Süddeutsche Zeitung

ManCity in der Champions League:Ausgerechnet das Eigengewächs erlöst Guardiola

Erstmals erreicht der Trainer mit Manchester City das Champions-League-Halbfinale - weil er sich auf Phil Foden verlassen kann, der sogar schon länger im Verein ist als der Klubbesitzer.

Von Sven Haist, London

Das Halbfinale in der Champions League hätte Manchester City wesentlich kostengünstiger haben können. Seitdem sich Scheich Mansour Bin Zayed Al Nahyan, Mitglied der Königsfamilie der Vereinigten Arabischen Emirate, über seine Investmentfirma Abu Dhabi United Group im September 2008 den Klub ins Geschäftsportfolio holte, blätterte City ziemlich genau zwei Milliarden Euro an Ablösesummen hin - für rund 90 Spieler.

Die größtenteils sündteuren Profis ließen die Vereinschefs aus allen denkbaren Ländern der Erde nach England einfliegen; stets verbunden mit der Hoffnung, die Neuerwerbungen würden City auf den Pfad des Henkelpokals führen. Nur um am vergangenen Mittwochabend feststellen zu müssen, dass keiner der hochpreisigen Zugänge die entscheidenden Tore erzielte für die nach 2016 erst zweite Teilnahme an der Vorschlussrunde, sondern Phil Foden. Ein Eigengewächs, erst 20 Jahre alt, geboren in Stockport bei Manchester, im Klub seit Kindertagen, länger da sogar als der Klubbesitzer selbst.

2:1 gewann Manchester City gegen Borussia Dortmund - sowohl das Hin- als auch das Rückspiel des Viertelfinales, und jeweils gelang Phil Foden der Siegtreffer für den Tabellenführer der Premier League. In der Vorwoche traf der englische Jungnationalspieler aus kurzer Distanz in der 90. Minute, diesmal nun aus großer Distanz in der 75. Minute. Beides zu einem Zeitpunkt, als das Weiterkommen seines Teams fraglich zu sein schien.

Nach seinem schnörkellosen Linksschuss von der Strafraumgrenze in Dortmund rannte Foden ebenso geradlinig auf Trainer Pep Guardiola zu. Aus "purer Freude" und "purer Erleichterung", interpretierte das Massenblatt Sun, drückte Guardiola sein Gesicht an den Kopf von Foden - bis Stirn und Wangen erröteten, als hätte er vor Anspannung zu lange die Luft angehalten. So genau wisse er nicht mehr, was er Foden ins Ohr geflüstert hatte, rekapitulierte Guardiola, aber in jedem Fall habe er sich erkenntlich gezeigt: "Gut gemacht. Vielen Dank!" Die Umarmung sei "für alle Menschen im Klub" gewesen, ließ Guardiola in üblicher Bedeutungsschwere wissen.

Guardiola kündigt an, "sehr viel" Wein zu trinken

Nach vier missratenen Anläufen, in denen einmal im Achtel- und dreimal im Viertelfinale Schluss war, ist Guardiola nun tatsächlich Premierengast mit City unter den besten Vier der Königsklasse. Man gehöre damit zur "wahren Elite" in Europa, fand er. Als Gegner wartet in dieser Runde das vom katarischen Staatsfonds alimentierte Paris Saint-Germain mit den Weltklasse-Stürmern Neymar und Kylian Mbappé, dessen Emir, Tamim bin Hamad al-Thani, die Silbertrophäe ähnlich stark herbeisehnt wie Citys Scheich Mansour.

Das direkte Duell hält allerdings die Gemeinheit parat, dass es sich erst um ein Halbfinale handelt, so dass die beiden Stammesfürsten sich nach der Partie nicht gegenseitig die Medaillen um den Hals hängen können. Auf der Insel läuft die prestigeträchtige Auseinandersetzung der Geldprinzen unter dem Pseudonym "Oil Clasico", Öl-Klassiker, in Anlehnung an die riesigen Ölvorkommen am Persischen Golf, die das Fundament bilden für das absurd anmutende monetäre Wettrüsten der Herrscherfamilien im Weltfußball. Auf Twitter veröffentlichte City sogleich einen Boarding Pass seines Hauptsponsors für die Auswärtsreise zu PSG. Abflug- und Ankunftsort sind aber nicht Abu Dhabi und Doha, wie man meinen könnte, sondern doch Manchester und Paris.

