Champions League:Kecker Auftritt von Benfica

Benfica Lissabon Champions League

Luis Fernandes, genannt Pizzi, gehört zu Benficas starker Offensive.

(Foto: dpa)

Von Matthias Schmid

Jonas Gonçalves Oliveira zieht sich die Ärmel seines Pullovers über die Hände, als er mit seinen Mitspielern gemächlich auf den Rasen trottet. Es sieht aus, als würde der brasilianische Stürmer frieren, am Montagabend im Schatten der mächtigen Münchner Arena. Dabei ist beim Abschlusstraining von Benfica Lissabon vor dem Auftritt in der Champions League an diesem Dienstag (20:45 Uhr, im SZ-Liveticker) das Thermometer auf angenehme 20 Grad geklettert - es ist eigentlich zu warm für einen Aprilabend in Oberbayern.

Jonas, wie der Angreifer von Lissabon kurz genannt wird, steht vor dem Viertelfinal-Hinspiel im Blickfeld. 30 Tore hat der 32-Jährige in dieser Saison bisher in der ersten portugiesischen Liga erzielt, in den vergangenen 15 Pflichtspielen brachte er es sogar auf 17 Treffer. Allerdings ist er in Deutschland nicht der prominenteste internationale Kicker. Die meist gestellte Frage der umstehenden Journalisten beim Training am Montag lautete daher: Wie sieht er eigentlich aus, dieser Jonas? Einmal erkannt, war er nicht mehr zu übersehen: Er ist der einzige Spieler im Kader, der an den Schläfen schon ergraut ist, an den Füßen trägt er knallige orangefarbene Schuhe mit schwarzen Klecksen.

Bayern-Trainer Pep Guardiola sah sich jedenfalls bestätigt, als er später auf dem Podium bei der Pressekonferenz im Bauch des Stadions saß und fassungslos sein Haupt schüttelte. Immer wieder. Dabei blickte er so grimmig drein wie ein Cowboy beim Anblick der Apachen. "Haben Sie schon mal ein Spiel von Benfica in dieser Spielzeit gesehen?", fragte der Spanier in die Runde, als einer gefragt hatte, ob er Lissabon ebenso defensiv erwarte wie die devoten Gegner in der Bundesliga. "Sie spielen nie defensiv und verteidigen 20 Meter nach vorne", sagte der Bayern-Trainer und fügte in seiner fast schon penetrant überschwänglichen Art hinzu: "Die Viererkette von Benfica ist vielleicht die beste in Europa im Moment."

Brasiliens Júlio César nicht in München

Ganz ohne Schwärmerei ist festzuhalten, dass die Mannschaft von Trainer Rui Vitória sehr wenige Gegentore hinnehmen muss, weil die Abwehr um die beiden Innenverteidiger Jardel (Brasilien) und Victor Lindelöf (Schweden) sehr leidenschaftlich und lästig verteidigt. Der Klub arbeitet schon seit Längerem an seiner Renaissance - mit den damit verbundenen aprilartigen Wetterumstürzen. Augenblicklich ist die Großwetterlage aber sehr stabil, es herrscht fast ein beständiges Azorenhoch mit viel Sonne und wenig Wolken. In der portugiesischen Meisterschaft führt Benfica die Tabelle vor dem Stadtrivalen Sporting und dem FC Porto an und steht davor, zum dritten Mal nacheinander den Titel zu gewinnen. Außerdem verlor Lissabon vor zwei Jahren das Europa-League-Finale gegen den FC Sevilla erst im Elfmeterschießen.

So überraschend kommt die erste Teilnahme am Viertelfinale der Champions League seit vier Jahren also nicht. Auch wenn Benfica von den Mannschaften, die jetzt noch übrig sind, den Kader mit dem geringsten Promifaktor hat. Ihr bekanntestes Gesicht in Deutschland ist erst gar nicht mitgereist. Stammtorwart Júlio César plagen Adduktorenprobleme. Der 36-Jährige hatte an jenem Julitag vor zwei Jahren bei der Weltmeisterschaft in Belo Horizonte das brasilianische Tor gehütet, ein bisschen wenigstens - beim 1:7 gegen Deutschland.

"Es ist klar, dass Benfica unbedingt ein Tor erzielen wird"

Eingeschüchtert wirken die Portugiesen nicht, im Gegenteil. "Wir wissen genau, wie wir das Spiel angehen wollen", kündigt Rui Vitória an, der weder als Trainer noch als Fußballer Spiele auf so großer Bühne bisher erlebt hat. "Wir werden mit großer Entschlossenheit, Begeisterung und Freude auflaufen und nicht vor den starken Bayern zurückschrecken. Wir spielen ohne Angst."

So etwas wie Furcht kennt auch der griechische Nationalspieler Kostas Mitroglou nicht, der neben Jonas in Benficas 4-4-2-System als zweiter Stürmer gesetzt ist und in dieser Saison schon auf 18 Tore kommt. Der 28-Jährige muss bei der Pressekonferenz in München den Kopfhörer für die Simultanübersetzung aufsetzen, weil er des Portugiesischen nicht mächtig ist. Mitroglou beantwortet die Fragen der portugiesischen Reporter auf Deutsch. Er ist in Deutschland aufgewachsen und hat beim MSV Duisburg und in der zweiten Mannschaft von Borussia Mönchengladbach gespielt, ehe er auszog, um sich zunächst in der Heimat seiner Eltern den Traum vom hochklassigen Profifußball zu erfüllen. Seit acht Monaten spielt er für Benfica. Es werden viele Verwandte und Freunde im Stadion sitzen, erzählt er. "Ich freue mich sehr auf das Spiel."

Bayern-Torhüter Manuel Neuer nennt ihn und Jonas "brandgefährlich, weil sie im Strafraum so viele Tore machen". Dass Mitroglou nun gegen den Weltmeister und Welttorhüter antreten muss, scheint ihn aber nicht sonderlich zu beeindrucken. "Mir ist es egal, ob ich gegen Neuer schießen muss oder einen anderen Torhüter", sagt Mitroglou keck. Da schien Neuer fast aufgeregter, jedenfalls hörte es sich so an. "Es ist klar, dass Benfica unbedingt ein Tor erzielen wird", sagte Neuer, um sich selber schnell zu korrigieren: "will natürlich."

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