Champions League: Manchester - Schalke:San Siro hoch zehn

Im Champions-League-Rückspiel gegen Manchester United hofft Schalke 04 auf ein mittelschweres Wunder. Nebenbei plant der Klub jedoch bereits die Zukunft - und hält Ausschau nach einem Ersatz für Torhüter Manuel Neuer.

Philipp Selldorf

Horst Heldt war am Samstag ein bisschen unruhig, als Clemens Tönnies in München zum Mittagessen ging. Das Problem war nicht das Mittagessen, sondern der Gastgeber, ein Mann namens Uli Hoeneß. Der Präsident des FC Bayern und Schalkes Aufsichtsratschef sind sich nicht nur geschäftlich verbunden - der eine als Bratwurst-Unternehmer, der andere als Fleisch-Lieferant -, sondern auch freundschaftlich, weshalb der Manager Heldt leicht nervös war.

Champions League - FC Schalke 04 - Manchester United

Mehr Chancen im Rückspiel? Schalkes Raúl (unten) gegen Nemanja Vidic.

(Foto: dpa)

Es hätte ja passieren können, dass Hoeneß seinen Gast in eine nachgiebige Stimmung versetzen würde. Doch Tönnies blieb standhaft, er machte keine Zusagen zum Verkauf von Manuel Neuer.

Weiterhin ist es zwar unwahrscheinlich, aber immer noch möglich, dass sich München und Gelsenkirchen nicht einig werden über den Wechsel des Nationaltorwarts. Der Fall wird beiden Parteien noch eine Weile erhalten bleiben, doch zumindest für die Dauer der Reise nach England zum Wiedersehen mit Manchester United sind die Schalker Zukunftsplanungen weit entfernt.

Für Manuel Neuer sowieso. "Wir stehen im Halbfinale der Champions League. Das ist nichts Alltägliches, das sollte sich jeder noch mal vor Augen führen", hat Schalkes Kapitän gesagt, bevor er in Düsseldorf ins Flugzeug gestiegen ist. Dort hat er dann allerdings erst mal eine Verspätung von anderthalb Stunden abgesessen - es gab Visaprobleme bei jenen Schalker Profis, die nicht aus Europa stammen. Der Anfertigung der Einreisedokumente für Farfan, Uchida, Karimi, Hao und Edu stand angeblich die königliche Hochzeit sowie ein weiterer Feiertag im Weg, die den Behördenbetrieb stillgelegt haben.

Schließlich landete die Delegation aber vollzählig und blickte in einen blau-weißen Himmel über Manchester. Solche Omen sind willkommen, denn Neuer wird am Mittwoch eine Mannschaft auf den Platz führen, die mit dem amtlichen Auftrag antritt, ein Wunder zu vollbringen.

Unmittelbar nach der niederschmetternden Begegnung mit United in der Vorwoche waren sich in Schalke alle einig, dass die Mannschaft in Old Trafford mindestens so gut spielen müsste, wie Neuer im löchrigen Gelsenkirchener Stadion sein Tor verteidigt hatte, nämlich überirdisch. Dass es also, wie Abwehrspieler Christoph Metzelder meinte, mit einem handelsüblichen Mirakel wie beim 5:2 in Mailand nicht getan wäre, sondern "San Siro hoch zehn" vonnöten sei.

Aber mit jeder Stunde des Verdrängens der furchtbaren Hinspiel-Erfahrung ist ein wenig mehr Hoffnung zurückgekehrt. Man möchte mindestens "etwas gutmachen", wie Manuel Neuer betonte, die angekratzte Ehre aufpolieren, aber es gibt auch noch höhere Ambitionen. "Wir wollen jede noch so kleine Chance nutzen", sagte Trainer Ralf Rangnick, "wenn sich die Tür einen Spalt weit öffnet, dann müssen wir sie aufstoßen."

Höwedes kehrt zurück

Das 1:4 beim Intermezzo in München war für Schalke zwar unschön, aber mehr Aufmerksamkeit hat man Manchesters 0:1-Niederlage beim FC Arsenal geschenkt. So fügt es sich auf fast wundersame Weise, dass Uniteds Manager Sir Alex Ferguson am Mittwoch zwei Partien gleichzeitig beaufsichtigen muss: das aktuelle Halbfinale gegen Schalke 04 und das Gipfeltreffen in der Premier League mit dem FC Chelsea am Sonntag.

In Schalke hat man es gern gehört, als Ferguson ankündigte, er werde Asse wie Wayne Rooney fürs Wochenende schonen. Dass stattdessen zum Beispiel Dimitar Berbatov (21 Tore) anrücken soll, ist aber auch keine konkrete Beruhigung. Schalkes kleiner Vorzug gegenüber dem vorigen Dienstag: Benedikt Höwedes, von Ralf Rangnick als "Abwehrchef" geadelt, ist wieder einsatzfähig.

Die Qualitäten des 23-Jährigen genießen auch außerhalb von Gelsenkirchen große Wertschätzung. Jupp Heynckes würde ihn nächstes Jahr gerne bei Bayern München sehen, "aber sie kriegen ihn nicht", sagt Horst Heldt. Der Manager räumt ein, dass Schalke Schulden abbauen muss, aber er sagt auch: "Die Mannschaft ist auf die Champions League ausgerichtet, und diesen Maßstab werden wir nicht erfüllen können, doch die Veränderungen an unseren besten Spielern festzumachen, wäre falsch."

Der junge Höwedes gilt ebenso als unersetzlich wie der schon etwas ältere Raúl, mit dem der Verein über ein drittes Vertragsjahr redet. Andere Hinterlassenschaften der Ära Felix Magath werden hingegen im Sommer ihren Abschied nehmen müssen, unter anderem das einst so umstrittene Duo Ali Karimi und Angelo Charisteas.

Dafür kommen Männer zurück, die man in Schalke längst vergessen hat. Jermaine Jones zum Beispiel, der als Leihgabe bei Blackburn Rovers spielt, nachdem er sich gründlich mit Magath verkracht hatte. Ob er unter Ralf Rangnick einen Neubeginn starten darf? Kenner in Schalke bezweifeln das. Heldt versichert, er werde Jones selbstredend freundlich in Empfang nehmen, aber jede andere Form der Äußerung wäre auch geschäfts- und vereinsschädigend.

Natürlich machen sich die Schalker auch längst Gedanken über den Mann, der Manuel Neuers Tor übernehmen könnte. Über Sondierungen ist man aber noch nicht hinaus, jede unzeitgemäße Interessensbekundung kann in diesem Poker mit Domino-Effekt Millionen kosten. Der Manager Jörg Schmadtke etwa, der bei Hannover 96 den begabten Torwart Ron-Robert Zieler bewacht, beobachtet aus gutem Grund die Geschäftsentwicklung zwischen München und Gelsenkirchen. Zieler ist einer der Kandidaten, sollte er nächstes Jahr in Schalkes Tor stehen, wäre das weniger verwunderlich, als wenn Manuel Neuer am 28. Mai beim Champions-League-Finale in Wembley seinen Posten bezöge.

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