Champions League Qualifikation:Zwei-Komponenten-Spiel

Der VfB Stuttgart kämpft gegen Timisoara um den Einzug in die Champions League. Die von Jens Lehmann geforderten Verstärkungen sind nur bei einem Erfolg realisierbar.

Christof Kneer

Bis heute wissen sie beim VfB nicht genau, wie Jens Lehmann gerechnet hat, ob mit dem Computer, einem Taschenrechner oder doch mit den Fingern. Vielleicht hat er auch ein paar Zahlen auf Papier gekritzelt, 30 Millionen minus fünf Millionen macht 25 Millionen minus zwei Millionen macht 23 Millionen. Als gewissenhafter Mensch hat er womöglich noch die Probe gemacht, 23 Millionen plus zwei plus fünf Millionen ergibt unterm Strich: Tatsächlich 30 Millionen.

Champions League Qualifikation: VfB-Keeper Jens Lehmann hatte bereits in der vergangenen Woche weitere Investitionen in europäische Spitzenspieler gefordert.

VfB-Keeper Jens Lehmann hatte bereits in der vergangenen Woche weitere Investitionen in europäische Spitzenspieler gefordert.

(Foto: Foto: Getty)

Gerührt von dieser wasserdichten Faktenlage ist Lehmann dann vergangene Woche an die Öffentlichkeit gegangen und hat verkündet, dass sein Verein, der VfB Stuttgart, nach den Verpflichtungen von Pawel Pogrebnjak (5 Mio.) und Aliaksandr Hleb (2 Mio.) noch 23 Millionen übrig haben müsse vom schönen Mario-Gomez-Geld (30 Mio.) - und dass der Verein einen Teil dieser solide errechneten Summe doch bitte bald in Umlauf bringen möge, für weitere neue Spieler.

In Stuttgart fürchten sie jetzt nichts mehr, als dass Lehmann wieder rechnet. An diesem Dienstag tritt der VfB im Hinspiel der Champions-League-Qualifikation beim rumänischen Klub FC Timisoara an, und weil jeder weiß, dass die Qualifikation über diesen zweiten Bildungsweg eine Einnahme von zehn bis zwölf Millionen Euro garantiert, könnte Jens Lehmann wieder in Versuchung kommen. 23 Millionen plus zwölf Millionen? Ergibt 35 Millionen - damit könnte man einiges kaufen, sieben Pogrebnjaks, einen ganzen Gomez oder ein schönes Stück des rechten Beins von Ribéry.

Warnung vor Timisoara

In Wahrheit rechnen sie zurzeit eher leise beim VfB. Den Torwart Lehmann haben sie noch laut verwarnt, es konnte ihnen ja nicht gefallen, vom listigen Keeper unter Handlungsdruck gesetzt zu werden. Sie haben ihm also öffentlich erklärt, dass die Spieler Pogrebnjak und Hleb leider auch Gehalt beziehen, weshalb seine Rechnung leider nicht ganz aufgehe (angeblich soll allein Hlebs vom FC Barcelona übernommenes Bruttogehalt fast so hoch sein wie die Ablösesummen für Pogrebnjak und ihn zusammen).

Seit dieser öffentlichen Rüge halten sich die Verantwortlichen mit Zahlenspielereien aber lieber zurück. "Nicht die Finanzen, sondern das Renommee und die sportliche Situation stehen gegen Timisoara im Vordergrund", sagt Sportchef Horst Heldt. Er kann ja schlecht sagen: Hey Leute, dieses Spiel ist wahnsinnig wichtig für die Zukunft des Vereins, und wenn wir es vergeigen, dann ...

Es geht um Ruhm und Reichtum

Einerseits ist es für die Stuttgarter ja ganz praktisch, dass der Gegner europaweit einen eher kleinen Namen trägt. Hinter dem kleinen Namen "Timisoara" lässt sich die Dimension dieser Partie gut verstecken, aber die eigenen Spieler sollen auf den gemeinen kleinen Namen lieber doch nicht reinfallen. So ist der Teamchef Babbel seit Tagen damit beschäftigt, die unbequemen Rumänen zur Spitzenelf aufzupumpen. Dankenswerterweise hat ihm der FC Timisoara ein schlüssiges Argumentationsmuster geliefert. "Wer in der Vorqualifikation den Uefa-Cup-Sieger Schachtjor Donezk ausschaltet, muss gut sein", sagt Markus Babbel.

Es ist ein Zwei-Komponenten-Spiel für den VfB. Zum einen könnten die Stuttgarter die Champions-League-Einnahmen gut gebrauchen, um jenen Plan zu verwirklichen, der ihnen für diese Elf vorschwebt. Sie wollen attraktiv bleiben für Talente wie Lanig, Celozzi oder Gebhart, die aus Fürth, Karlsruhe oder vom TSV 1860 München kommen, aber die Talente sollen zunehmend von Hlebs und Pogrebnjaks umstellt sein - von Profis, die nicht die Erkennungsmelodie des Montagsspiels im DSF kennen, sondern die Hymne der Champions League.

Verstärkungen gesucht

Auf diese Weise soll das Niveau der Elf langsam, aber sicher steigen, weshalb der Hobbyrechner Lehmann unbedingt auch steigende Gehälter in seine Kalkulationen aufnehmen sollte. So halten sich die Stuttgarter demonstrativ auch weitere Transfers offen; aus Frankreich wird als jüngstes Gerücht der Name Sydney Gouvou (Lyon) überliefert, und hartnäckig hält sich auch der Name des Offensiv-Allrounders Milan Jovanovic aus Lüttich, den der VfB bereits im Juni umwarb.

In Stuttgart wissen sie aber besser als anderswo, dass sie für ihre Pläne neben Geld auch ein paar weiche Faktoren benötigen - Faktoren, die man sich ebenfalls nur in der Champions League besorgen kann. "Es gibt Spieler, die den Dritten der Bundesliga immer noch als unter ihrer Würde betrachten", sagt Heldt vorsichtig - und meint wohl den Angreifer Klaas-Jan Huntelaar, dem ein Wechsel von Real Madrid zum VfB ein wenig so vorgekommen wäre wie ein Wechsel vom VfB zu Greuther Fürth.

Und bis zu Luca Toni sind die Stuttgarter im Zuge ihrer Stürmersuche offenbar gar nicht erst vorgedrungen. Stoccarda? No, no, ließ Toni angeblich ausrichten. "Für die Marke VfB sind die Spiele gegen Timisoara extrem wichtig", sagt Heldt. Hallo Champions, hier Stuttgart! - das ist die Botschaft, die eine erneute Teilnahme an der Königsklasse (es wäre immerhin die zweite in drei Jahren) ausstrahlen soll. Europa soll mit Stoccarda rechnen, und Jens Lehmann sowieso.

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