Champions League:Lars Bender - brutal mit sich selbst

Champions League: Umzingel von Gegner: Leverkusens Lars Bender im Spiel gegen Mainz 05.

Umzingel von Gegner: Leverkusens Lars Bender im Spiel gegen Mainz 05.

(Foto: AP)
  • Im Champions-League-Rückspiel bei Atlético Madrid muss Bayer Leverkusen erneut auf Lars Bender verzichten.
  • Benders Absagen sind in dieser Saison traurige Gewohnheit. Nur neun Bundesligaspiele und drei Champions-League-Duelle hat er mitmachen können.
  • In seiner Krankenakte stehen in dieser Saison schon Verletzungen am Sprunggelenk und an der Ferse sowie Muskelprobleme.

Von Philipp Selldorf, Madrid

Die gute Nachricht hatte sich bereits vor dem Boarding am Dienstagvormittag rumgesprochen: Ein Elfmeterschießen wird den Spielern von Bayer Leverkusen während des Champions-League-Ausflugs nach Madrid voraussichtlich erspart bleiben, nach Atléticos 4:2-Sieg im Hinspiel dürfte diese Variante als extrem unwahrscheinlich gelten.

Zwar wäre ein 4:2-Erfolg für Bayer 04 im Estadio Vicente Calderón prinzipiell eine erfreuliche Überraschung, doch in Anbetracht der prekären Leverkusener Beziehung zum Elfmeterpunkt könnte daraus auch eine böse Überraschung werden - niemand will, dass die Live-Übertragung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zur Peinlichkeit vor großem Publikum gerät. Die Leverkusener zögen, wenn man sie fragen würde, andere Wege ins Viertelfinale vor.

Die Erwartung eines Coups in Madrid ist naturgemäß gering, und sie ist am Dienstag noch kleiner geworden. Außer den verletzten oder gesperrten Stammkräften Jonathan Tah, Ömer Toprak, Benjamin Henrichs und Hakan Calhanoglu fehlten an Bord auch die Routiniers Stefan Kießling und Lars Bender. Kießling, 33, war am Freitag beim 1:1 gegen Bremen noch ein paar Minuten mitgelaufen, doch auch kurze Spielbeteiligungen verlangen ihm wegen chronischer Hüftprobleme außerordentliche Anstrengungen ab.

"Leidenszeit", sagt Bender, "der Begriff trifft es"

Das Ende von Kießlings Leidenszeit ist absehbar, sein aufreibendes Leben als Fußball-Schwerstarbeiter wird bald - nach elf Jahren in Leverkusen und vier Jahren in Nürnberg - vorüber sein. Lars Bender, 27, hingegen hört nicht auf mit den Bemühungen, sich wieder in den Betrieb einzureihen. Aktuell fehlt der Bayer-Kapitän wegen Sprunggelenksproblemen, am Montag absolvierte er noch ein Fitnesstraining, doch die Hoffnungen auf sein schnelles Comeback erfüllten sich nicht.

Benders Absagen sind in dieser Saison traurige Gewohnheit. Nur neun Bundesligaspiele und drei Champions-League-Duelle hat er mitmachen können, vermerkt sind Verletzungen am Sprunggelenk und an der Ferse sowie Muskelprobleme. Keine akuten Schäden, doch die Vielfalt und die Summe der Beschwerden haben ihn zwischenzeitlich zermürbt und nachdenklich gemacht, wie er vor ein paar Wochen zu verstehen gab. "Leidenszeit", so sagte er, "der Begriff trifft es."

Schon in der vorigen Saison reichte es für Bender lediglich zu 17 Einsätzen. Seine Teilnahme am Olympia-Turnier als Gast-Star im U21-Nationalteam fiel im August in ein günstiges Zeitfenster' Lars Bender gehörte in allen sechs Spielen zur Startformation - erst während des Finales in Rio de Janeiro musste er wegen einer Blessur den Platz verlassen.

So gab ihm Olympia einerseits moralischen Auftrieb, weil er das Turnier als Bestätigung empfand: "Es war wichtig für den Kopf, weil ich merkte: Es funktioniert noch alles." Andererseits brachten ihm der schnelle Spielrhythmus und die Reisefrequenz noch mehr gesundheitliche Last. "Vielleicht habe ich meinem Körper zu viel abverlangt", stellte Bender im Dezember fest, als er die Rückkehr ins Team aufschieben musste.

"Ich bin echt froh, dass ich weder Vater noch Mutter der Benders bin"

In Leverkusen haben sie darauf verzichtet, sich darüber zu beschweren, dass ihr Kapitän im Streben nach Medaillenglanz womöglich überstrapaziert wurde. Grund zur Klage gäbe es. Das Bayer-Mittelfeld wirkt häufig unstrukturiert oder desorganisiert, die ordnende Hand des früheren Nationalspielers wird dringend vermisst.

Für die Besetzung der Nummer Sechs stehen zwar zwei Spezialisten zur Verfügung, doch weder Charles Aránguiz noch Julian Baumgartlinger haben es in dieser Saison geschafft, mit ihren Leistungen unersetzlich zu werden. Das liegt auch daran, dass ein Sechser in Leverkusen nicht nur die Abwehrreihe bewachen muss, sondern auch den überall und nirgends herumrennenden Kollegen Kevin Kampl anleiten sollte.

Lars Bender wäre dazu imstande, aber der bei 1860 München ausgebildete Profi zahlt jetzt womöglich den Preis für eine ungute Gesundheitspolitik in eigener Sache. Sein in Dortmund tätiger Zwillingsbruder Sven steht ihm nicht nach. Beide hätten "mehr aus ihren Körpern rausgeholt, als sie zur Verfügung hatten", sagt ein mit den Kranken-Akten der Benders eng vertrauter Branchenvertreter. Dabei erweckten beide einst den Eindruck, unverwüstlich zu sein; die Benders waren zwei Fußballermodelle, die aus deutscher Wertarbeit hervorgegangen zu sein schienen. 600 000 Karrierekilometer ohne Austauschmotor? Kein Problem für Lars & Sven.

Doch ihre Spielweise folgte einem selbstzerstörerischen Motto: Hart gegen andere, brutal mit sich selbst. Spätestens als sein "Manni" - wie er Sven Bender immer nannte - nach einem beidseitigen Kieferbruch und einer riskanten Augapfelprellung den dritten Nasenbeinbruch erlitt, bekam deswegen auch Jürgen Klopp in Dortmund Gewissensbisse: "Ich bin echt froh, dass ich weder Vater noch Mutter der Benders bin", sagte der Trainer, während Nuri Sahin über den Mitspieler meinte, er gehe "mit dem Kopf dahin, wo ich nicht mit dem Fuß hingehe". Lustig ist die Sache leider nicht mehr. Sven Bender hat in dieser Saison lediglich zwei Bundesligaspiele bestritten. Wie sein (wenn auch nur um zwölf Minuten) älterer Bruder kämpft er um die Rückkehr auf den Platz.

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