Champions League: Schalke 04:Jefferson, das Seehündchen

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Bei Champions-League-Achtelfinalist Schalke 04 spielt Jefferson Farfan eine gute Saison, gibt aber seinem Klub permanent Rätsel auf. Daran trägt auch Trainer Felix Magath eine gewisse Mitschuld.

Philipp Selldorf

In Jefferson Farfans Heimatstadt Lima macht Schalke 04 derzeit allerhand von sich reden. Es geht dabei nicht nur um den 26 Jahre alten Angreifer, dessen Wohlergehen die Leute in Peru stets interessiert, obwohl er wegen gewisser Vorfälle während seiner Freizeit seit Jahren von der Nationalelf ausgeschlossen ist.

Auch in Valencia eine der Schalker Hoffnungen: Jefferson Farfan. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Es geht vor allem um Farfans Kollegen Manuel Neuer, der "aus dem Schrank gekommen ist", wie in Peru höchst eindeutig berichtet wurde. Neuer hatte vorige Woche der Illustrierten Bunte gesagt, es sei für schwule Fußballer bestimmt besser, wenn sie sich öffentlich bekennen würden ("Da fällt doch eine Last ab").

Eine offenbar nicht ganz geglückte Übersetzung brachte allerdings die Meldung nach Südamerika, dass der deutsche Nationaltorwart selbst erklärt habe, homosexuell zu sein. "Auch der Fußball hat seinen Ricky Martin", informierte daraufhin ein peruanisches Internet-Organ in Erinnerung an den prominenten Sänger aus Puerto Rico, und fügte zur Beruhigung des Publikums hinzu: "Der Kumpel von Jefferson Farfan fürchtet keine Repressalien."

Dass besagtes Medium nicht immer auf der Höhe der wahren Begebenheiten ist, erschließt sich auch dadurch, dass es den Niederländer Ruud Gullit als letzten Fall eines bekennenden Schwulen in Europas Profifußball anführte. Noch eine Ente. Was aber nichts daran ändert, dass die Sache jetzt in Umlauf ist. Todo Noticias verbreitete in Argentinien: "Der Torwart hat gestanden und fühlt sich erleichtert." ABC Color berichtete in Paraguay: "Der Gay-Torwart bittet seine Kollegen, sich zu befreien."

Neuer wird mit den Falschmeldungen leben können, ihre Wirkung wird sich verflüchtigen, auch wenn das in Lima oder Buenos Aires vielleicht noch dauern dürfte. Anders ergeht es seinem Kumpel Farfan in Schalke, der den (inzwischen nach Italien ausgewanderten) Brasilianer Rafinha als Skandallieferanten abgelöst hat. Zuletzt hat ihn Bild als "Gierschlund" bezeichnet, die "Welt" sieht in ihm den "umstrittensten Profi der Bundesliga", als "Söldner" wird er sowieso überall bezeichnet bzw. diffamiert.

Farfan hat niemanden geschlagen, getreten oder beschimpft, aber ihm wird vorgeworfen, dass er Ende Januar durch erhebliche Extraforderungen den schon abgemachten Transferhandel zwischen Schalke und dem VfL Wolfsburg hat platzen lassen. Sportlich war dieses gescheiterte Geschäft für Schalke ein Segen, "Jeff ist einer unserer wichtigsten Spieler, er hat uns in dieser Saison vielleicht zehn, elf Punkte geholt", sagt Manuel Neuer. Finanziell allerdings ging einiges verloren: Angeblich 15 Millionen Euro. Nicht schlecht für einen Spieler, dessen Vertrag 2012 endet, und auf dessen Verbleib man nicht vertrauen kann.

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Jetzt ist Farfan für gewisse Teile der öffentlichen Meinung ein Synonym für das Schlechte am Menschen, und in der Schalker Mannschaft wundert man sich warum: Weil er für einen Vertrag mit Wolfsburg viel Geld wollte? Dieses Verlangen teilt er mit den meisten Fußballern, die ein Angebot des VfL erhalten. Mehr noch wundert man sich daher in Mannschaft und Klub, warum die Zentralgewalt Felix Magath nichts tut, um Farfan gegen Gerüchte und Kampagnen in Schutz zu nehmen. Nicht zuletzt ist der Stürmer wertvolles Vereinskapital.

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Magaths Farfan-Politik ist undurchsichtig und widersprüchlich wie so manches, was er in Schalke macht. Einerseits hat er den Angreifer gefördert und auch dann beharrlich aufgestellt, wenn sich Farfan nach den Aufenthalten in der Heimat wieder mal auf provozierende Weise schwer tat, pünktlich nach Gelsenkirchen zurückzufinden.

So hat Magath den Rechtsaußen zu einem Spieler gemacht, der konstant hohes Niveau hält.Andererseits macht der Trainer den Eindruck, dass er eben jenen Spitzenspieler lieber verhökert, als ihn für eine Zukunft auf Schalke zu begeistern. "Er ist ein zurückhaltender Mensch, er redet nicht so viel", sagt Magath über Farfan. Farfan würde Ähnliches wohl auch über Magath sagen, aber in der deutschen Öffentlichkeit kommt er mit eigenen Beiträgen nicht vor, er ist in der Tat eher schüchtern und verschlossen.

Offener wird er, wenn Besuch von zuhause kommt. Einer peruanischen TV-Reporterin hat er vor einigen Monaten sein deutsches Heim vorgeführt, inklusive sämtlicher Sportwagen und einem vergoldeten Kunsthandwerk, das seine Rückennummer enthält.

Jefferson Farfan, genannt "La Foquita", das Seehündchen, ist am Dienstag selbstredend dabei, wenn Schalke beim FC Valencia antritt. Es ist der Abend von Raúls Rückkehr in die Heimat, das hat auch in Spanien Interesse an Schalke geweckt. Mittelfeldspieler José Jurado ist von El Pais gefragt worden, ob sein allmächtiger Trainer gelegentlich auch laut werde in der Kabine, und Jurado antwortete: "Er schreit manchmal schon ganz gern - aber ich versteh nicht, was er sagt." Kommunikation bleibt in Schalke ein schwieriges Thema.

© SZ vom 15.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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