Champions-League-Qualifikation:"Wir waren heute kollektiv sch...!"

  • Die TSG Hoffenheim scheitert in der Champions-League-Qualifikation am FC Liverpool.
  • Das Team von Julian Nagelsmann wirkt überfordert gegen den rasanten Offensivfußball der Reds.
  • Für die TSG geht es nun in der Europa League weiter.

Von Tobias Schächter, Liverpool

"Willkommen!!!", stand auf dem silbernen Imbissstand, der vor dem Stadion an der Anfied Road in Liverpool für die Gäste aus Deutschland "Geräucherten Schweinehals mit Sauerkraut und Soße" anpries. Und auch die ungelenk formulierte Aufforderung "Vergnügen Finden" war mit drei Ausrufezeichen betont. Das mit dem "Vergnügen Finden" war dann aber so eine Sache für die TSG Hoffenheim an diesem Abend.

2:4 verlor das Team von Julian Nagelsmann bei der ersten Europapokal-Auswärtsreise der Vereinsgeschichte, und nach dem 1:2 im Hinspiel dieser Playoff-Runde heißt das: Der Traum von der Champions League ist für Hoffenheim geplatzt. Andererseits war es ja so: Die 2500 Hoffenheimer Fans sangen auch nach dem Abpfiff minutenlang wie nach einem Sieg, "Europapokal, Europapokal", riefen sie. Denn für die TSG geht es weiter in der Europa League, am Freitag in Monaco werden die Gruppen gezogen.

Für Nagelsmann war das zumindest keine vollkommen traurige Nachricht. Vielleicht, sagte er, sei es ja nicht schlecht, nun auf kleinerer Ebene "international reifen zu können", und auf Mannschaften zu treffen, die "gut zu uns passen". Beim ersten Pflichtspiel außerhalb der Landesgrenzen war für sein Team alles eine Nummer zu groß: das Stadion, der Gegner, die Aufgabe. Schon nach 21 Minuten lag die TSG mit 0:3 hoffnungslos hinten. Nagelsmann attestierte seinen Spielern zerknirscht eine "Überemotionalität" und ein "total kopfloses Anrennen" mit "Stückwerk offensiv wie defensiv".

"Das ist Fußball!", jubelt Klopp

Die großartige Atmosphäre an der Anfield Road wirkte offensichtlich einschüchternd auf seine Spieler, für den Trainer aber waren andere Dinge entscheidend, er meinte: "Wenn wir so auf dem Platz des FC Zuzenhausen gespielt hätten, hätten wir auch 4:2 verloren." In Zuzenhausen steht das Trainingszentrum der TSG, in das der Hoffenheimer Tross an diesem Donnerstag zurückkehrt, um sich auf die Bundesligapartie am Samstag in Leverkusen vorzubereiten.

In Liverpool lernten die Hoffenheimer ziemlich schmerzhaft ihre Grenzen kennen. Nach dem 3:0 durch den zweiten Treffer des deutschen Nationalspielers Emre Can (21.) und einer genialen Kombination schrie Liverpools Trainer Jürgen Klopp am Spielfeldrand begeistert: "Das ist Fußball!" Es war ein fußballerisches Lehrstück, was die spielfreudigen Sadio Mané, Roberto Firmino und Mohamed Salah boten. Wobei Hoffenheims Abwehrspieler ihnen auch insofern halfen, als sie teils wie betäubt wirkten.

Er sei immer noch überzeugt, den richtigen Plan gehabt zu haben, um Liverpools Blitzoffensive zu stoppen, sagte Nagelsmann hinterher. Wenn schon keine Propeller und Motoren erlaubt seien gegen diese schnellen Angreifer, dann müsse man die Herausforderung eben taktisch lösen. Aber das ist dem Trainer und seinen Spielern in zwei Spielen nicht gelungen, das zeigen die sechs Gegentore.

Und warum Nagelsmann trotz des Wissens um die Schnelligkeit von Liverpools Linksaußen Sadio Mané im Hinspiel auf Ermin Bicakcic und im Rückspiel auf Nordtveit rechts in der Dreierabwehrkette setzte, also auf Spieler, deren Stärke nicht zuvorderst das Sprintduell ist - das muss sich der 30-Jährige schon fragen lassen. Wäre nicht womöglich der schnelle Jeremy Toljan die bessere Lösung auf dieser Position gewesen? Zur Entlastung der Hoffenheimer muss man allerdings auch sagen: Gegen diese überragende Offensive werden auch viele andere Mannschaften große Probleme bekommen.

Sandro Wagner wählt drastische Worte

Mittelstürmer Sandro Wagner wählte hinterher drastische Worte: "Wir waren heute kollektiv sch...! Wir haben uns in der ersten Halbzeit nicht an den Plan gehalten." Vielleicht, so hatte Nagelsmann nach der guten Leistung im Hinspiel gehofft, gebe es für seine Elf im Rückspiel noch Räume in der Offensive, um das Spiel zu drehen. Doch trotz der Tore von Mark Uth zum 1:3 (28.) und Sandro Wagner zum 2:4 (79.) konnten die Hoffenheimer die durchaus vorhandenen Räume in der Offensive zu wenig nutzen.

Taktisch überraschte Klopp die Badener zudem mit einem offensiven Überfallfußball vom Anpfiff weg. Viele hätten wohl auf Abwarten gesetzt nach dem Vorsprung aus dem Hinspiel, erklärte Klopp: "Aber wir haben es anders gemacht und nicht auf Konter gewartet." Der Start des Spiels, jubelte Klopp, sei dann wie ein Gewitter gewesen. Und so tat diese Niederlage der TSG auch deshalb so weh, weil sie auf allen Ebenen fast wie eine Zurechtweisung wirkte.

Klopp freut sich nun nicht nur über bessere Möglichkeiten auf dem Transfermarkt - mit der Champions-League-Teilnahme wird vielleicht der eine oder andere Spieler noch nach Liverpool gelockt, wie zum Beispiel der umworbene Abwehrspieler Virgil van Dijk vom FC Southampton. Oder vielleicht sogar der vom FC Barcelona umgarnte Phillipe Couthino vom Verbleib überzeugt? Noch viel mehr aber stärkte der Einzug in die Königsklasse das Vertrauen in den deutschen Trainer, der die Mannschaft auf höchstem Niveau weiterentwickeln kann.

Die letzten 25 Minuten der Partie am Mittwoch verbrachte Julian Nagelsmann derweil sitzend auf der Bank, er hatte aufgehört zu gestikulieren. Irgendwann, so der Trainer, muss man auch einsehen, dass der Gegner besser sei und ein Spiel entschieden. Rumfuchteln bringe dann nichts mehr, das entspreche nicht seinem Naturell. Aber Nagelsmann war dann ganz bei sich, als er sich und seinen Spielern empfahl: "Das heute sollte Ansporn sein, sich zu entwickeln und irgendwann mit diesen Weltklassespielern mithalten zu können."

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