Real Madrid schlägt City:Sie nennen es Magie

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Sie haben es schon wieder geschafft: Karim Benzema (links) und Real Madrid stehen im Finale der Champions League. (Foto: David Ramos/Getty Images)

Kein Wunder ist zu groß, als dass Real Madrid es nicht schaffen könnte: Kurz vor Ende der regulären Spielzeit wenden die Spanier eine Niederlage gegen Manchester City ab - und ziehen mit dem 3:1 ins Finale der Champions League ein.

Von Javier Cáceres, Madrid

Es gibt nichts Verlässlicheres als den Irrwitz, der sich in dieser Saison im Estadio Santiago Bernabéu Bahn bricht. Kein Wunder ist zu groß, als dass es nicht im Bereich des Möglichen einer Mannschaft namens Real Madrid sein könnte. Am Mittwochabend lag der frisch gekürte spanische Meister am Boden. Nach dem 3:4 aus dem Hinspiel gegen Manchester City prangte auf der Anzeigentafel des Bernabéu ein 0:1 für Manchester City, und es lief die 90. Minute. Was dann geschah? Ein Wunder, wie man es in dieser Saison schon ein paar Mal gesehen hatte.

Der eingewechselte Stürmer Rodrygo traf in der 90. Minute zum Ausgleich, erzwang keine 60 Sekunden später durch seinen Kopfballtreffer zum 2:1 die Verlängerung. Und in der Verlängerung traf Karim Benzema in der 95. Minute per Strafstoß zum 3:1 - nachdem der Referee Daniele Orsato einen Foulelfmeter dekretierte, der mindestens umstritten war. Denn ob City-Verteidiger Rubén Dias den Stürmer Benzema wirklich traf? Das konnte man auch anders sehen. Den Madrilenen war das einerlei. Sie nennen derlei: Magie. Und sie freuen sich daran, dass sie im Endspiel nun am 28. Mai auf den FC Liverpool treffen - so wie 1981 in Paris und 2018 in Kiew.

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Es war ein Spiel, das in seiner Schlussphase voll und ganz den Erwartungen eines Stadions entsprach, das nach Raserei gedürstet hatte. Oder: nach einem Spiel, das einer Abfahrt von einem Hang mit 45prozentiger Steigung anmutet.

Anfangs roch das Spiel eher nach Schaumwein denn nach Bier

Lange vor dem Spiel fanden sich die härtesten unter den Fans in Concha Espina zusammen, einer der Anliegerstraßen des derzeit im Umbau befindlichen Estadio Santiago Bernabéu, und zündeten Rauchtöpfe und Bengalos. Doch was sie dann zunächst geboten bekamen, war ein Spiel, das eher für die teuer gekleideten Ehrengäste gedacht zu sein schien. Zum Beispiel: die Tennisprofis Rafael Nadal und Novak Djokovic, die gerade in Madrid das Open spielen, oder den Rennfahrer Carlos Sainz. Es war eine Partie, die weniger nach Bier roch als nach Schaumwein.

Was wäre ohne ihn gewesen? Rodrygo (links) beförderte sein Team in letzter Minute in die Verlängerung. (Foto: Carl Recine/Action Images via Reuters)

Das lag auch an City, der Mannschaft, die im Hinspiel der Vorwoche einen 4:3-Sieg errungen hatte. Sie spielten nicht nur mit dem Ball und trachteten von Beginn an danach, ihn möglichst lange in ihren Reihen zu halten. Sie dehnten jede Spielunterbrechung, solange es irgend möglich war. Und ließen sich nur einmal dazu hinreißen, den Anstand zu verlassen. Als noch keine zehn Minuten zu spielen waren, kam es nach einem Foul von Casemiro an Kevin De Bruyne - der Brasilianer sprang dem Belgier von hinten in die Beine - zu einer so genannten Rudelbildung. Aymerick Laporte stieß Luca Modric um, was der italienische Referee Orsato mit Gelb für beide Kontrahenten ahndete. Casemiro kam, oh Wunder, ungestraft davon. Wobei Orsato dazu neigt, Verwarnungskarten nur im Fall von Waffengewalt zu verteilen.

Die Partie erinnerte zu diesem Zeitpunkt an den Bolero von Ravel. Man hörte es Knistern, und es stand zu vermuten, dass es zu einem Crescendo kommen würde. Oder kommen müsste. Die ersten Torgelegenheiten gehörten den Madrilenen. Karim Benzema verzog zweimal aus aussichtsreicher Position (5./12.), dann rutschte Außenstürmer Vinícius der Ball im Strafraum über den Spann. Erst danach antwortete das eine Spur zu kontrolliert auftretende City. Madrids Torwart Courtois rettete gegen Bernardo Silva (20.) genauso glänzend wie 20 Minuten später bei einem Fernschuss von Phil Foden. Zwischendrin ließ der übrigens auffällig gute Toni Kroos mit einem gefährlichen Freistoß aufhorchen (27.). Der Ball strich abgefälscht nur knapp am City-Tor vorbei.

Der eingewechselte Rodrygo wird zum Spieler des Abends

Der Beginn der zweiten Halbzeit gehörte Madrids Vinícius, und er bestätigte alle Vorurteile, die stets einen Schatten über ihn werfen. Vor allem in der 46. Minute, als Madrids Rechtsverteidiger Carvajal durchgebrochen war und ihm den Ball servierte: Vinícius traf das leere Tor nicht. Später verhaspelte er sich. Und das wurde Madrid - zunächst - zum Verhängnis.

Musste von draußen zusehen, wie sein Team den Finaleinzug verspielte: Pep Guardiola. (Foto: Manu Fernandez/AP)

Denn: Zur 70. Minute nahm Guardiola einen Wechsel vor, der dem Spiel seiner Mannschaft eine größere Konsistenz verlieh. DFB-Nationalspieler Ilkay Gündogan kam für den unter seinen Möglichkeiten agierenden Kevin De Bruyne. Es dauerte keine drei Minuten, bis Gündogan die gleiche Frequenz des bis dahin brillanten Bernardo Silva fand. Mit einem wundervollen Pass deaktivierte Gündogan das Pressing der Madrilenen - und fand Silva so allein, dass der Portugiese noch fünf, zehn Meter laufen konnte, ehe er den Ball auf Mahrez herauslegte.

Der Algerier überwand Courtois mit einem Traumschuss aus spitzem Winkel. Doch dann kam die verrückte Schlussphase. Der eingewechselte 100-Millionen-Mann Jack Grealish verpasste gleich zweimal die Entscheidung , und City verlor die Kontrolle. Der ebenfalls eingewechselte Real-Flügelmann Rodrygo traf in der 90. zum Ausgleich - und in der ersten Minute der Nachspielzeit zum 2:1. Ein Wahnsinn, wie gesagt, der durch den Elfmeter für Madrid in der fünften Minute der Verlängerung noch einmal getoppt wurde.

Der Rest der Partie war vor allem: Abwehrschlacht. Guardiolas City-Mannschaft lief gegen die Uhr und das Ergebnis an, voll banger Hoffnung, und Real-Trainer Ancelotti leistete sich die Kühnheit, Benzema auszuwechseln. Von den feinen Automatismen war bei City nun kaum mehr etwas zu sehen, auch Professor Pep konnte nicht verhindern, dass nun der wilde Zufall mitstürmte. Es reichte nicht mehr. Manchester City hatte es am Ende wieder nur fast geschafft, und Real hatte es wieder getan.

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