Champions League:Klopps großer Sieg

Champions League - Group Stage - Group C - Liverpool v Paris St Germain

Alle glücklich: Liverpools Coach Jürgen Klopp und Fabinho

(Foto: REUTERS)
  • Der FC Liverpool gewinnt in der Champions League gegen Paris Saint-Germain. Roberto Firmino trifft in der Nachspielzeit zum 3:2.
  • PSG-Trainer Thomas Tuchel ist enttäuscht und sagt: "Vielleicht erzählt das Ergebnis nicht wirklich die Geschichte des Spiels."
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Von Sven Haist, Liverpool

Und dann rannte Jürgen Klopp wieder los. Mit der Kraft eines Sprinters setzte sich sein Körper am Seitenrand in Bewegung, vorbei an den Assistenten, Betreuern und Spielern, die sich mit ihm freuen wollten. Schon nach ein paar Metern war die Trainerzone passiert, vor ihm lag jetzt nur noch The Kop, die Tribüne mit den treuesten Fans des FC Liverpool. Der Antritt von Klopp erinnerte an seine Ausgelassenheit nach einem Tor im Viertelfinale der Europa League gegen Borussia Dortmund im April 2016.

Die damalige Aufholjagd mit drei Treffern in der Schlussphase, die für Liverpool den Einzug in die nächste Runde bedeuteten, belebte die über Generationen transportierte Legende, ein Endergebnis stehe an der Anfield Road erst fest, wenn Ruhe eingekehrt ist. Denn der Sage nach besitzen die Leute die Kraft, mit ihren Gedanken ein vermeintlich feststehendes Resultat verändern zu können. Erst kurz vor den gegnerischen Fans kam Klopp bei der Erstaufführung seines Jubellaufs in England zum Stehen - am Dienstagabend schien er aus Ekstase noch einen Schritt weiterzugehen.

Klopp lobt seinen Joker Firmino

Die Geschwindigkeit, mit der Klopp, 51, in Turnschuhen die Linie entlangsauste, ließ keinen anderen Schluss zu, als dass er gleich über die Brüstung am Spielfeldende in die Menschenmenge springen würde. Allerdings stand Klopp auf halber Strecke zu den Fans der 1,95 Meter große Ersatzmann Joel Matip im Weg, der in entgegengesetzter Richtung unterwegs war. Mit ausgebreiteten Armen fing Matip seinen Coach ab, gemeinsam feierten sie den Siegtreffer des eingewechselten Roberto Firmino in der zweiten Minute der Nachspielzeit gegen Paris Saint-Germain.

Nach seinem kraftvollen Rechtsschuss hielt sich Firmino das linke Auge zu, um als Einäugiger an den Zusammenprall im Ligaspiel zu erinnern, bei dem ihm ein Gegenspieler den Zeigefinger unabsichtlich ins Auge gestochen hatte. "Das ist so cool für ihn und für uns. Wenn Robby verfügbar ist, denkt man die ganze Zeit: 'Auf geht's, bring ihn'. Das ist ein angenehmes Hilfsmittel, ihn einwechseln zu können", sagte Klopp.

Mit dem 3:2 über Paris Saint-Germain ist der FC Liverpool bestens in die neue Spielzeit der Champions League gekommen. Der Erfolg entschärft für den Finalisten der Vorsaison die als anspruchsvoll geltende Vorrundengruppe C mit dem SSC Neapel und Roter Stern Belgrad. Durch das Unentschieden im Parallelspiel könnten die Reds bereits mit einem weiteren Sieg im nächsten Auswärtsspiel in Neapel das Weiterkommen in die Wege leiten.

"Ein, zwei oder drei Jahre vorher hätte ich gesagt, dass Paris ein Berg ist, den wir nicht besteigen können", sagte Klopp: "Es ist noch immer unglaublich schwierig, aber was das Team aus unserem Plan gemacht hat, ist außergewöhnlich. Falls einer der Spieler ein Yard weniger gemacht hätte - game over."

Das Spiel wäre für Liverpool in der Tat beinahe vorbei gewesen. Mit einem taktischen Geniestreich hatte PSG-Trainer Thomas Tuchel für Paris ein Finale Furioso eingeleitet. Zehn Minuten vor Spielende entschied sich Tuchel mit einem Doppelwechsel, die Formation auf zwei Spitzen und vier zentrale Mittelfeldspieler abzuändern. Die im Fachjargon als Raute bezeichnete Grundordnung gilt bei den Trainern als eine waghalsige Anordnung, weil sie leicht auszuhebeln ist, aber gleichermaßen den Gegner auf dem falschen Fuß erwischen kann.

Für Tuchel ist es ein Déjà-vu

Nur drei Minuten nach der Umstellung verwertete das 19 Jahre junge französische Angriffsjuwel Kylian Mbappé ein Dribbling des Ausnahmespielers Neymar zum Ausgleich (83.), den Tuchel zuvor von der linken Seite in die Rolle des Spielmachers beordert hatte. Beim nächsten Angriff scheiterte der eingewechselte Julian Draxler nach einer feinen Finte mit einem Linksschuss am Hintern des verteidigenden Virgil van Dijk. "Das ist ärgerlich, der Treffer wäre für mich persönlich eine wichtige Sache gewesen", sagte Draxler später, "aber es gab schon entscheidendere Spiele in meinem Leben."

Nach seinem ersten Besuch mit dem BVB muss sich für Tuchel, 45, die erneute Niederlage in Anfield unmittelbar vor Abpfiff wie ein Déjà-vu angefühlt haben. Im direkten Duell mit Klopp ist es bereits die neunte Niederlage im 13. Spiel - gegen keinen anderen Trainer hat Tuchel (wie Pep Guardiola) häufiger verloren. Auf der Pressekonferenz sagte er: "Vielleicht erzählt das Ergebnis nicht wirklich die Geschichte des Spiels. Wir haben viel Mut und mentale Stärke gezeigt. Für mich ist das Resultat nicht logisch oder korrekt."

Schon sechs Eckbälle in der ersten Viertelstunde

Dabei drohte Paris in der Feuerprobe der ersten Halbzeit einzugehen. Im Wissen, dass die Entwicklung des Teams unter Tuchel in dieser Frühphase der Saison nicht ausgereift sein kann, legte Liverpool ein Spieltempo vor, das PSG nicht mitgehen konnte. Nach einer Viertelstunde hatten die Reds bereits sechs Eckbälle herausgeholt, die beiden anführenden Mittelfeldspieler Jordan Henderson und James Milner beeindruckten Neymar mit ihren resoluten Zweikämpfen.

Mit Ballstafetten versuchte Paris die Eigendynamik der Partie zu entschleunigen, aber auf diese Vorgehensweise eines Gegners hat sich Liverpool spezialisiert seit der Ankunft von Klopp im Oktober 2015. Das Anschlusstor durch Thomas Meunier (40.) bot Tuchel die Option, aus einer abwartenden Haltung heraus auf einen Kraftverlust bei Liverpool spekulieren zu können und seinen taktischen Variantenreichtum auszuspielen.

Fast hätte das geklappt - wenn sich nicht die Zuschauer nach dem Ausgleich durch ihre Unterstützung entscheidend eingemischt hätten. Klopp sagte: "Die Atmosphäre war fantastisch. Es ist etwas Besonderes, solche Dinge in diesem Stadion erleben zu dürfen." Als Gegenleistung setzte der Trainer zu seinem in Liverpool heiliggesprochenen Jubellauf an - und Thomas Tuchel blieb nichts übrig, als hinterherzuschauen.

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