Champions League:"Forsberg oder Poulsen hätten in meinem Team gespielt"

  • "Das war ein großer Moment in der Geschichte unseres Klubs und auch für mich als Trainer", sagt Julian Nagelsmann nach dem Einzug ins Viertelfinale der Champions League.
  • José Mourinho doziert nach dem 3:0 der Leipziger gegen Tottenham über die Stärken der Leipziger - und seinen geschwächten Kader.
  • Die Bundesliga-Partie gegen Freiburg am Samstag wird nicht vor Publikum ausgetragen.

Von Javier Cáceres, Leipzig

"Einem Menschen mit Humor/kommt das Leben komisch vor", schrieb einst der Dichter Peter Hacks, den nicht wenige in direkter Nachfolge Goethes wähnen. Und vielleicht kann man das, was der Stadion-Diskjockey am Dienstagabend durch die Boxen der Leipziger Arena jagte, tatsächlich im humoristischen Bereich verorten. Oder in seinen Unterzeilen Ironie, Sarkasmus und Realsatire. Denn während in der Republik das Unverständnis dafür, dass da ein Fußballspiel vor offiziell mehr als 42 000 Zuschauern stattfand, exponentiell stieg, legte der DJ eine Viertelstunde vor dem Spiel Coldplay auf. Genauer: das Lied "Clocks", in dem in einer Strophe doch tatsächlich ein Zweifel geäußert wird, der so passender nicht sein konnte: "Am I a part of the cure/or am I part of the disease." Zu Deutsch: "Bin ich Teil der Heilung oder bin ich Teil der Krankheit?"

Nun, nach dem 3:0-Achtelfinalrückspielsieg von RB Leipzig gegen Tottenham Hotspur (Hinspiel 1:0), am Ende des Tages also, waren andere Gedanken vorherrschend, etwa bei Vorstandschef Oliver Mintzlaff: "Ich freue mich übers Viertelfinale und lege mich heute ins Bett und denke nicht über Corona nach, sondern denke: Yes, wir haben es geschafft."

Die Leipziger, und damit zurück zum Sport, hatten es auch wirklich verdient. "Das war ein großer Moment in der Geschichte unseres Klubs und auch für mich als Trainer", sagte Julian Nagelsmann, der gelöster wirkte als je zuvor in seiner Leipziger Zeit. Das dürfte damit zu tun gehabt haben, dass er in Hoffenheim in der Champions League sieglos geblieben war. Nun steht er als jüngster Trainer der Königsklassengeschichte in der Runde der letzten acht, nach triumphalen Siegen gegen die einstige, in vielfacher Hinsicht gealterte Koryphäe José Mourinho.

Der Portugiese, seit einigen Monaten Trainer bei Tottenham Hotspur, ließ keinen Zweifel an der Überlegenheit der Leipziger erkennen, sie hatten über weite Strecken brillante 180 Minuten abgeliefert. So auch am Dienstag: In Sachen "Physis, Intensität, Rhythmus, Konter, Zweikämpfe in der Abwehr" sei Leipzig dem Vorjahresfinalisten überlegen gewesen, dozierte "Mou". Zu dem Bereich, den Mourinho für Tottenham (bzw. Nagelsmann) zu verantworten hatte, zur Organisation der Mannschaft also, war vom hochbezahlten "Special One" nichts zu erfahren. Denn es war schon erstaunlich, wie diktatorisch die Leipziger die Räume beherrschten, vor allem aber, wie schlecht die Leistung Tottenhams gerade in der Defensive war, traditionell ein Steckenpferd Mourinhos.

Weil die Londoner Delegation rasch zum Flughafen musste, war die Fragerunde mit dem Portugiesen rasch vorbei. Sie war freilich lang genug, damit Mourinho in seine Paraderolle schlüpfen konnte, die des Populisten, der die Fans dafür belobigte, in großer Zahl nach Leipzig gekommen zu sein, obschon es aus London keine Direktflüge gibt, und dem eigenen (Rest-)Kader die Qualität absprach. Er wolle ja nicht wieder auf die Verletztensituation verweisen, rief dann aber natürlich doch in Erinnerung, dass er derzeit ohne Spieler wie Harry Kane oder Son auskommen muss. Die Journalisten sollten mal "eine Denkübung" durchführen und sich "Liverpool ohne Salah, Mané, Henderson und Firmino, Barcelona ohne Griezmann, Messi, Suárez und Piqué" vorstellen. Oder eben "Leipzig ohne Sabitzer, Schick und Werner".

Sabitzer denkt an Sandhausen

Was das heiße? "Glauben Sie, die hätten dann auf die Weise gewonnen, wie sie es taten?", fragte Mourinho in die Runde - und neidete den Leipzigern auch ihre Reservebank. "Spieler wie Forsberg oder Poulsen hätten in meinem Team gespielt." Wobei sich Poulsen nur warmmachen durfte - im Gegensatz zu Forsberg, der spät eingewechselt wurde und in der 87. Minute noch den 3:0-Endstand herstellte. "Ich bin superstolz auf die Mannschaft", sagte der Schwede.

Eingewechselt wurde Forsberg für einen Spieler, der mit außergewöhnlich lautem Applaus verabschiedet wurde: Kapitän Marcel Sabitzer. Er hatte in der zehnten und in der 21. Minute die ersten beiden Treffer erzielte. Beim ersten Tor war er aus 19 Metern erfolgreich; beim zweiten Treffer bugsierte er eine Angelino-Flanke ins Tor, jeweils unter Mithilfe von Tottenham-Torwart Hugo Lloris. "Das werde ich jetzt, glaube ich, nicht mehr vergessen. Es ist ein Abend für die Geschichtsbücher. Mit Schlafen wird's schwierig. Ich bin geladen. Das wird mir noch durch den Kopf gehen." Und er erzählte auch, dass man bei der Hygiene den Bogen in die jüngere Vergangenheit gespannt habe. "In der Dusche haben wir uns daran erinnert, dass wir hier vor vier Jahren gegen Sandhausen 1:0 verloren haben. Und jetzt schlagen wir Tottenham mit einem Gesamt-Score von 4:0 ..."

Boss Mintzlaff wiederum erinnerte daran, dass man den Fokus wieder auf die Bundesliga legen müsse. Am Samstag steht die Partie gegen den SC Freiburg an (15.30 Uhr/Sky), es wird im Gegensatz zur Champions-League-Partie ein Geisterspiel. Mintzlaff verteidigte die Entscheidung, am Dienstag vor Zehntausenden gespielt zu haben. Mintzlaff erklärte zwar, dass die Gesundheit auch für RB oberste Priorität habe. Wäre ja noch schöner. Im Grunde klang er so, als habe man mit der "zu diesem Zeitpunkt richtigen Entscheidung" nicht sehr viel zu tun gehabt. "Es ist nicht so, dass wir drängen und sagen: Wir müssen hier mit Fans zu spielen." Andererseits: Das Gesundheitsamt habe "völlig richtig gehandelt". Und "dagegen haben wir uns natürlich auch nicht gewehrt".

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