Champions LeagueJuventus Turin taktiert sich durch Europa

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Sami Khedira bei Juventus Turin (Archivbild).
Sami Khedira bei Juventus Turin (Archivbild). (Foto: dpa)
  • Juventus Turin gewinnt fast jedes Spiel - in der Champions League gegen Porto steht es am Ende 2:0.
  • Auch in der Serie A gelingt dem Team ein beeindruckender Durchmarsch.
  • Manche rechnen sich bereits Chancen auf den Titel in der Champions League aus.

Von Birgit Schönau, Turin

Woanders mögen Dramen laufen, heroische Aufholjagden, tragische Niederlagen, sensationelle Überraschungen. Nicht so in Turin, nicht bei den Nachlassverwaltern jener guten alten italienischen Fußballschule, für die Effizienz kein Schimpfwort ist und Minimalismus eine erstrebenswerte ästhetische Kategorie.

2:0 hatte Juventus das Hinspiel im Champions-League-Achtelfinale in Porto gewonnen, gegen Gastgeber, die eine gute Stunde in Unterzahl spielen mussten. Und auch beim Rückspiel im Juventus Stadium mussten die Portugiesen wieder früh auf einen Mann verzichten, weil Maxi Pereira knapp vor der Torlinie die Hand ausstreckte, um den Ball von Gonzalo Higuian abzufangen (42.). Rote Karte - und Elfmeter für Juventus, Paulo Dybala verwandelte lässig. Und dieses 1:0 reichte dann auch schon für den Einzug ins Viertelfinale.

"Worüber reden wir hier eigentlich?"

Fußball-Italien erlebte ein Déjà-vu: Handspiel des Gegners, Elfmeter von Dybala, das war schon am vergangenen Freitag beim Liga-Heimspiel gegen den AC Mailand so gelaufen, mit nachfolgenden Gefühlsausbrüchen, von denen die Portugiesen ergeben absahen. Der Strafstoß gegen Milan hingegen, gepfiffen in Minute 97 beim Stand von 1:1, hatte den Schiedsrichter ins Zentrum wildester Verschwörungstheorien gerückt und die besiegten Spieler regelrecht ausflippen lassen. In der Gästekabine sollen einige Milan-Profis auf den dort ausgestellten Juve-Trophäen herumgetrampelt haben - zum Glück waren die Pokale nur aus Pappe. Die Medien berichteten außerdem genüsslich vom Schriftzug "Vorsicht, Diebe!" an der Wand, offenbar ein spontanes Wut-Graffito, wenn auch künstlerisch nicht besonders wertvoll.

Wie in alten Zeiten debattierte das Land ein ganzes Wochenende lang engagiert über einen Elfmeter - und wie in alten Zeiten spielte Parteienzugehörigkeit mal keine Rolle. Juventino oder Antijuventino, das allein war die Frage, nicht wenige empfanden das angesichts der immer giftiger und unübersichtlicher werdenden politischen Alltagsschlacht als wahre Wohltat. Und dass auch noch Juve-Trainer Massimiliano Allegri sein Wort zum Sonntag sprach, in dem er Fans und Spieler ermahnte, wieder auf den rechten Weg zu finden, "denn im Leben zählen gute Erziehung und Respekt" - das war nachgerade rührend.

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"Anstatt mit gutem Beispiel voran zu gehen, gleiten wir immer weiter in den Wahnsinn ab", sagte Allegri, er meinte damit tatsächlich den Fußball. Und dann präsentierte der Trainer nackte Fakten: 23 Ligasiege, ein Remis, vier Niederlagen, 20 Punkte Vorsprung vor dem Tabellensiebten Milan, acht Punkte vor dem Zweiten AS Rom: "Worüber reden wir hier eigentlich?"

Allegri ist ein ebenso geschmeidiger wie gnadenloser Taktiker, der nach dem Abgang von Kalibern wie Paul Pogba und Alvaro Morata nahezu unbeeindruckt eine neue, ebenso schlagkräftige Mannschaft geformt hat. Im Hinspiel gegen Porto hatte er aus disziplinarischen Gründen Leonardo Bonucci auf die Tribüne geschickt, einen der Stärksten der Gruppe. Bonucci ließ es sich gefallen und durfte am Dienstag wieder dabei sein. Wer sich mit diesem Trainer anlegt, zieht den Kürzeren.

Es ist in der Tat ein beeindruckender Durchmarsch, angeführt vom 39-Jährigen Kapitän Gianluigi Buffon, einem Monument des Weltfußballs. Torwart Buffon ist bei Freund und Gegner auch wegen seiner Herzlichkeit beliebt, für jeden hat er ein Schulterklopfen, eine freundliche Umarmung. Das ändert nichts daran, dass der Strahlemann und seine Leute aus purem Stahl sind. Wenn man der Juve in dieser Saison etwas vorwerfen kann, dann ist es jene humorlos anmutende Entschlossenheit, mit der sie fast jedes Spiel gewinnt.

Khedira agiert staatsmännisch

Fantasie und Leichtigkeit sind ornamentale Tugenden, die man dem jungen Dybala, zur Not aber auch dem Gegner überlässt. Die Fußballmaschine Juve läuft, angetrieben von dem immer staatsmännischer agierenden Sami Khedira, ohne Schnickschnack, auch in Europa: seit 21 Spielen zu Hause unbesiegt, zum vierten Mal in den vergangenen sieben Jahren unter den besten acht (die Achtelfinal-Vorjahresniederlage gegen den FC Bayern ist allerdings noch nicht verdaut).

Sicher, man pflegt ganz preußisch-piemontesisch noch das Understatement und hofft auf Losglück mit Leicester, als würde man mit den Großen noch nicht konkurrieren können. Aber hinter den Kulissen ist die noch vor zwei Jahren von Präsident Andrea Agnelli ausgegebene Parole "Wichtig ist nur, in der Champions League zu überwintern" überholt von viel ehrgeizigeren Zielen. Der 23-jährige Argentinier Dybala spricht aus, was längst auch andere denken: "Wir sind auf Augenhöhe mit Bayern, Barcelona und Real."

© SZ vom 16.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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