Champions League mit Dortmund und Leverkusen:Borussias Mut wird belohnt

Eine schmerzhafte Erfahrung ist Borussia Dortmund erspart geblieben: Der jungen Meisterelf gelingt gegen FC Arsenal in letzter Minute der Ausgleich. Hoch verdient und dennoch ziemlich glücklich. Leverkusen kassiert dagegen zwei Tore gegen Chelsea - kurz nachdem Michael Ballack ausgewechselt worden ist.

Die Spielberichte.

Jürgen Klopp kannte die beiden Zahlen, aber er war fest entschlossen, sich nicht auch noch von dieser Statistik beeindrucken zu lassen. Die Unerfahrenheit seiner jungen Meisterelf ist ja ohnehin das alles überstrahlende Thema gewesen am Dienstagabend in Dortmund, vor dem ersten Champions-League-Auftritt der Borussia seit 2003.

Da musste der Trainer Klopp nicht noch extra darauf hinweisen, dass übrigens auch er selbst alles andere als ein alter Champions-League-Hase ist. Eindrucksvoll ist der Vergleich aber trotzdem gewesen, wonach Arsène Wenger, der Trainer des Gegners FC Arsenal, bisher 136 Mal in der Champions League eine Mannschaft aufs Feld geschickt hat. Und er, Jürgen Klopp: noch nie.

Na und? Die Frische der Jugend ist schließlich ein integraler Teil der märchenhaften Dortmunder Meister-Geschichte gewesen, und dass seine Spieler die Eliteklasse nun ausnahmslos aus dem Fernsehen (und von der Playstation) kannten, musste ja nicht per se ein Nachteil sein. Aber als Jürgen Klopp dann seine Aufstellung auf ein Blatt Papier schrieb, hat ihn doch offenkundig die Sehnsucht nach ein bisschen Erfahrung übermannt. Klopp suchte also Erfahrung, und er fand: Sebastian Kehl.

Sebastian Kehl, 31, ist schon seit 2002 im Verein, auf dem Papier ist er seit Ewigkeiten der BVB-Kapitän. Er war 2003 schon dabei, als sich die Borussia vorzeitig aus der Königsklasse verabschiedet hatte (kurz darauf entging der Klub nur knapp der Insolvenz). Aber Kehl hatte zuletzt nicht mehr so häufig gespielt. Nun stand er in Klopps Startelf, für ihn musste Ilkay Gündogan weichen, der nach seinem Wechsel vom 1. FC Nürnberg selbst noch dabei ist, seine Rolle in der Mannschaft zu finden. Und es lag dann durchaus eine gewisse Tragik in dem Umstand, dass es dieser Kehl war, dem in der 42. Minute ein fataler Querpass aus dem Fußgelenk rutschte.

Sebastian Kehl war als Stabilisator vorgesehen, aber in einer Elf der geborenen Vorwärtsspieler fiel er nun als Querspieler aus der Rolle. Robin van Persie, der Kapitän der Londoner, spitzelte dazwischen, über Theo Walcott kam der Ball wieder zu van Persie, der erzielte das 0:1. Und so stand es dann erstmal. Bis zur 88. Minute. Bis Ivan Perisic, 22, von Klopp kurz vorher eingewechselt, noch zum 1:1 ausglich: per Volleyschuss in den Torwinkel, von außerhalb des Strafraums, über die gesamte Arsenal-Deckung hinweg. Eine Frechheit, ein jugendlicher Geniestreich, über den Jürgen Klopp später sagte, er habe ihn vor allem "super gerecht" gefunden - "das ist im Fußball ja nicht immer der Fall".

Dominiert - und dennoch fast verloren

1:1 also gegen Arsenal: So ist dem deutschen Meister zum Auftakt eine schmerzhafte, auf diesem Parkett aber nicht unübliche Erfahrung gerade noch erspart geblieben: dass man ein Spiel dominieren und dennoch verlieren kann. Stattdessen stand am Ende ein Resultat auf der Anzeigetafel, das all den freundlichen Vorzeichen doch noch gerecht wurde. Das Stadion: stimmungsvoll wie eh und je, auch wenn wegen des Sitzplatz-Zwangs in der Champions League statt 80.000 nur gut 65.000 Zuschauer hinein passen.

Borussia Dortmund v Arsenal FC - UEFA Champions League

"Unser Gegenpressing war klasse", fand Klopp nach dem Spiel und freute sich mit seiner Mannschaft über das glückliche Unentschieden.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Mario Götze, 19, der in der Liga gesperrte Offensiv-Künstler: in der Champions League spielberechtigt und wieder der Aktivposten im Spiel (ein paar Tage übrigens nur, nachdem die Dortmunder ein 40-Millionen-Euro-Angebot für ihn in den Wind geschlagen hatten, wobei der Interessent, dem er diese Summe wert war, FC Arsenal hieß).

