden: Schalke 04 versucht, die richtigen Schlüsse aus dem 4:3 gegen Real Madrid zu ziehen. Die Spanier werden von den heimischen Medien zerrissen.

Von Korbinian Eisenberger

Da stand Cristiano Ronaldo in dieser Nacht von Madrid, die Hände in die Hüften gestemmt. Er hatte jenen versteinerten Ronaldo-Blick aufgesetzt, den es zuletzt bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien zu bestaunen gab. Wesentlich vergnügter spazierte Klaas-Jan Huntelaar über den durchweichten Madrider Rasen. Der blaue Stoff des Schalker Trikots dürfte sich an diesem Abend besonders gut angefühlt haben für jenen Mann, den Real Madrid einst für nicht gut genug befunden hatte.

Zweimal hatte der Holländer den Ball an diesem denkwürdigen Dienstagabend an Real-Torwart Iker Casillas vorbei gezimmert - und es hatte trotzdem nicht gereicht. Der 4:3-Sieg bedeutete nach dem 0:2 im Hinspiel trotzdem das Aus für Schalke. "Wir haben ein Riesenspiel gemacht", sagte Kapitän Benedikt Höwedes, dem man wahrlich nicht ansah, dass sein Team gerade zum zweiten Mal hintereinander gegen Real Madrid vorzeitig aus der Königsklasse ausgeschieden war.

In der Tat erinnerte das Schalker Spiel im Stadion von Madrid so gar nicht an jene Mannschaft, die zuletzt stets darauf bedacht war, den eigenen Strafraum vor Ball und Gegnern zu schützen. Von Roberto di Matteos Mauertaktik, die wie beim 0:3 in Dortmund mitunter auch scheitert, war nichts mehr zu sehen. "Es war sicherlich ein gutes Spiel für die Zuschauer, wir haben super Fußball gespielt", sagte Di Matteo.

Seine Miene verzog er dabei nicht, aber das tat er selbst vor drei Jahren nicht, als er mit dem FC Chelsea in München die Champions League gewonnen hatte. "Wir haben gemischte Gefühle, wir haben tolle Tore geschossen, doch wir scheiden trotzdem aus", sagte er, dessen Mannschaft an diesem Abend an große Teams erinnerte, und so gar nicht an das Schalke 04 dieser Saison.

In der Tat hatte der Tabellenfünfte der Bundesliga den großen Favoriten am Rande der Niederlage. Nur ein einziges Tor fehlte in der Endbilanz. Madrid wirkte defensiv arg bröckelig - und so blieben Ronaldos Gesichtszüge das einzige, was an diesem Dienstagabend wie in Stein gemeißelt schien. "Wir haben vielleicht etwas zu leicht vor der Pause die Gegentore bekommen", sagte Schalkes Huntelaar. Mehr zu kritisieren fand auch er nicht.

Wie von einer großen Last befreit wirbelten die Jungspunde Max Meyer und Leroy Sané durch den Madrider Strafraum. Die beiden Schalker Eigengewächse ließen Iker Casillas und seine Vorderleute bisweilen wie Schulbuben aussehen. Christian Fuchs (20.), zweimal Huntelaar (40.) und Sané selbst (57.) bereiteten Reals Millionenensemble einen Abend, an dem sich Trainer Carlo Ancelotti eigentlich von den zähen Ligaauftritten seiner Elf entspannen wollte.

Zeitungen zerreißen Real

Spätestens als Huntelaar den Ball in der 84. Minute zum zweiten Mal über Casillas und unter die Latte hämmerte, da dürfte Ancelotti geahnt haben, dass das Zeitunglesen am nächsten Morgen beschwerlich werden könnte. "Wir haben einfach sehr, sehr schlecht verteidigt, mehr fällt mir nicht ein", sagte Toni Kroos, der zwar einmal mehr eine Passquote von über 90 Prozent erreicht hatte, damit aber nicht das indisponierte Stellungsspiel der Real-Außenverteidiger Fabio Coentrao und Alvaro Arbeloa kaschieren konnte.

Hätte Sané in der 91. Minute auch seinen zweiten Schuss im Netz untergebracht, Ancelotti hätte weitaus größere Sorgen gehabt, als die Mittwochs-Schlagzeilen am Kiosk. Doch als es schließlich 3:4 stand und Madrid zum zweiten Mal in seiner Vereinsgeschichte nach einem Auswärtssieg im Hinspiel das Europacup-Aus drohte, da entsann sich Iker Casillas seines Arbeitsauftrags. Mit mehreren Glanzparaden verhinderte er, dass die Zeitungen die Königlichen am Morgen danach zumindest nicht komplett zerrissen, sondern nur ein bisschen.

Nachdem 50 000 Madrider Fans ihre Viertelfinalisten am Dienstagabend mit gellenden Pfiffen in die Katakomben verabschiedet hatten, formulierten die heimischen Gazetten bereits ihre beißende Kritik. "Reals Defensive grenzte an Lächerlichkeit", schrieb die AS. Das "schlechteste Real dieser Saison" (El Mundo) habe "den Abgrund berührt" (Marca). Fast noch gnädig gingen die häufig martialisch textenden Autoren mit Carlo Ancelottis Team ins Gericht. Mit dem Gegner befassten sich Spaniens Zeitungen weniger. "Schalke lässt in den zehn Minuten das Publikum zittern", befindet die italienische Gazzetta dello Sport. Ganz schön "ins Schwitzen", hätten die Königsblauen die Königlichen gebracht.

So war das, und dennoch schaute der 19-jährige Leroy Sané etwas grimmig aus seiner Jacke. "Wir hätten ein oder zwei Tore mehr schießen können, wir sind enttäuscht, dass wir nicht weitergekommen sind, das ist sehr schade", sagte der Deutsch-Franzose. Schalke war zum dritten Mal in Serie im Champions-League-Achtelfinale ausgeschieden, und musste sich mit dem Preisgeld von 900 000 Euro für den Tagessieg abfinden. Und dennoch waren die 4000 mitgereisten Fans bis spät in die Nacht auf dem Puerta del Sol im Stadtzentrum von Madrid zu hören.

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