Marko Marin in Belgrad:Doch noch angekommen

Crvena Zvezda v Young Boys - UEFA Champions League Play Off: Second Leg; Marko Marin Roter Stern Belgrad

"Wir haben uns wie Champions-League-Sieger gefühlt", sagt Marko Marin nach der Qualifikation für die Königsklasse mit Roter Stern Belgrad.

(Foto: Getty Images)
  • Der frühere Nationalspieler Marko Marin spielt nach enttäuschenden Jahren und acht Vereinswechseln nun bei Roter Stern Belgrad.
  • Bei seinem Klub ist er Kapitän und so wichtig wie nirgends zuvor.
  • "Nach der Zeit, die schwer war in den Jahren davor, ist das jetzt schon ein Traum", sagt er.

Von Sebastian Fischer

Marko Marin muss es neulich wieder gespürt haben, dieses Gefühl, endlich zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Die Kameras hielten fest, wie er im Stadion in Belgrad auf die Knie sank, die Arme in die Luft streckte, um ihn herum seine jubelnden Mitspieler. Manche habe er an diesem Abend vor ein paar Wochen vor Freude weinen gesehen, sagt Marin, "wir haben uns wie Champions-League-Sieger gefühlt". Roter Stern Belgrad hatte sich mit einem 1:1 im Rückspiel gegen Young Boys Bern für die Champions League qualifiziert. Und er, der Kapitän und Spielmacher mit der Nummer 10, wusste um seine große Bedeutung für diesen Erfolg.

Marin, 30, wird am Mittwoch mit Belgrad beim FC Bayern Champions League spielen. Das könnte eine gewöhnliche Episode sein im Leben eines Fußballers, dessen Begabung seit mehr als einem Jahrzehnt bekannt ist, spätestens seit er 2008 sein erstes Länderspiel für Deutschland bestritten hatte. Doch es ist das Besondere an Marins Karriere, dass er so oft zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein schien, dass seine Begabung in Vergessenheit geriet.

Bremen, Chelsea, Sevilla, Florenz, Anderlecht, Trabzon - et cetera

Seit er 2012 die Bundesliga verließ und von Werder Bremen zum FC Chelsea wechselte, spielte er für sieben Klubs in sieben Ländern. Für die Nationalelf spielte er zum 16. und letzten Mal im Jahr 2010. "Nach der Zeit, die schwer war in den Jahren davor, ist das jetzt schon ein Traum", sagt er.

Um zu erklären, warum Marin gerade ein glücklicher Fußballer ist, beginnt man am besten mit einem Bild, das durchs Internet wanderte, nachdem er im Sommer 2018 von Olympiakos Piräus nach Belgrad gewechselt war. Es zeigt ihn als Kind in seiner Heimatstadt Frankfurt, neben Dragoslav Stepanovic, dem damaligen Coach der Eintracht. Marin, der im früheren Jugoslawien geboren wurde und mit seinen Eltern vor dem Krieg floh, trägt eine Kappe und ein Trikot von Roter Stern. Seine Freunde in Deutschland, erzählt er, hätten nichts anzufangen gewusst mit seinem und seines Vaters Lieblingsklub, dem Europapokalsieger der Landesmeister von 1991: "Es ist schon 'ne große Sache, dass der Verein jetzt wieder bekannt wird in Europa." Wieder bekannt für erfolgreichen Fußball, nicht nur für die seit Jahren in Europa wegen ihrer Gewaltbereitschaft berüchtigten Fans und für deren dubiose Verbindungen in die serbische Politik.

Schon im vergangenen Jahr spielte Roter Stern nach vier Qualifikationsrunden in der Champions League, besiegte sogar den FC Liverpool 2:0 - Marin bereitete beide Tore vor. In Serbien wurde er nach einer Saison mit sieben Treffern und 13 Vorlagen zum besten Spieler der Liga gewählt, sein Vertrag wurde bis 2021 verlängert. "Er ist jemand, der sehr schnell die Herzen aller Fans gewonnen hat. Ich kann frei sagen, dass Roter Stern lange Zeit keinen Spieler seiner Qualität hatte", sagte danach Belgrads Sportlicher Leiter Mitar Mrkela.

