Champions League:Real ist erst besiegt, wenn Ronaldo am Ende sein Trikot noch an hat

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Anatomiestudie: Cristiano Ronaldo nach seinem Tor. (Foto: AFP)
  • Nach einem 3:0 im Hinspiel gegen Turin kassiert Real Madrid im eigenen Stadion drei Gegentore - das Aus droht.
  • Doch in der Nachspielzeit bekommt der Titelverteidiger einen diskutablen Elfmeter. Cristiano Ronaldo versenkt ihn sicher.
  • Er gibt zu: "Mein Puls ist schon angestiegen. Ich habe dann versucht, mich zu beruhigen."

Von Carsten Scheele

Als Cristiano Ronaldo seine ganze Anspannung rausbrüllt, liegt sein Trikot längst auf dem Rasen. Im Gehirn des Portugiesen muss diese Verknüpfung existieren: Wichtigen Elfmeter verwandeln = nackig machen. So war es 2014, als er im Champions-League-Finale gegen Atlético in der Verlängerung vom Punkt getroffen hatte und danach seinen Oberkörper entblößte. So ist es auch vier Jahre später, am Mittwochabend im Estadio Santiago Bernabéu.

In der Pose eines Wrestlers baut Ronaldo sich vor der Eckfahne auf. Die Mitspieler hängen an seinen muskelbepackten Armen, um ihn herum tobt wild das Volk. Der Stürmer hat Real Madrid gerettet - mal wieder. Er, Ronaldo, hat sein 120. Tor in der Champions League erzielt. Per Strafstoß in der 97. Spielminute.

Der späte Elfmeter ist eine doppelte Bestätigung für Real

Gibt es ein grausameres Drehbuch? Nicht für die Spieler von Juventus Turin. Nach dem 0:3 im eigenen Stadion im Hinspiel hatten sie im Rückspiel bis in die Nachspielzeit 3:0 geführt, ehe Schiedsrichter Michael Oliver nach einem Foulchen von Medhi Benatia an Lucas Vázquez für Real auf den Punkt zeigt. Die Juve-Spieler umringen den Referee, protestieren heftig; am stärksten Torwart Gianluigi Buffon, der noch vor Ausführung des Elfmeters wegen Beleidigung mit Rot vom Platz fliegt. Ersatzmann Wojciech Szczesny kommt aufs Feld, Ronaldo trifft, Juve ist raus. Ein wahres Drama nach italienischer Art.

Für Real ist das späte Tor zum 1:3 eine doppelte Bestätigung. Erstens die, dass in kritischen Spielsituationen immer noch irgendwoher ein Elfmeter geflogen kommt. Und zweitens weiß Madrid, dass Ronaldo eben da ist, wenn ihn das Team braucht. "Er ist mental sehr stark", lobt Teamkollege Toni Kroos. Dani Carvajal sagt zum Elfmeter: "Er trifft mit großer Wahrscheinlichkeit, das ist einfach so."

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In Italien herrscht riesige Empörung über den späten Elfmeter, der Juventus in Madrid verzweifeln lässt. Die Medien verneigen sich aber auch vor einer starken Turiner Elf.

Doch knifflig war es schon. Vier Minuten hatte Ronaldo in seinem 150. Champions-League-Spiel auf die Ausführung des Elfmeters warten müssen. Die Italiener mussten ja erst den aufgebrachten Buffon (in der 93. Minute des Feldes verwiesen) vom Platz geleiten. Die 94. Minute verrann, die 95., auch die 96. Ein Nervenspiel, selbst für Ronaldo, den erprobten Helden vieler Nachspielzeiten. "Mein Puls ist schon angestiegen. Ich habe dann versucht, mich zu beruhigen", gab der Weltfußballer später zu.

Dann dieser Schuss in Minute 97. Gar nicht wackelig, sondern hoch ins rechte, obere Eck. Ein überragender Strafstoß, wie auch Ronaldos Kritiker anerkennen mussten. "Ronaldo ist einfach tödlich", klagt stellvertretend die italienische Zeitung Corriere della Sera.

Schon das Hinspiel hatte Ronaldo geprägt. Zwei Tore hatte er beim 3:0 in Turin erzielt, das zweite per herrlichem Fallrückzieher, zu dem Ronaldo von Buffon noch auf dem Platz beglückwünscht wurde. Sogar das Juventus-Publikum erhob sich für ihn auf der Tribüne zum Applaus. Niemand hatte nach dieser Show gedacht, dass es im Rückspiel noch einmal spannend werden würde.

Wurde es aber. Weil Mario Mandzukic, der frühere Münchner und lange erfolglose Juventus-Stürmer, in der 2. und 37. Minute jeweils per Kopf zu Stelle war und Real anschließend viele Chancen vergab. Als Madrids Torwart Keylor Navas nach einer Stunde schlimm patzte und Blaise Matuidi den Ball im Fallen über die Linie brachte (61.), stand es tatsächlich 3:0. Nur noch ein Treffer fehlte Juventus zum Halbfinaleinzug. Auf Kurs Richtung Verlängerung waren sie ohnehin.

"Ich verstehe nicht, warum sie so viel diskutieren"

Bis Kroos in der Nachspielzeit flankte, Ronaldo den Ball mit dem Kopf Richtung Vázquez ablegte und dieser fiel. Benatia hatte ihn am Fünfmeterraum angerempelt, auch seine Arme leicht um die Schultern des Angreifers gelegt. Zu wenig für einen Elfmeter, echauffierten sich die Italiener. "Ich verstehe nicht, warum sie so viel diskutieren", sagte Ronaldo: "Sie gehen Lucas von hinten an. Sonst macht Lucas das Tor."

Doch weil dieses Spiel Fußball heißt, wurde nicht Vázquez die Ehre zuteil, Real ins Halbfinale zu bugsieren, sondern Ronaldo. Wer auch immer in zwei Wochen der Gegner sein wird - Rom, Liverpool oder der FC Bayern - ist nun gewarnt: Real ist immer erst besiegt, wenn Ronaldo sein Trikot am Ende noch auf den Rippen trägt.

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