Champions League: Real vs. Barcelona:Verlängerung im Gerichtssaal

Nach ihrem wilden Champions-League-Duell verklagen sich Real Madrid und der FC Barcelona gegenseitig. Spaniens Nationaltrainer fürchtet gar Auswirkungen auf sein Nationalteam.

Javier Cáceres, Madrid

Die Überdosis an Klassikern zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona wird nach dem vierten Duell in 18 Tagen, dem Halbfinal-Rückspiel in der Champions League am kommenden Dienstag, noch eine weitere Fortsetzung finden: in den Gerichtssälen der europäischen Fußballunion Uefa.

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Nächste Runde: Carles Puyol, José Mourinho und Cristiano Ronaldo (von links).

(Foto: AFP)

Wie Real Madrid am Freitag mitteilte, habe man den FC Barcelona wegen "wiederholten unsportlichen Verhaltens" angezeigt. Die Spieler des katalanischen Traditionsvereins hätten andauernd Angriffe von Real-Spielern simuliert, um den Schiedsrichter Wolfgang Stark zu Fehlentscheidungen zu verleiten.

Gleichzeitig wurden die Verschwörungstheorien von Trainer José Mourinho ausdrücklich in Schutz genommen. Mourinho habe bei der Pressekonferenz nur sein Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen. Mourinho hatte Stark mehr oder weniger unterstellt, im Halbfinal-Hinspiel am Mittwoch bloß ausführendes Organ eines Uefa-Komplotts gegen Real gewesen zu sein. Stark habe für Barcelona gepfiffen.

Zuvor hatte der FC Barcelona beschlossen, Mourinho vor die Disziplinarkommission der Uefa zu zerren. Mit seinen Äußerungen habe Mourinho "alle Grenzen des Tolerierbaren überschritten". Mourinho hatte unter anderem gesagt, dass er sich anstelle seines Barcelona-Kollegen Josep Guardiola schämen würde. Barças Champions-League-Sieg 2009 sei auf ebenso schmutzige Weise zustande gekommen wie der nun wahrscheinliche Einzug ins Finale von Wembley.

Nach Ansicht der Rechtsabteilung des FC Barcelona gehen diese Einlassungen über bloßes schlechtes Verlieren hinaus. Mourinho sei verdächtig, "den guten Ruf des Fußballs in Verruf zu bringen". Dies sei nach Artikel 5 der Uefa-Statuten strafbar. "Es ist nicht hinnehmbar, dass unsere Titel und unsere Beziehung zu Unicef infrage gestellt werden", sagte ein Sprecher des Barça-Präsidiums. Mourinho hatte unter anderem gemutmaßt, dass Barcelona bevorzugt werde, weil es Trikotwerbung für das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen mache.

Am Freitag beharrte Mourinho mit ironischen Anspielungen auf seinen Vorwürfen. "Wie schön es doch wäre, mal elf gegen elf zu spielen", sagte er zum Europa-League-Finaleinzug seines früheren Klubs Porto. Zur Klage Reals vor der Uefa gegen Barcelona sagte er: "Bilder sagen mehr als Worte." Damit spielte er auf die Szene an, die zur roten Karte gegen Real-Profi Pepe führte. In einer Superzeitlupe der Attacke gegen Dani Alves ist zu erkennen, dass Pepe den Barça-Verteidiger nicht trifft, als er ihn mit gestrecktem Bein attackiert.

Gleichwohl krümmte sich Alves, als ob ihn ein Blitz am Schienbein getroffen hätte. "Schummler", titelte die Zeitung Marca ganzseitig, die vom Hofblatt Real Madrids zum publizistischen Arm Mourinhos mutiert: Nur wenige Kolumnisten durften Mourinhos Taktik und Ausreden kritisieren, dafür wurde seine Verschwörungstheorie seitenlang unterfüttert, mit teilweise hanebüchenen Hinweisen und Polemik.

Diskussion um Stark

Schiedsrichter-Kolumnist Rafa Guerrero, ein früherer Linienrichter, durfte wieder ganzseitig Ahnungslosigkeit und Blindheit unterstellen; dafür wurde in einer nur sehr kleinen Meldung versteckt, dass die Mehrzahl der spanischen Schiedsrichter der ersten und zweiten Liga bei einem Treffen mehrheitlich der Ansicht waren, dass ihr deutscher Kollege Stark eine richtige Entscheidung traf, als er Pepe vom Platz stellte.

Stark selbst bekam, wie am Freitag bekannt wurde, das giftige Ambiente in Madrid fast am eigenen Leibe zu spüren. Das Internet-Portal sportyou berichtete, der Schiedsrichter und seine Kollegen seien in der Nacht beim Verlassen eines Restaurants von Real-Fans erkannt und bepöbelt worden. Nur das Eingreifen der Kellner habe verhindert, dass Stark und seine Begleiter auch tätlich angegriffen wurden.

Mourinho muss zurzeit aber ausnahmsweise auch innenpolitisch tätig werden. Er hat Stürmer Cristiano Ronaldo nicht für das Spiel gegen Real Saragossa nicht berufen; Ronaldo hatte nach dem Spiel gesagt, dass ihm die defensive Einstellung der Elf auch nicht gefalle. "Aber ich richte mich nach dem, was die Mannschaft von mir verlangt."

In der Partie vom Mittwoch schlug sogar Barcelonas Torwart mehr gute Pässe (24) als jeder einzelne Spieler Real Madrids. Mourinho sagte lediglich, Ronaldo könne sagen, was er wolle. Auf die Frage, ob er irgendeine Verantwortung an der Niederlage trage, sagte der Portugiese: "Null."

Einem gefallen die ganzen Debatten überhaupt nicht: Vicente del Bosque, dem Nationaltrainer. Er fürchte, das Hass-Klima könne negative Auswirkungen auf das Binnenverhältnis im Nationalteam haben.

Erste Folgen sind angeblich schon im Internet zu besichtigen: Barcelonas Piqué und Madrids Sergio Ramos sollen ihre "Twitter"-Freundschaften gekündigt haben.

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