An diese Begegnung, über deren Symbolik und Bedeutung sich laut Independent beide Länder "allzu bewusst" sein werden, wollte Guardiola nach dem Sieg über den BVB aber noch "keine Sekunde" denken; obwohl er im Hang zum Perfektionismus sonst immer bereits ans nächste Spiel zu denken scheint, sobald das aktuelle vorüber ist. Stattdessen kündigte er an "mit dem Team" feiern zu wollen und beim Abendessen "sehr viel" Wein zu trinken. Die Ausgelassenheit dürfte jedoch eher nicht auf dem bloßen Erfolg gegen die in dieser Saison unsteten Dortmunder basieren, sondern darauf, dass City "den Kampf gegen sich selbst und den eigenen Komplex" gewonnen hat, analysierte der Independent. Die Times titelte: "Phil Foden und Manchester City sind erwachsen geworden" - weil der junge Foden eine reife Leistung zeigte und City nicht die üblichen zittrigen Füße vor dem Ausscheiden bekam.

ManCity hat fast ständig mit mieser PR zu kämpfen

Das lag mitunter auch daran, dass der BVB nach Führung durch Jude Bellingham (15.), die für City das Ende bedeutet hätte, den Ausgleich nach einem fragwürdigen Handelfmeter hinnehmen musste; Riyad Mahrez verwandelte (55.). Ein "ganz klarer Strafstoß" sei die Aktion von Emre Can gewesen, urteilte Guardiola, der sichtlich darum bemüht war, dass seiner Mannschaft der Erfolg wegen dieser Szene nicht madig gemacht werde. Mit mieser PR hat der Klub fast ständig zu kämpfen. Nicht zuletzt im Vorsommer, als City erst nach einer Revision vor dem Sportgerichtshof Cas in letzter Instanz die Starterlaubnis für die Königsklasse erhielt - nachdem das unabhängige Finanzgremium des europäischen Fußballverbands Uefa den Verein zuvor wegen Bilanztrickserei für schuldig erklärt und für zwei Jahre aus dem Europapokal verbannt hatte.

Im bis dato für City wichtigsten Saisonspiel setzte Guardiola den Trend fort, seinen extravagant auf Ballbesitz ausgerichteten Spielstil zu vereinfachen. Keine überraschende Aufstellung, keine einrückenden Außenverteidiger und auch kein anderer Taktik-Schnick-Schnack. Seine Spieler waren schon genug damit ausgelastet, die eigene Nervosität zu unterdrücken, sogar "ein bisschen Angst" hätte man gehabt, etwas verlieren zu können, gab der deutsche Nationalspieler Ilkay Gündogan zu. Auch deshalb glich die Teamkabine einem Kindergeburtstag, mit banalen Parolen ("Together"; "We fight ̓til the end") und gemeinsamen Jubelfotos an den Wänden. Wie ernst es Guardiola war, die Viertelfinal-Blockade zu lösen, hatte sich bereits am Wochenende in der Liga beim 1:2 gegen Leeds angedeutet: Entgegen dem Mantra in jedem Spiel die beste Mannschaft auf den Platz zu schicken, schonte er gleich sieben Profis für die Champions League.

Durch das Weiterkommen ist Manchester City noch immer in allen vier Wettbewerben titelträchtig vertreten. Im Idealfall könnte City also das Quadrupel in dieser Saison stemmen, fern am Horizont schimmert sogar bei möglichen Folgetiteln das Septupel durch, mit dem die Fans liebäugeln. Sieben Triumphe auf einen Streich, um die kürzlich gewonnenen sechs Titel des FC Bayern zu übertrumpfen - und um die Milliardeninvestitionen einigermaßen zu rechtfertigen.

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