Und dann hatte sich ja auch das offensichtliche Abwehrproblem des englischen Traditionsklubs herumgesprochen: Vermaelen verletzt, Squillaci verletzt, auch deshalb hatte Wenger kurz vor Ende der Transferphase noch rasch den SV Werder Bremen saniert, indem er dort den Nationalverteidiger Per Mertesacker auslöste. Und dass Wenger in Dortmund statt auf der Bank auf der Tribüne Platz nehmen musste, weil er im Qualifikations-Spiel gegen Udine, auch damals schon gesperrt, seinem Assistenten Anweisungen per Handy durchfunkte, traf Arsenal ebenfalls in einer empfindlichen Phase. In der Premier League ist der Klub derzeit nur Elfter. Vor allem ein schockhaftes 2:8 gegen Manchester United wirkt noch nach.

Und tatsächlich trat Dortmund - in der Bundesliga ebenfalls Elfter und gerade 1:2 gegen Hertha BSC untergegangen - fast durchgängig wie die reifere Mannschaft auf. Vor allem, "unser Gegenpressing war klasse", fand Klopp, "Arsenal hätte viel besser gekonnt, wenn wir sie gelassen hätten". Schon nach einer Viertelstunde hätte der BVB in Führung liegen müssen: nach einem überfallartigen Konter, an dessen Ende Großkreuz vergab (5.Minute). Nach einem überhasteten Kagawa-Abschluss, der auf ein Zuspiel von Hummels folgte (9.). Und nach einem feinen Götze-Pass, den Lewandowski nicht verwerten konnte (12.).

Auch danach erspielte sich Dortmund gute Gelegenheiten, wenngleich Klopps Schwärmereien ("Die in gelb-schwarz sind Borussia Dortmund, um das zu erkennen, hätte man keine Trikots gebraucht") etwas übertrieben waren. Nach dem Rückstand ging durchaus die Leichtigkeit verloren - bis zu Perisics 1:1, das letztlich verdient und dennoch glücklich war.Lohn des bedingungslosen Vorwärtsspielens eben. "Da war ich", sagte Sebastian Kehl, "heilfroh."

Als Ballack geht, verliert Leverkusen

Nur 40 Sekunden nach der Auswechslung von Michael Ballack hat Bayer Leverkusen eine mögliche Überraschung beim Comeback in der Fußball-Champions-League verspielt. Trotz einer kämpferisch starken und taktisch disziplinierten Leistung verlor Bayer, das zuletzt vor sechseinhalb Jahren in der europäischen Königsklasse im Einsatz war, das Duell des deutschen und des englischen Vizemeisters beim FC Chelsea mit 0:2 (0:0).

Das Führungstor durch David Luiz (67.) fiel kurz nachdem Ballack den Platz verlassen hatte - und ausgerechnet in Bayers stärkster Phase. Den Endstand stellte Juan Mata (90.+2) her. "Chelsea hat verdient gewonnen, gar keine Frage", gestand Leverkusens Trainer Robin Dutt später ein. "Trotzdem habe ich eine gute Leistung meiner Elf gesehen." Und auch damit hatte er nicht unrecht.

Ballack, der vor dem Spiel nachträglich offiziell von Chelsea verabschiedet wurde, durfte an alter Wirkungsstätte von Beginn an ran. Der langjährige Nationalmannschafts-Kapitän zeigte eine ordentliche Leistung, vergab aber die große Chance zur Führung (57.). Chelsea hatte mit Blick auf das Liga-Topspiel am Sonntag bei Meister Manchester United Superstars wie Frank Lampard und Nicolas Anelka lange und John Terry sogar komplett geschont.

Robin Dutt hatte bei seinem eigenen Champions-League-Debüt Ballack erwartungsgemäß auf der "Zehn" aufgeboten. Er kam damit zu seinem 88. Champions-League-Spiel, aus der Startelf hatten zuvor nur Michal Kadlec (7. Einsatz) und Gonzalo Castro Erfahrung in der Königsklasse. Castro war beim zuvor letzten Champions-League-Spiel Bayers am 9. März 2005 gegen den FC Liverpool eingewechselt worden und stand beim Comeback als einziger verbliebener Profi des Teams auf dem Platz.

Die Partie vor 33 820 Zuschauern an der Stamford Bridge begann rasant. Nach 67 Sekunden verfehlte der in London bisher noch nicht wirklich angekommene spanische Welt- und Europameister Fernando Torres mit einem Volleyschuss nur knapp, in der 2. und 3. Minute fielen auf beiden Seiten Tore, die aber jeweils keine Anerkennung fanden. Zunächst soll sich Leverkusens Toprak vor dem Tor von Rolfes beim Kopfball aufgestützt haben, dann stand Chelseas 17-Millionen-Einkauf Meireles im Abseits.

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