Champions League:Courtois krönt Real Madrid

Das Team von Carlo Ancelotti gewinnt 1:0 gegen den FC Liverpool und holt den 14. Champions-League-Titel seiner Geschichte - dank einer gnadenlosen Effizienz und ihres ungeheuerlichen Torhüters.

Von Javier Cáceres, Paris

Am Vorabend des Champions League Finales sagte Carlo Ancelotti einen Satz, der einschüchternd wirken sollte. "In den schwierigsten Momenten dieser Saison hat uns die Geschichte dieses Klubs geholfen", sagte der italienische Trainer von Real Madrid. Mit der Geschichte meinte er die 13 Champions-League-Titel, die Real Madrid bis zum Samstag gewonnen hatte, und dem spanischen Rekordmeister so viel Größe verliehen hat, dass Neureiche wie Paris Saint-Germain, FC Chelsea und Manchester City auf der Strecke blieben.

Am Samstag, im Stade de France, stand den Madrilenen eine Mannschaft mit einem stark verästelten Stammbaum gegenüber: der FC Liverpool von Jürgen Klopp, der sechs europäische Königsklassentitel aufzuweisen hat. Aber: Es siegte Real Madrid, nach Art des Hauses. Das heißt: mit 1:0 - und ohne sich groß darum zu kümmern, das Endspiel mit fußballerischer Eleganz zu prägen, sondern durch gnadenlose Effizienz in beiden Strafräumen.

Den Siegtreffer erzielte Vinícius Jr., doch der wahre Matchwinner war: Thibaut Courtois. Was für ein ungeheuerlicher Torwart dieser Belgier doch ist. Er sicherte seinem Klub mit diversen Glanzparaden nicht nur den 14. Titel im größten Wettbewerb des Vereinsfußballs - sondern verwandelte seinen Trainer Carlo Ancelotti in den ersten Coach überhaupt, der die Champions-League-Trophäe zum vierten Mal gewinnen konnte.

"Ob ich schon mal so eine Torwartleistung gesehen habe? Ja, von Courtois!", sagte Ancelotti. "In Paris würde man sagen: Ici c'est Real Madrid." Zu Deutsch: Dies ist Real Madrid. Es war außerdem das achte Mal in Serie, dass Real ein Champions-League-Finale gewonnen hat. Das letzte verlorene Endspiel: 1981 gegen den FC Liverpool.

Diebstähle, geschlossene Eingänge, rabiate Polizei - das Endspiel beginnt mit Verspätung

Das Spiel begann mit eine 37-minütigen Verzögerung. Der Grund: Vor den Toren des Stadions war es zu chaotischen Szenen gekommen. Eine nicht zu beziffernde Zahl an Fans ohne Tickets versuchte laut Uefa, ins Stadion zu gelangen. Dabei handelte es sich sowohl um Fans des FC Liverpool wie auch um Jugendliche aus Paris. Es kam offenkundig zu zahlreichen Handydiebstählen - viele Zuschauer hatten ihre Karte aufs Telefon geladen. Die Sicherheitskräfte waren komplett überfordert. Die Polizei ging mit Gewalt, unter anderem mit Pfefferspray, gegen die Eindringlinge vor. Um der Lage Herr zu werden, wurden die Zugänge zum Stadion kurzfristig geschlossen. Unklar war, wie viele Menschen ohne Eintrittskarte es bei Anpfiff bis ins Innere des Stade de France geschafft hatten, als Raúl und Ian Rush, Legenden von Real Madrid und des FC Liverpool, den Henkelpott ans Spielfeld trugen. Es waren offensichtlich einige.

Champions League: Marcelo stemmt den Pokal.

Marcelo stemmt den Pokal.

(Foto: Manu Fernandez/AP)

Die Aufstellungen bargen keiner Überraschungen. Die größte Unsicherheit kreiste um Liverpools Thiago, der in der vergangenen Woche die letztlich unberechtigte Sorge gehabt hatte, sich einen Muskelfaserriss zugezogen zu haben. Beim Aufwärmen schien er neuerlich Beschwerden zu verspüren. Am Ende konnte er spielen. Und hatte einen großen Anteil daran, dass Liverpool eine erste Halbzeit dominierte, die in heller Aufregung endete.

