Süddeutsche Zeitung

Champions League:Ein Haaland-Moment nach dem anderen

Manchester City deklassiert RB Leipzig im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League. Beim 7:0 trifft ein ehemaliger Salzburger gleich fünfmal: Erling Haaland erledigt Leipzig fast im Alleingang.

Von Javier Cáceres, Manchester

Ein perfekt synchronisiertes blaues Ensemble namens Manchester City hat am Dienstag RB Leipzig in der Champions League auf beschämende Weise deklassiert. Herausragender Akteur der Partie war der frühere Dortmunder und - welch Ironie - vormalige Salzburger Erling Haaland, der gleich fünf Tore der Engländer erzielte. So viele Treffer waren vor ihm in einem Königsklassen-Spiel nur Lionel Messi und Luiz Adriano geglückt.

Citys Trainer Pep Guardiola zeigte Erbarmen mit den Leipzigern, und nahm den in unersättlicher Plündererlaune befindlichen Skandinavier nach gut einer Stunde vom Feld. Da allerdings stand es bereits 6:0. Es wird daher immer ein Geheimnis bleiben, ob Haaland um einen Rekord für die Ewigkeit gebracht wurde. Er sah so aus, als trüge er ihn in den Kleidern. Am Ende war auf der Anzeigetafel ein 7:0 zu lesen, durch ein Traumtor von Kevin De Bruyne in der Nachspielzeit. "Ich will nicht hier stehen und irgendwelche Ausreden suchen. Es tut weh", sagte Leipzigs Emil Forsberg bei Amazon Prime Video. "Wir waren nicht da, wir hatten keine Chance."

Im zweiten Spiel des Abends erreichte Inter Mailand erstmals seit zwölf Jahren wieder das Viertelfinale der Champions League. Dem italienischen Pokalsieger reichte nach dem 1:0 im Hinspiel ein 0:0 beim FC Porto zum Einzug in die Runde der besten acht Mannschaften.

RB Leipzig hatte zu Beginn der Partie Anstalten gemacht, an die zweite Halbzeit des Hinspiels anknüpfen zu wollen. Es waren Ansätze einer Mannschaft zu erkennen, die sich nicht verstecken und sogar mutig angreifen wollte. Der Vorsatz aber hielt kaum länger als der Schnee, der kurz nach Mittag über Manchester niedergegangen war. Genauer: bis nach drei Minuten Bernardo Silva, Kevin De Bruyne und Ilkay Gündogan zusammenfanden - und mal eben kurz und eindrucksvoll vorführten, was eine Handvoll Künstler mit niedrigem Körperschwerpunkt zu leisten imstande sind. Der Ball von Gündogan flog weit über die Querlatte. Aber der Ton war gesetzt.

Auf 30 Metern nimmt Haaland seinen Verfolgern zehn Meter ab

Vor allem zeigte sich kurz danach, dass Haaland mit enormer Lust aufgewacht war, seinem Ruf alle Ehre zu machen. Und Leipzig fast im Alleingang erledigte. Klar wurde das schon in der elften Minute, als City-Verteidiger Nathan Aké einen langen Ball auf Haaland spielte - und der Norweger seinen Bewachern Willi Orban und Josko Gvardiol auf einer Strecke von vielleicht 30 Metern gleich zehn Meter abnahm. Der im weiteren Verlauf der Partie durch und durch bemitleidenswerte Torwart Janis Blaswich bekam gerade noch einen Fuß dazwischen. In der 19. Minute aber schon folgte eine Szene, die an Karl Marx erinnerte.

Getreu einer seiner Maximen ereignet sich Geschichte bekanntlich immer zwei Mal - das erste Mal als Tragödie. Das zweite Mal als Farce. Der Dienstag bot sich an, um den Marx-Aphorismus bestätigt zu sehen: Just eine Woche, nachdem der Video-Schiedsrichter beim Champions-League-K.-o. von Borussia Dortmund an der Stamford Bridge des FC Chelsea entscheidend eingegriffen und einen absurd anmutenden Handelfmeter verhängt hatte, erlitt RB Leipzig bei Manchester City ein ähnliches Schicksal. Diesmal war es RB-Verteidiger Benjamin Henrichs, der sich nicht dagegen wehren konnte, im Strafraum angeköpft zu werden. Er war mit Rodri hochgestiegen und hatte dessen Kopfstoß an den Arm bekommen. Schiedsrichter Slavko Vincic entschied auf Strafstoß, diesen verwandelte Haaland (22.).

Keine zwei Minuten später war er wieder zur Stelle, diesmal per Abstauber, als De Bruyne vom Sechzehner mit einem brachialen Schuss die Querlatte traf. Der Belgier hatte offenbar besonders gut zugehört, als sein Trainer Guardiola von ihm verlangt hatte, "einfache" Dinge zu machen. Unmittelbar vor der Halbzeit aber war es wieder Haaland, der "goal" brüllte: Als Verteidiger Ruben Días nach einer Ecke per Kopf den Pfosten traf und Leipzigs Amadou Haidara beim Klärungsversuch natürlich Haaland anschoss - und so den 3:0-Halbzeitstand mit fabrizierte.

Wie in der Vorwoche: Ein englischer Vertreter wirft einen Bundesligisten aus dem Wettbewerb

Danach bemaß sich das Spiel weiterhin in Ballbesitz für City - und in Haaland-Momenten. Okay, Ilkay Gündogan mogelte sich kurz nach Wiederanpfiff auf die Torschützenliste, als er mit einem Flachschuss und weitgehend unbedrängt einschießen konnte (48.). Aber dann kam wieder Haaland. In der 54. und in der 57. Minute sorgte er mit schmucklosen, aber wertvollen Treffern für das zwischenzeitliche 6:0.

Das bedeutete für Guardiola, dass der Moment gekommen war, Julián Álvarez zu bringen, ein Komparse im Dress von Manchester City, aber immerhin Weltmeister mit Lionel Messi. Auch wenn City nicht der Lethargie anheimfiel, die es in der zweiten Halbzeit des Hinspiels gezeigt hatte - erst ganz am Ende gab es auch noch ein siebtes Tor. Doch auch so blieb - Tragödie hin, Farce her - eine Erkenntnis unumstößlich wie eine philosophische Wahrheit: Nichts war verdienter als das Aus des Bundesliga-Vertreters auf englischem Boden, im Falle Leipzigs noch um einige Ecken mehr als in der Vorwoche bei Dortmunds Visite in London.

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