Tiefpunkt aller Tiefpunkte

Aber Marin weiß auch, dass es die schwierigen Jahre waren, die ihn nach Belgrad führten: "Wäre das alles nicht passiert, wäre ich wahrscheinlich nie hier gelandet." Als seine Bundesligakarriere 2008 bei Borussia Mönchengladbach so richtig begann, sagte Manager Max Eberl: "Marko wird ein Großer. Er hat diese Extraqualität." Vier Jahre später sagte Klaus Allofs, damals sein Manager in Bremen: "Markos Entwicklung war nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben." Sehr überraschend wechselte er 2012 zu Champions-League-Sieger Chelsea - und es war kurios, dass er in England wegen seiner eleganten Technik und der Körpergröße von 1,70 Meter als "German Messi" angekündigt wurde. Marin spielte für Chelsea nur 16 Mal.

Während der WM in Russland 2018 waren seine einstigen Chelsea-Kollegen Didier Drogba und Frank Lampard TV-Experten für die BBC. Sie sprachen über den famosen Belgier Kevin De Bruyne, der Chelsea 2012 als Talent verlassen hatte - wegen der großen Konkurrenz, erklärte Lampard und zählte ein paar Spieler aus dem Kader auf. Bis Drogba mit einem Grinsen auch den Namen Marin einwarf. Beide lachten.

Viermal wurde Marin von Chelsea verliehen, zum FC Sevilla, zum AC Florenz, zum RSC Anderlecht und in die Türkei zu Trabzonspor. "Ich habe auch Zeitung gelesen. Da war die Rede vom Tiefpunkt, dann vom Tiefpunkt aller Tiefpunkte. Ich weiß gar nicht, ob's noch weiter runterging", sagt Marin, er selbst sah es naturgemäß etwas anders. In Sevilla gewann er als Ergänzungsspieler wie schon mit Chelsea die Europa League. In Florenz war er zu Beginn verletzt und blieb nur die Hinrunde. "Fehler habe ich gemacht, auf jeden Fall", sagt er. In der Rückrunde in Anderlecht "war's wirklich eine ganz schlechte Zeit".

Erst in Trabzon spielte er 2015 mal wieder fast eine ganze Saison lang in der Startelf und blieb gesund. Das war der Wendepunkt, meint Marin. Er ging weiter nach Piräus, erstmals seit 2012 nicht zur Leihe, wurde 2017 griechischer Meister. Und bald folgte der achte Wechsel: "Mit Abstand der schönste, was die Seele betrifft."

Vom Flügelstürmer wurde er zum Spielmacher und Kapitän

Wenn man ihn fragt, warum er nun so gut spielt, nachdem die vermeintlich besten Jahre an ihm vorbeizuziehen schienen, und was er gelernt hat aus der Zeit, in der ihn zu hohe Ambitionen trieben, dann sagt er: "Geduld zu haben". Nach Verletzungen, nach schlechten Spielen, nach Spielen auf der Bank. Nicht gleich wieder etwas verändern zu wollen, wenn es nicht läuft.

Auch spielerisch hat er sich entwickelt. "Dribbelkünstler und Flügelflitzer. Folgt mir, wenn ihr schnell genug seid!", so steht es in seinem Twitter-Account, was auch auf ein gesundes Selbstbewusstsein hinweist. Marin dribbelte schon immer versiert, manchmal etwas zu viel. "Ich bin nicht mehr der Außenstürmer, der den Ball nimmt und unbedingt das Eins-gegen-eins sucht", sagt er nun; die Spielmacherposition liege ihm sehr. Seit Juli hat er kein Ligaspiel bestritten, aber diesmal macht er sich keine Sorgen. Er wurde auch wegen einer leichten Verletzung für den Europapokal geschont. Er ist eben inzwischen ein wichtiger Spieler.

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