RB Leipzig in der Champions League:Der Boss erhöht den Druck

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Zwei Tore, null Punkte: Auch der überzeugende Auftritt von Benjamin Sesko reichte nicht, um RB Leipzig gegen Juventus Turin zu belohnen. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Leipzig gibt trotz Überzahl und VAR-Hilfe das Spiel gegen Juventus Turin aus der Hand und scheint damit RB-Boss Oliver Mintzlaff zu bestätigen. Der äußert in einem Interview generelle Kritik am Standort, Trainer Marco Rose versucht, zu beschwichtigen.

Von Javier Cáceres, Leipzig

Thiago Motta sah aus wie ein Boxer. Eine dicke Beule schmückte die Stirn des Trainers von Juventus Turin. Die Verletzung stammte nicht aus einem Kampf mit Fäusten. Sondern war die Folge unbändigen Jubels, den das 3:2 bei RB Leipzig auslöste. Innenverteidiger Federico Gatti habe ihn nach dem Tor von Francisco Conceição (82. Minute) mit dem Ellbogen erwischt, erläuterte der Coach – und versicherte sogleich, dass er den Videoschiedsrichter nicht konsultieren würde, von dem hatte er erst einmal genug, „basta“, sagte er. Der VAR war Teil der Umstände gewesen, die Juves Sieg wie eine Skurrilität wirken ließen: ein Spiel zu drehen, nachdem man zweimal in Rückstand war, drei VAR-Entscheidungen gegen sich hatte und eine halbe Stunde in Unterzahl gespielt hatte – das muss man erst einmal schaffen. Und verarbeiten.

Letzteres galt in umgekehrter Form auch für die Leipziger, sie wirkten am Ende des langen Tages derangierter als Motta, das Unfallopfer. „Wir hatten sie am Haken“, sagte RB-Trainer Marco Rose wahrheitsgemäß. Aber: „Du darfst dir auf dem Niveau einfach nichts erlauben.“

Tja.

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Niederlagen kommen in den seltensten Fällen gelegen, das 2:3 gegen die Vecchia Signora aus Turin war für Rose wohl unpassender als jede andere Pleite, die der 48-Jährige in Leipzig erlebt hat. Denn: Sie ereignete sich wenige Tage nach einem Interview von RB-Boss Oliver Mintzlaff im Fachmagazin Kicker.

Es war aufsehenerregend, weil es sich am Rande der Generalabrechnung bewegte, und überraschend, weil eigentlich begründet vermutet werden darf, dass der Geschäftsführer des Getränkekonzerns gerade mit ein paar größeren RB-Baustellen ausgelastet ist – Stichwort Formel 1.

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Aber: In ihm erwuchs das Anliegen, in der Klubzentrale des Bundesligadritten und Champions-League-Teilnehmers ein wenig zu kokeln. Teilweise lasen sich die kaum verhohlenen Äußerungen wie Angriffe auf den Trainer – der einzigen Leipziger Identifikationsfigur einer nach Indentifikationsfiguren lechzenden Unternehmung. „Wir waren noch nie da, wenn die Lücke aufging“, zeterte Mintzlaff, und klagte darüber, dass man „immer wieder“ Spiele erlebe, „in denen die Mannschaft oder Teile der Mannschaft nicht bereit sind, alles abzurufen“.

Der 49-Jährige warnte, dass „die Phase“, in der RB an der Champions League „nur teilnehmen“ wolle, Vergangenheit sei. Man hätte schon gern erfahren, ob er sich durch die Darbietung am Mittwoch bestätigt sah. Als alle Welt nach der roten Karte für Torwart Michele Di Gregorio und Leipzigs 2:1-Führung durch die beiden wunderbaren Treffer von Benjamin Sesko die letzte Ölung für die Alte Dame aus Turin bestellen wollte. Doch das 2:3, begünstigt durch absurde Abwehrfehler, wurde zum Teil einer langen Reihe von RB-Niederlagen, nach denen Mintzlaff sich zwar im Kabinentrakt mit grimmigem Blick sehen ließ, sich aber ein öffentliches Silentium auferlegte; nach Siegen war sein Redefluss noch stets größer als nach Niederlagen. Und so blieb es Rose überlassen, für Mintzlaff zu sprechen.

„Wir waren noch nie da, wenn die Lücke aufging“, hat RB-Boss Oliver Mintzlaff in einem Interview geklagt. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Der Trainer bestätigte, dass der Aufsichtsratschef von RB in der Kabine gewesen sei und dort seine Enttäuschung zu erkennen gegeben habe, sagte Rose. Er selbst habe am Mittwochmittag mit Mintzlaff zusammengesessen, der Kaffee sei „megawarm“ und „angenehm“ gewesen, ebenso „das Gespräch“. Und es war Rose erkennbar daran gelegen, nebenbei das Feuer auszutreten, das Mintzlaff gelegt hatte. Er unterstellte ihm gar ein Motiv, das er teile: „Oliver Mintzlaff und Marco Rose wollen dasselbe: erfolgreichen Fußball spielen. Und dafür geben wir alles.“

Dass das am Mittwoch nicht so gut gelang und RB nun zu den acht punktlosen Mannschaften der Champions League zählt, führte er auf das „harte Learning“ zurück, dem sein junges Team ausgesetzt sei. Nicht, dass Juves Torschützen wesentlich älter wären. Doppeltorschütze Dusan Vlahovic hat das gleiche Alter wie Lois Openda, 24, Conceição ist wie Xavi Simons 21. Aber ein Unterschied sei, dass an anderen Standorten die Zündschnur etwas kürzer sei. „Hier dürfen sie Fehler machen, dürfen auch mal schlechte Phasen haben. Hier können sie sich weiterentwickeln“, erläuterte der Coach.

Womit Rose durch die Blume über die von Mintzlaff beaufsichtigte RB-Politik sprach. Denn ein Teil der Wahrheit ist, dass die besten Spieler immer dann aus Leipzig verschwinden, wenn sie einen Grad der Reife erreichen, der sie für etablierte Klubs interessant macht. Im kommenden Sommer, auch das ist eine Erkenntnis der bisherigen Champions-League-Spiele, dürften in Leipzig zwei Wohnungen im höherpreisigen Segment frei werden – die Immobilien von Benjamin Sesko und Castello Lukeba. Kein Leipziger dürfte das gut finden.

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