Paris Saint-Germain:Tuchels Schuljungen sollen mehr pauken

Paris Saint-Germain: Viel probiert, wenig ist passiert. Die teure PSG-Offensive um Neymar brachte nur wenig zustande.

Viel probiert, wenig ist passiert. Die teure PSG-Offensive um Neymar brachte nur wenig zustande.

(Foto: AFP)
  • Paris Saint-Germain spielt am dritten Champions-League-Spieltag 2:2 gegen den SSC Neapel.
  • Erst durch ein Di-Maria-Fernschuss in der Nachspielzeit kommt Paris glücklich zum Ausgleich.
  • Paris' Offensive ist viel mit sich selbst beschäftigt

Von Birgit Schönau

War da was? "Wie schön, wieder mal hier zu sein", sagte Carlo Ancelotti: "Ich habe einige Leute wiedergesehen, die mit mir Meister geworden sind." 2013 war das, Ancelotti trainierte damals Paris St. Germain. Doch vor einem Jahr hatte er im Stadion Parc des Princes auch Stunden größter Schmach erlebt, als sein FC Bayern gegen PSG 0:3 unterging - und er tags darauf gefeuert wurde. Schnee von gestern.

Am Mittwochabend ging Ancelotti als Sieger vom Platz, auch wenn der SSC Neapel in der Nachspielzeit noch den Ausgleich hinnehmen musste. Das 2:2 von Angel Di Maria, ein perfekt in den Torwinkel geschraubter Ball aus 25 Metern, kam erst in der 93. Minute. "Ich bin ihm trotzdem ewig dankbar, für alles, was er als Spieler für mich getan hat," seufzte Ancelotti: "Sicher, wenn er heute danebengehauen hätte, wäre ich es noch mehr."

So spricht ein Grandseigneur. Einer, der eigentlich alle Großen schon mal irgendwo trainiert hat, natürlich auch Di Maria - damals bei Real Madrid. Und einer, der bei diesem 2:2 wieder bewiesen hat, dass man keine Giganten braucht, um das eigene Spiel zu machen - sondern einen Trainer, "der uns seine ganze Erfahrung und Gelassenheit eingeimpft hat", wie Neapels Torschütze Lorenzo Insigne schwärmte.

Nicht Neymar, nicht Kylian Mbappé, auch nicht der ehemals für Napoli fliegende Erzengel Edinson Cavani haben die Show bestritten, sondern Ancelottis kleine Männer. Der 163 Zentimeter kurze Insigne eröffnete den Reigen mit einem lässigen, federleichten Lupfer zum 1:0 (29.), vorbei an einer viel zu hölzernen Pariser Abwehr, die mit dem Spielwitz der Südländer dauerüberfordert wirkte. Vom furiosen Start der französischen Riesen ließen sich die Neapolitaner nicht lang bluffen, der Einschüchterungsversuch verpuffte beim zweiten Konter. Danach tricksten sich Insigne und die anderen unablässig nach vorn. Viele Chancen, nur zwei Tore, das war Ancelottis einziger Vorwurf an seine hinreißend leichtfüßige Elf: "Wir waren zu verschwenderisch."

Auch der Tuchels Taktikwechsel auf eine Abwehr-Dreierkette brachte nicht die Wende

So gelang Paris der zwischenzeitliche Ausgleich durch ein Eigentor des Spaniers Mario Rui (61.), bevor der unermüdliche Belgier Dries Mertens hellwach die Konfusion im Strafraum nutzte (2:1/77.). Mertens ist mit 169 Zentimetern nur wenig größer als der Irrwisch Insigne, genauso flink, ebenso sprühend. Die Frechheit der Flöhe siegte, hochverdient führte Neapel 2:1.

Thomas Tuchels Taktikwechsel in der Pause mit der Umstellung auf eine Dreierabwehr hatte den farblos agierenden Juan Bernat den Platz gekostet, die Gäste jedoch nicht aus dem Konzept gebracht. Immerhin verlieh der eingewechselte frühere Schalker Thilo Kehrer der PSG-Defensive mehr Stabilität, aber Paris litt weiter. Keine Leichtigkeit, keine Struktur, keine Dominanz, analysierte gewohnt selbstgeißelnd Tuchel: "Neapel ist seit Jahren aufeinander eingespielt. Wir aber arbeiten erst seit ein paar Monaten zusammen."

Tuchel übersieht, dass der Kollege Ancelotti auch erst im Sommer in Neapel eingetroffen ist. Dort übernahm er ein Team, das regelmäßig seine Besten ziehen ließ, unter anderem zu PSG, das Ancelottis Vorgänger Maurizio Sarri aber gerade deshalb zu einem eingeschworenen Kollektiv geformt hatte. In Paris erwies sich, dass Sarris strenger Offensivfußball noch besser funktioniert, wenn er mit Ancelottis Lässigkeit abgerundet wird.

Neapel-Verteidiger Koulibaly erzeugte mehr Gefahr als das teure Angriffstrio von PSG

Die überragende taktische Intelligenz der Neapolitaner ließ die Pariser Luxustruppe wie Schuljungen aussehen. Da wurde jede Lücke genutzt, aber auch jeder Angriff cool neutralisiert. Entsprechend hilflos klang Tuchels Versprechen: "Wir müssen noch mehr arbeiten, um besser zu werden." Die Schuljungen sollen also mehr pauken, dann wird es schon werden.

Aber ist das wirklich die Lösung? Gegen die temperamentvollen Neapolitaner wirkten seine Männer schon verkopft genug. Selbst Kylian Mbappé war einfach zu brav. Und Neymar und Cavani fiel nicht viel mehr ein als das übliche Elfmeter-Raushol-Theater, diesmal vergebens. Tuchel verfügt über einige der besten Offensivspieler der Welt, aber sie brennen kein Feuerwerk ab, sie zünden nicht. Anders als die Funken sprühenden Männer vom Vesuv.

Die haben aber auch einen Riesen im Rücken. Beim ersten Duell mit Mbappé hatte Verteidiger Kalidou Koulibaly noch das Nachsehen, danach kassierte er ruhig und gleichmäßig den Ball. Der 27-Jährige Frankosenegalese ist für Ancelotti unverzichtbar, als Einziger spielt er immer, und in Paris bewies er wieder, warum. Autoritär schnitt er den Angreifern den Weg ab, geschmeidig leitete er die Konter ein. In Neapels Mittelfeld haben der Spanier José Callejón und der Slowake Marek Hamsik dann genügend energische Routine, um den Stürmern Mertens und Insigne die Arbeit zu erleichtern.

Paris könnte schon bald sein Endspiel in der Champions League erleben

Ein Routinier rettete dann auch Tuchel den Abend. Angel Di Maria nutzte den Moment, nicht ein Taktikschema. Am Ende entschieden ein Eigentor und ein Zufallsprodukt, dass PSG glimpflich davonkam. Daher ist es gut möglich, dass der Trainer beim Rückspiel in Neapel in zwei Wochen auf mehr Abgebrühtheit setzt und seinen prominenten Reservetorwart Gigi Buffon beruft, der am Mittwoch noch gesperrt war und Neapel bestens kennt. Denn die Zeichen stehen für Paris schon auf Endspiel.

Mit dem 4:0 gegen Belgrad hat sich Jürgen Klopps Liverpool Platz eins geholt, vor Neapel und PSG. Noch ist alles möglich, aber nicht mehr lange, das ist die Situation in der aufregenden Gruppe C. "Wir werden einfach spielen", sagte Ancelotti, die routinierteste Augenbraue der Champions League. Im Gegensatz zur Konkurrenz hat Neapel noch kein Match verloren. Einfach spielen, mit allen Wassern gewaschen. Und mit freiem Kopf.

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