Champions League:Monster von Paris

AS Monaco vs Paris Saint Germain

Sieht nicht aus wie ein Monster, ist aber in der Abwehr kaum zu überwinden: Thiago Silva von Paris St. Germain.

(Foto: dpa)

Im Achtelfinale der Champions League trifft Bayer Leverkusen auf Paris Saint-Germain. Thiago Silva ist als Kapitän und Abwehrchef die Schlüsselfigur sogar für zwei Großprojekte: Paris will mit ihm die Fußball-Königsklasse gewinnen - und Brasilien den WM-Titel.

Von Thomas Kistner

Monster von Paris? Den Titel trägt heute kein Glöckner mehr, und nicht mal Zlatan, der wuchtige Schwede. Sondern Thiago Silva, Kapitän und unbestrittener Abwehrchef gleich zweier Mannschaften, die derzeit mehr als alle anderen im Fokus des internationalen Interesses stehen: Paris St. Germain, das aus dem Nichts erblüht ist und nach der Champions-League-Trophäe greift, wofür es am Dienstag ein gutes Hinspiel-Resultat in Leverkusen braucht - und Brasiliens Auswahl, die beim WM-Turnier im Sommer zum Siegen verurteilt ist.

Monströse Lasten haben sich diese Teams auferlegt, und sie dürfen sich glücklich schätzen, dass sie die Sicherung ihrer Defensive diesem schnellen, höchst athletischen Innenverteidiger anvertrauen können: Thiago Silva, genannt O Monstro, seit er mit Fluminense Rio de Janeiro Triumphe in der Heimatstadt feierte.

Aber das interessiert in Brasilien keinen mehr. Das Land brodelt der WM entgegen, die mit mehr Pannen und Problemen belastet ist als jede zuvor, und für Nationalcoach Felipe Scolari ist der humorlose, wortkarge Abwehrchef eine schicksalshafte Besetzung: Der Fels in der Brandung. Der Mann, der die Elf aus dem Tunnel ins Stadionlicht führt, den Blick kurz für ein Stoßgebet gen Himmel richtet - und dann 90 Minuten mit aller Härte in der eigenen Hälfte aufräumt.

Insofern gibt Thiago Silva, 29, beim französischen Meister Paris den unspektakulären Gegenentwurf zu Ibrahimovic ab; die stürmende Dampframme ist mehr für effektvolle Außenwirkung zuständig.

Zwei, die sich gut verstehen. Wenn auch vorzugsweise auf italienisch, die französische Sprache haben sie noch nicht fließend intus. Aber ihre Kommunikationskünste hatten ja nicht den Ausschlag gegeben, als sie Sommer 2012 im Doppelpack vom AC Mailand nach Paris gewechselt waren, für angeblich 62 Millionen Euro (42 davon für Silva).

Mit 19 an Tuberkulose erkrankt

Mailand schäumte ob des "Verrats"; vor allem Silvas Verkauf wurde als sportliches Verbrechen gegeißelt. "Ohne ihn verlieren wir 50 Prozent des Potenzials", wetterte Stürmer Antonio Cassano, Vereins-Legende Paolo Maldini warnte: "Thiago ist nicht zu ersetzen. Sein Verkauf wäre ein Zeichen enormer Schwäche!"

An der Seine setzte sich Silva, wie schon ab 2009 in Mailand, mühelos durch. Es blieb ihm auch nichts übrig, Trainer Carlo Ancelotti hatte ihm gleich die Kapitänsbinde überreicht, zum Missfallen vieler Kollegen, die meinten, der Neue habe Lokalmatador Christophe Jallet das Amt entrissen. Andererseits, ganz abwegig wäre ja auch das nicht eingedenk des kühlen Pragmatismus', mit dem der Brasilianer den Job erledigt.

2013 wies er den FC Barcelona, Klub seines Herzens seit der Jugendzeit in Rios staubigen Vororten, gleich zweimal ab - weil Paris stets noch mehr bot und das Salär von knapp zehn auf angeblich zwölf Millionen Euro aufstockte. "Wir Profis müssen an unsere Familien denken", sagte er offen. Das Geld zählt - eine Begründung, die manchen Fan verstörte, andererseits perfekt zum Söldnerchef eines Klubs passt, der sich aus dem endlos sprudelnden Quell katarischer Investoren finanziert und Titel als Geschäftsziele betrachtet.

Allerdings hat der aktuell wohl höchstdotierte Verteidiger der Fußballwelt auch die andere Seite des Geschäfts erlebt, und auch diese intensiver als die meisten Kollegen. Monströse Zeiten waren das. Erst all die Körbe, als er mit Stiefvater Valdomiro durch Rios Klublandschaft tingelte: Flamengo, Fluminense, Botafogo, selbst Madureira und Olaria winkten nach zahllosen Probetrainings ab. 2004 dann der erste Europa-Transfer als 19-jähriges Nachwuchstalent zum FC Porto, nicht ahnend, das er eine schwere Tuberkulose mit sich trug.

Fluminese wagte den Versuch mit dem Lungenkranken

Ständig das Stechen in der Brust, statt nur einmal in der ersten Auswahl zu spielen, wurde er 2005 an Dinamo Moskau durchgereicht. Thiago Silva erhielt die Rückennummer 84 - und bezog dort, nachdem die Krankheit voll ausgebrochen war, eine gefängnisartige Lazarett-Zelle von winzigen Ausmaßen, mit einem als Toilette dienenden Bodenloch.

Dort, in einer Monate währenden Quarantäne, habe er die furchtbarste Zeit seines Lebens verbracht, schilderte er später in der Heimat. 2006 kehrte er zurück, und nur der Klub Fluminense wagte den Versuch mit dem Lungenkranken. Es war die Geburt des Monsters.

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