Benzema trifft - aber das Tor aus einer undurchsichtigen Szene heraus zählt nicht

Liverpool sah sich einem Gegner gegenüber, der sich tief und strategisch gut verteidigte - und darunter litt, dass Luka Modric im Grunde aus dem Spiel genommen wurde. Die Last, dem eigenen Spiel Struktur zu geben, trug vor allem Toni Kroos. Chancen gehörten in der ersten Halbzeit nahezu ausschließlich den Reds. Allein Salah kam zu drei gefährlichen Abschlüssen (16./17./34.). Die beste Gelegenheit aber gehörte Sadio Mané, der beim FC Bayern im Gespräch ist. Er zog nach 21 Minuten aus 15 Metern ab, doch Reals Torwart Courtois lenkte den Schuss mit einer Glanzparade an den Pfosten. Kurz vor der Halbzeit aber folgte der Aufreger. Denn ein Tor von Real Madrids Kapitän Karim Benzema wurde wegen einer schwer zu deutenden Abseitsstellung annulliert.

Champions League: Thibaut Courtois pariert den Versuch von Sadio Mané

Thibaut Courtois pariert den Versuch von Sadio Mané

(Foto: Matthias Hangst/Getty Images)

Benzema hatte den Ball im Strafraum vom Himmel gepflückt und Liverpool Torwart Allison mit einer Körpertäuschung aus dem Gleichgewicht gebracht. Seinen Rückpass versuchte Valverde zu Benzema zurückzuspielen, doch für Verwirrung sorgte, dass ihm das nur gelang, weil zwei Liverpool-Spieler am Ball waren, ehe der Ball wieder beim Franzosen landete. Diese Berührungen wurden aber als unkontrollierter Abpraller gewertet - die Annullierung des Tores hatte damit auch nach der Prüfung durch den Videoschiedsrichter Bestand.

Nach der Pause brachte sich Real Madrid stärker ins Spiel ein - und sah dieses Engagement durch den Treffer von Vinícius Jr. gekrönt. Casemiro hatte Federico Valverde auf der rechten Außenbahn auf die Reise geschickt; und da der Uruguayer nicht angegriffen wurde, hatte er ausreichend Platz und Ruhe, um den Ball scharf hereinzugeben. Er fand nicht Benzema - aber am zweiten Pfosten Vinicius Jr., der den Ball nur ins leere Tor drücken musste.

Courtois hält alles - und löst bei Liverpool Wut und Zorn aus

Liverpool war somit gefordert, und baute darauf, in den vergangenen Wochen die eine oder andere Aufholjagd gemeistert zu haben. In fünf der letzten sechs Pflichtspiele hatte das Team von Jürgen Klopp nach Rückstand noch gewonnen. Aber: In keinem dieser Spiele stand Courtois im gegnerischen Tor. Und am Samstag war er ein unglaublicher Gigant. Er rettete mit zwei herausragenden Paraden gegen Salah. Zunächst lenkte er einen mit wundervollem Effet getretenen Schuss aus 20 Metern ab, der eine perfekte Flugbahn gezeichnet hatte (64.). Dann eilte er nach einer Kopfballablage des eingewechselten Diogo Jota vom rechten zum linken Pfosten und war mit einer Fußabwehr zur Stelle, die jedem Handballtorwart alle Ehre gemacht hätte (69.).

Champions League: Geschlagen: Jürgen Klopp tröstet Virgil van Dijk

Geschlagen: Jürgen Klopp tröstet Virgil van Dijk

(Foto: Petr David Josek/AP)

Was folgte, war in erster Linie eine beeindruckende Abwehrleistung der Madrilenen - und von Thibaut Courtois. Einen von Jota gefährlich abgefälschten Schuss boxte er mit einem Reflex von der Linie (80.). Zwei Minuten später verkürzte er bei einem weiteren Schuss von Salah den Winkel so sehr, dass er den Ball noch mit dem Unterarm erwischte. Es war der Moment, in dem Salah auf den Boden prügelte, vor Wut und Zorn. Und in dem sich Courtois vermutlich wieder daran erinnerte, dass er einst, im Jahr 2014, auf der anderen Seite gestanden hatte. Er hütete im Endspiel von Lissabon das Tor von Atlético Madrid. Schon am Vorabend hatte er an jene Tage gedacht. "Ich bin nun auf der richtigen Seite der Geschichte", hatte er gesagt, und es scheint, als sei an dieser Beobachtung etwas dran.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: