Champions League:Özil zaubert ein Gemälde von einem Tor

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Und Özil schießt nicht - die Szene kurz vor dem 3:2 in Sofia.

(Foto: AFP)

Dem Arsenal-Profi gelingt in Rasgrad kurz vor Schluss ein Traumtor zum 3:2. Sogar Trainer Wenger staunt - und gibt sich geschlagen.

Von Thomas Hummel

Auf den Bolzplätzen dieser Welt bringen sich jetzt die Jungs (und Mädchen) in Stellung. Von so einem Tor (das es hier zu sehen gibt) träumt ja jeder, für so einen Moment lohnt sich das ewige Üben. Daran erinnert man sich noch im Rentenalter. Wenn es nur jemals wahr werden würde.

Vielleicht hat auch Mesut Özil damals im sogenannten Affenkäfig an der Olgastraße in Gelsenkirchen davon geträumt. Wahrscheinlicher allerdings ist, dass er schon Mitte, Ende der neunziger Jahre die Gegner auf dem kleinen Platz mit dem hohen Zaun drumherum bis zur Lächerlichkeit schlecht aussehen ließ. So wie am Dienstagabend die bedauernswerten Kameraden von Ludogorez Rasgrad.

Mesut Özil ist nun 28 Jahre alt und es gibt wohl keinen Fußballer auf der Welt, dessen Spiel noch immer so sehr dem eines Jugendlichen ähnelt. Eines atemberaubend talentierten Jugendlichen, der schwerelos und geschmeidig zwischen den holzigen Erwachsenen hindurchsaust. Während der Ball ihm gehorcht, als wäre er sein gefügiger Partner einer Zirkusnummer.

In Sofia, wo die Mannschaft aus Rasgrad ihre Champions-League-Spiele austrägt, lief die Schlussphase. Das Spiel war hektisch, aufwühlend, emotional gewesen. Nachdem der Außenseiter das Hinspiel noch 0:6 verloren hatte, führte er diesmal nach einer Viertelstunde 2:0. Der FC Arsenal glich bis zur Halbzeit zum 2:2 aus. Nach der Pause hatten die einen Chancen und die anderen auch. Bis Rasgrad in der 88. Minute den Ball dem Londoner Mohamed Elneny in die Beine spielte.

Elneny sah Özil vorne, spielte den Ball, Özil stand nicht im Abseits, lief fast von der Mittellinie alleine auf das gegnerische Tor zu. Sein Trainer Arsène Wenger sollte später sagen: "Man hätte sich gewünscht, dass er das Tor schneller macht, aber am Ende bewies er, dass er recht hatte."

Torwart Milan Borjan stürzte ihm entgegen, doch Özil schoss nicht, er lupfte den Ball über ihn hinweg. Und zwar genau so hoch, dass Borjan gerade nicht mehr hinkam. Ein Abwehrspieler im grünen Trikot rauschte heran, Özil schoss wieder nicht, er legte sich den Ball gegen die Laufrichtung des Verteidigers auf den linken Fuß. Der Ludogorez-Spieler taumelte. Ein anderer wollte mit einer Fluggrätsche noch retten, Özil schoss wieder nicht. Er ließ den einen fliegen, auch der andere warf sich in den Schuss, der immer noch nicht kam. So lagen zwei Spieler des bulgarischen Meisters auf dem Rücken, Torwart Borjan rannte noch in die Szenerie - und Mesut Özil schob den Ball ins leere Tor. 3:2.

Gerade weil sich die Bulgaren so verzweifelt gegen den Treffer stemmten, weil sie rannten, flogen und taumelten, ergab sich ein Gemälde von einem Tor. Özil hatte sie alle getäuscht, gefoppt, sie in auf dem Rücken liegende Käfer verwandelt. Sie ins Nirwana der Abwehrspieler geschickt. Um unberührt, ohne Kratzer und Dreckspuren von dannen zu laufen. Er ließ sich erst von den Mitspielern und später von den Liebhabern der Fußballkunst in aller Welt feiern.

Mit diesem Tor verblüffte er auch seinen Trainer: "Es sah mir nicht nach der richtigen Lösung aus, aber als der Ball im Netz lag, dachte ich mir: Sie war es doch."

Mesut Özil lernt im Frühherbst seiner Karriere gerade das Toreschießen. In der Premier League hat der begnadete Vorbereiter in dieser Saison drei Treffer erzielt, im Hinspiel gegen Rasgrad waren ihm bereits drei gelungen. Es wäre die nächste Facette im Spiel des Weltmeisters, nachdem er zuletzt bereits heftig an seiner Physis gearbeitet hat, um sich in den Zweikämpfen robuster wehren zu können.

Seine Zusatzqualifikation als fleißiger Arbeiter im Mittelfeld hebt ihn auf ein neues Niveau. Gut, dass er dabei seine Leichtigkeit nicht verloren hat. Seine Fähigkeit, die Gegenspieler wie klobige Steine im Wildbach aussehen zu lassen. Sein Fuß, sein Körper, der Ball - alle machen mit. Wie im Traum.

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