Champions League: Real Madrid:Mach et, Sergio

Kurioser Vorwurf an José Mourinho: Beim Spiel in Amsterdam soll der Real-Trainer zwei Spieler zu Platzverweisen angestiftet haben - wie es Erich Rutemöller einst im DFB-Pokal mit Frank "Otze" Ordenewitz getan hatte. Die Uefa prüft den Vorfall.

Javier Cáceres

Es soll, berichten Teilnehmer, ziemlich hoch hergegangen sein auf dem Rückflug der Ausflugsgemeinschaft Real Madrid. Ein Champions-League-Spiel hatte das Team von Trainer José Mourinho nach Amsterdam verschlagen, und wenn sich die Heimreise dem größeren Teil der Fluggäste ins Gedächtnis eingebrannt hat, so lag das daran, dass intensiv über die Partie in der Amsterdam-Arena debattiert wurde.

Champions League: Real Madrid: Gesprächsbedarf: Real-Trainer José Mourinho (rechts) mit Reservekeeper Dudek.

Gesprächsbedarf: Real-Trainer José Mourinho (rechts) mit Reservekeeper Dudek.

Weniger über die beeindruckenden Begleitumstände des famosen 4:0-Sieges, auch nicht über den akrobatischen Hackentrick des Deutschen Mesut Özil, der das 1:0 mit einem aus der Schwebe geschlagenen Absatz-Pass auf den Franzosen Karim Benzema vorbereitet hatte, und auch nicht über den abschließenden Strafstoß, der von Özil herausgeholt und von Cristiano Ronaldo verwandelt wurde.

Debattiert wurde über eine Reihe von Sequenzen, die Mourinhos Fama als Machiavelli im Designerlook neu befeuerten. Denn nach menschlichem Ermessen ist nicht zu bezweifeln, dass Mourinho - als Reals Gruppensieg feststand - seine Spieler Xabi Alonso und Sergio Ramos dazu anstiftete, ihre eigenen Platzverweise zu provozieren, was in der 87. und in der 91. Minute gelang.

Es war die spanische Variante des deutschen "Mach et Otze!" - jener berühmten Geschichte, in der sich der Stürmer Frank Ordenewitz im DFB-Pokal-Halbfinale 1991 vorsätzlich einen Platzverweis organisiert hatte, unterstützt von Trainer Erich Rutemöller, der später geständig war.

Sowohl Xabi Alonso als auch Ramos hatten in der Partie gegen Ajax jeweils die zweite gelbe Karte im laufenden Wettbewerb gesehen. Nach geltendem Reglement hätten sie diese in die K.o.-Runde mitgenommen, bei der nächsten Verwarnung wären sie für ein Spiel gesperrt worden. Durch ihre gelb-roten Karten aber müssen sie im letzten, sportlich bedeutungslosen Gruppenspiel gegen Auxerre zwangspausieren - in die K.o.-Runde gehen sie dann mit einer Vorbelastung, die nur aus einer gelben Karte besteht. Demnach wäre ausgeschlossen, dass Ramos oder Xabi Alonso das Achtelfinal-Rückspiel wegen Gelb-Sperren verpassen.

Dudek, der Flüsterer

Natürlich leugneten alle Beteiligten vehement, dass die Karten provoziert gewesen sein könnten. Der Verdacht war jedoch sofort aufgekommen. Auf den Fernsehbildern ist zu sehen, wie sich Mourinho in der 73. Minute, beim Stand von 3:0, intensiv mit Chendo auseinandersetzte, einem früheren Profi Reals, der heute als Teambetreuer wirkt.

Champions League: Real Madrid: Dann plötzlich: Gesprächsbedarf zwischen Reservekeeper Dudek (rechts) und Real-Torwart Casillas.

Dann plötzlich: Gesprächsbedarf zwischen Reservekeeper Dudek (rechts) und Real-Torwart Casillas.

Was sie besprachen, war von den sonst vorzüglich arbeitenden Lippenlesern der spanischen TV-Sender nicht zu entschlüsseln: Chendo und Mourinho unterhielten sich hinter vorgehaltener Hand. Vermutet wird, dass Mourinho sich bei Chendo rückversicherte - über die Namen der mit Gelb vorbelasteten Profis und das Reglement.

Wenig später rief Mourinho Ersatztorwart Jerzy Dudek zu sich - aber nicht, um diesen "psychologisch zu bearbeiten", wie ein spanischer TV-Kommentator phantasierte. Sondern offenkundig, um dem polnischen Keeper Instruktionen zu geben. Dudek lief hinters Tor, rief Torwart Iker Casillas an einen Pfosten, übergab ihm eine Trinkflasche und bearbeitete ihn verbal, woraufhin Casillas zu Ramos lief und diesem ins Ohr flüsterte. Was?

Nun, sagte Casillas später einem Reporter: "Das war wegen dieser Angelegenheit mit diesen Sachen." Wie bitte? Nun, fuhr Casillas fort, Dudek sei gekommen, um "es mir zu sagen, und deswegen habe ich das meinen Kameraden weitererzählt". Eine Ausflucht, die einem Geständnis glich. Der Reporter hakte nicht nach, sondern gab sich damit zufrieden, dass Casillas ergänzte, die Angelegenheit mit diesen Sachen sei "gut gelaufen".

Folgenlose Posse?

Champions League: Real Madrid: Die Folge: Real-Verteidiger Sergio Ramos sieht Gelb-Rot.

Die Folge: Real-Verteidiger Sergio Ramos sieht Gelb-Rot.

(Foto: AP)

Mourinho mimte derweil den Griesgram, was er auch ohne äußere Anlässe ganz gut beherrscht. Als seine Spieler vom Platz gestellt waren, feuerte er demonstrativ eine Wasserflasche auf den Boden. Und hinterher versicherte er, wie sehr ihm diese Hinausstellungen missfielen; der Schiedsrichter habe in einem Spiel, das keine Karten verdient habe, viel zu viele gezückt. Selten so gelacht.

Dass die Spieler später die Mourinho-Version stützten - geschenkt. Casillas sagte nach dem Duschen plötzlich, Dudek habe ihm nur eine Flüssigkeit reichen wollen, er habe am Vorabend bekanntlich Magen-Darm-Probleme gehabt. Und Ramos leugnete vehement, von Mourinho instruiert worden zu sein. Immerhin sagte er, dass alle frei seien zu denken, was sie wollten.

Ob diese Posse folgenlos bleiben kann? Die Uefa prüfte am Mittwoch den Schiedsrichterbericht und wollte dann entscheiden, ob sie ein Verfahren gegen die Real-Spieler einleitet. Vor zwei Jahren, als sich Lyons Profis Juninho und Cris in einem Champions-League-Spiel die nötigen Platzverweise besorgten, bekamen sie eine Geldstrafe von 10000 Euro aufgebrummt. Wie abschreckend diese milde Strafe war, hat in Amsterdam jeder sehen können.

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