Süddeutsche Zeitung

Champions League:Klopp singt den Spaniern Angst ein

  • Atlético Madrid gewinnt das Achtelfinal-Hinspiel der Champions League gegen Titelverteidiger Liverpool und zeigt eine der durchdachtesten Abwehrschlachten der letzten Jahre.
  • Liverpool-Coach Jürgen Klopp hadert mit dem Gegner und dem Schiedsrichter, warnt die Spanier aber vor dem Rückspiel.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen der Champions League.

Von Javier Cáceres

Später, als er darüber reden sollte, was zum Sieg gegen den FC Liverpool geführt habe, wusste Diego Simeone, der Trainer von Atlético Madrid, den Ausgangspunkt genau zu benennen. Und es war kein Spielzug und kein Trick, über den er redete. Sondern eine aufwühlende Reise im Mannschaftsbus in das im Jahr 2017 eröffnete Estadio Metropolitano: "Von dem Augenblick an, da wir im Kreisverkehr zum Stadion abgebogen sind und eine Menge gesehen habe, die voller Enthusiasmus war und ohne Angst, haben wir angefangen zu gewinnen", sagte Simeone.

Und in der Tat: Wer später die Bilder sah, der durfte beeindruckt sein, auch wenn er nicht im Bus gesessen hatte, vom glutroten Horizont, vom Rauch, der zum Himmel stieg, vom Lärm.

Simeone, 49, ist seit acht Jahren bei Atlético als Trainer beschäftigt, und er bekannte, "so einen Empfang noch nie gesehen" zu haben. "Es gibt Nächte, die man nicht vergisst, und die heutige werden die Menschen nicht vergessen. Die beste Mannschaft der Welt ist gekommen, und wir haben sie geschlagen." Mit 1:0, um genau zu sein, durch ein Tor, das sinnigerweise Saúl Ñíguez erzielte. Der Mann, der nach eigenem Torerfolg nie eine Partie verlor (34 Siege, fünf Unentschieden), und am Vorabend der Partie im englischen Guardian eine "magische Nacht" beschworen hatte.

Klopps Vorwurf an die Atlético-Spieler

Ob dem Metropolitano im Vergleich zum alten Estadio Vicente Calderón etwas fehle, war Saúl gefragt worden, und er antwortete: "Ja. Zeit." Zeit, um "epische Spiele, Aufholjagden, Siege, große Nächte gegen große Teams" beherbergt zu haben. So wie gegen Liverpool, das zum ersten Mal seit dem 0:1 beim SSC Neapel von November 2018 wieder ohne Schuss aufs gegnerische Tor blieb. Trotz 72 Prozent Ballbesitz.

Liverpools Trainer Jürgen Klopp, 52, hatte am Spiel seiner Mannschaft nichts auszusetzen. Im Gegenteil. In Sachen Aufbau, Pressing, Gegenpressing und Intensität habe seine Mannschaft "das Beste seit langem" geboten, sagte Klopp nach der Rückkehr in das Stadion, das im vergangenen Jahr die Bühne des Champions-League-Finals und damit des jüngsten kontinentalen Triumphes der Reds gewesen war. Sie hatten tatsächlich nichts unversucht gelassen. Aber: Sie waren bei eigener Unzulänglichkeit ("Im letzten Drittel können wir besser spielen", sagte Klopp) auch auf eine Mannschaft gestoßen, die eine der besten und durchdachtesten Abwehrschlachten der vergangenen Jahre geboten - und all die Kritiken der vergangenen Wochen und Monate vergessen gemacht hatte.

Wegen des Ambientes hatte Klopp gar das Gefühl, "dass Atlético andauernd zur Tankstelle ging, während wir mit einer Füllung durchfahren mussten". Dafür sorgte auch Simeone, der das Publikum im Stile eines Windrads aufwiegelte und später sagte, einen Abend verlebt zu haben, an dem er "am liebsten wieder die Stiefel geschnürt" hätte. "Ich glaube nicht, dass er viel vom Spiel gesehen hat", sagte Klopp.

Die erste Explosion erschütterte das Metropolitano, als Saúl, 25, nach kaum mehr als drei Minuten die Führung erzielt hatte. Nach einem Eckstoß war der Ball Liverpools Mittelfeldspieler Fabinho auf den Schuh und dann Atléticos Saúl vor die Füße gefallen. Er hatte keine Mühe, Liverpools brasilianischen Torwart Allison zu überwinden. Dem Treffer haftete aber der Makel einer Fehlentscheidung an, denn der Eckball entstand nur deshalb, weil der Referee den Spaniern unmittelbar zuvor einen Einwurf zuerkannt hatte, der eigentlich Liverpool gehört hätte. Klopp hielt sich zwar nicht lange, aber durchaus deutlich mit dieser Szene auf, sie zählte aus seiner Sicht zu den Momenten, die belegten, dass der Schiedsrichter mit dieser Atmosphäre überfordert gewesen sei.

Ihm habe insgesamt ein Gespür für die Partie gefehlt, weshalb er beispielsweise Atléticos Fisimatenten habe durchgehen lassen. "Nach 30 Minuten lagen drei Atlético-Spieler auf dem Boden, ohne verletzt zu sein", klagte Klopp, und dass Stürmer Sadio Mané zur Halbzeit ausgewechselt werden musste, habe daran gelegen, dass der Senegalese nach einer gelben Karte rotgefährdet war. Dessen Gegenspieler "ging schon zu Boden, wenn Mané Luft holte".

Noch viel mehr ärgerte Klopp, dass Atlético nach der Partie sehr ausgiebig feierte. Das Gebaren der Atlético-Gemeinde hätte in ihm das Gefühl keimen lassen, die Spanier glaubten, sie hätten schon irgendwas gewonnen, meinte Klopp. Doch da dürfte er sich irren, im Lager der Madrilenen herrscht noch die Erinnerung an das vergangene Jahr vor, als Atlético bei Juventus in Turin noch einen 2:0-Hinspielsieg verspielte - und Liverpool drehte 2019 ja ebenfalls ein 0:3 gegen den FC Barcelona.

Für alle Fälle versuchte Jürgen Klopp aber, den Spaniern schon mal so etwas wie Angst einzusingen. Allen Atlético-Fans, die ein Ticket für das Rückspiel in Liverpool bekommen, gelte schon jetzt ein einschüchternd gemeinter Willkommensgruß: "Welcome to Anfield. Es ist noch nicht vorbei."

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SZ vom 20.02.2020/ebc
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